Schnellere Abschiebung? So will die EU ihren Migrationspakt umsetzen
72 Stunden: So schnell kann es gehen. 72 Stunden, so lange brauchen Österreichs Behörden inzwischen für die erste Beurteilung eines Asylantrags - im Eilverfahren, also in jenen Fällen, in denen die Aussichten auf eine Aufnahme ohnehin gering sind. In drei Monaten, so das Innenministerium, könnten solche Anträge endgültig abgeschlossen sein. Ein Tempo, das in der gesamten EU erreicht werden soll, so zumindest die Vorgaben des EU-Asyl- und Migrationspaktes, den EU-Parlament und Mitgliedsstaaten vor kurzem endgültig auf den Weg gebracht haben.
Jetzt aber geht es um die praktische Umsetzung der insgesamt fünf Gesetzespakete, in denen alles von den neuen Asylverfahren an der Grenze über den EU-weiten Datenaustausch bis hin zur Unterstützung der Staaten an der EU-Außengrenze geregelt ist. Bis zur praktischen Umsetzung aber ist es noch ein weiter Weg, das wird auch beim Treffen der EU-Innenminister im belgischen Gent zu Wochenbeginn deutlich.
Zwar verleiht die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson vor der Presse noch einmal ihrer Freude über die Einigung Ausdruck - "jetzt wird die Welt sehen, dass Europa Migration richtig handhabt" - aber in den Fachgesprächen unter den Ministern wird klar, wie viele Schritte man in der Umsetzung noch vor sich hat. Die könne man ohnehin nur einen nach dem anderen setzen, gibt sich Österreichs Innenminister Gerhard Karner pragmatisch. "Verstärkter Schutz der Außengrenzen und schnelle Asylverfahren an der Grenze", das sind für ihn die vorrangigen Ziele.
Pilotprojekte in Rumänien und Bulgarien
Anders als bisher sollen Asylwerber an den EU-Außengrenzen für vorerst drei Wochen in eigenen Aufnahmezentren festgehalten werden können. In dieser Zeit wird beurteilt, wie aussichtsreich ein Asylantrag ist. Sind die Chancen gering, wird das Verfahren direkt an der Grenze abgewickelt, ohne Einreise des Asylwerbers. Die ersten Testläufe für diese Verfahren werden an den EU-Außengrenzen in Rumänien und Bulgarien durchgeführt. In den dort bereits vorhandenen Aufnahmezentren sollen die Pilotprojekte für die neuen Verfahren ablaufen, EU-Komissarin Johannsson spricht von "Testläufen", mit denen festgestellt werden soll, ob die Abläufe in der Praxis funktionieren.
Bei der Datenerfassung gibt es noch Lücken
Unverzichtbar ist dabei auch der EU-weite Austausch der an der Grenze erfassten Daten der Asylwerber. Mehrfachanträge eines Migranten in einer Reihe von EU-Staaten - bisher Alltag im EU-Asylsystem - sollen so unmöglich werden. Klingt leichter, als es in der Praxis ist, macht auch die EU-Kommissarin deutlich: Es gebe noch einiges an "technischen Entwicklungen" zu leisten. Die Zeitvorgaben, die sich die EU gegeben hat sind knapp: Im Juni soll der Stufenplan mit allen Aufgaben für die EU-Staaten auf dem Tisch liegen, in zwei Jahren soll die ganze Sache laufen und auch einem Krisenfall - also einem neuen Flüchtlingsstrom - standhalten.
Zusammenarbeit mit Drittstaaten
Dafür aber, meint Innenminister Karner, gibt es noch einen "unverzichtbaren Baustein": Die Zusammenarbeit mit Drittstaaten, also jenen Ländern, durch die besonders viele Menschen auf dem Weg nach Europa kommen. Sie sollen als Barriere dienen, die Durchreise von Migranten unter Kontrolle bringen und diese bei Ablehnung des Asylantrags auch zurücknehmen. Dafür gibt es Geld und technische Unterstützung von der EU. Österreich setzt weiter auf Tunesien als Partner, Italien auf Albanien, andere auf Ägypten, weitere Länder wollen die Innenminister vorerst nicht nennen, zu heikel ist der Umgang mit den dortigen Regimen, etwa in Tunesien, oder Ägypten. Wie verlässlich diese Drittstaaten als Partner sind, und ob sie den Vorstellungen der EU in Bezug auf Menschenrechte entsprechen - auch da ist der Weg vom Migrationspakt zur Praxis noch weit.
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