Plakolm: "Wer das hinterfragt, ist in Österreich einfach nicht richtig"
Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm übernimmt ab 1. Mai die Digitalisierungsagenden.
Was sie in diesem Bereich noch umsetzen will, warum sie Haftstrafen für unter 14-Jährige fordert und was für sie Österreichs "Leitkultur" ausmacht.
KURIER: Zuerst gab es ein Wirtschafts- und Digitalisierungsministerium, dann einen Digitalisierungsstaatssekretär, jetzt betreuen Sie das Thema nebst anderen Dingen. Wird das seiner Wichtigkeit gerecht?
Claudia Plakolm: Definitiv, ich werde mich voll ins Zeug hauen. Ab 1. Mai übernehme ich die Digitalisierung offiziell, in den vergangenen Wochen habe ich mich sehr intensiv eingearbeitet. Wir hatten auch eine erste Expertenrunde mit Sozialpartnern, Industrie, Seniorenrat, Bundesjugendvertretung, Städte- und Gemeindebund. Mir ist wichtig, die Digitalisierung als Querschnittsmaterie zu verstehen, bei der wir viele Menschen mitnehmen und überzeugen müssen.
Ist das nicht Ressourcenverschwendung, wenn sich binnen viereinhalb Jahren Personal aus drei Ressorts in ein Thema einarbeiten muss?
Ich will nahtlos an die Projekte von Florian Tursky anschließen, aber auch meine eigenen Ideen umsetzen. Dafür gibt es jetzt die Einarbeitungsphase und auch ehemalige Mitarbeiter aus dem Digi-Staatssekretariat, die unterstützen.
Sie haben noch ein paar Monate Zeit. Was wollen Sie konkret umsetzen?
Es gibt Bevölkerungsgruppen, die – meistens auch berechtigte – Vorbehalte gegenüber der Digitalisierung haben. Deshalb ist mir wichtig, digitale Kompetenzen überall zu ermöglichen und ein großes Bildungsangebot auszurollen. Wir haben gerade die Digitale Kompetenzoffensive mit einem Budget von 30 Millionen Euro gestartet. Österreichweit sind da zum Beispiel 4.500 kostenlose Workshops drinnen. Und wir führen mit dem Städte- und Gemeindebund sogenannte Digi-Dolmetscher in jeder Gemeinde ein.
Was machen die Digi-Dolmetscher?
Zum einen sollen sie Digitalisierung für die Menschen in ihrer Gemeinde verständlich machen, zum anderen sollen sie uns direkt rückmelden, wo wir Barrieren abbauen müssen. Wenn zum Beispiel die ID Austria neue Funktionen bekommt, sind die Digi-Dolmetscher unsere ersten Ansprechpartner. Ihre Aufgabe wird es auch sein, uns zu sagen, welche Workshops die Leute in ihrer Gemeinde interessieren. Wir haben ein breites Kursangebot: Von der Frage, wie ich einen Touchscreen bediene, bis hin zu digitalen Amtswegen und Anwendungen der künstlichen Intelligenz.
Der Digi-Dolmetscher arbeitet ehrenamtlich oder gegen Bezahlung?
Ehrenamtlich. Es gibt in jeder Gemeinde Personen, die technikaffin und hilfsbereit sind. Mit ihnen wollen wir wiederum jene Menschen erreichen, die Vorbehalte und Ängste haben oder mit digitalen Behördenwegen nichts anfangen können.
Der US-Bundesstaat Florida hat unter 14-Jährigen die Nutzung sozialer Netzwerke verboten. Sollten wir darüber auch in Österreich nachdenken?
Ich bin kein Fan von Verboten. Mir ist viel wichtiger, dass in der Schule und zuhause über die Gefahren von Social Media aufgeklärt wird. Wir haben gerade erst mit Saferinternet.at eine Studie präsentiert, die zeigt, dass junge Menschen mit ihren Eltern gerne mehr über das Erlebte auf Social Media sprechen würden.
Sie sind für die Herabsetzung der Strafmündigkeit. Ab wann sind Vergewaltiger alt genug fürs Gefängnis?
Wir müssen Kinder und Jugendliche auch vor jungen Menschen schützen, die keinen moralischen Kompass mitgekriegt haben. Hier geht es um grauenvolle Straftaten wie Vergewaltigung, Raub, Mord. Wenn 12- bis 13-Jährige glauben, sie sind reif genug, solche Straftaten zu begehen, kann man doch nicht tatenlos zusehen. Entsteht der Eindruck, Gerichte und die Politik haben diese Situation nicht im Griff, würde das zur Selbstjustiz führen. Ich glaube, das ist ein Zustand, den wir niemals in unserem Land haben wollen. Wenn eine 12-jährige also über Monate mehrfach von einer Gruppe junger Burschen, die zum großen Teil minderjährig waren, vergewaltigt wird, braucht es Konsequenzen – auch in Form von Haftstrafen.
Was erwarten Sie sich davon? Experten meinen, dass härtere Strafen keine abschreckende Wirkung haben und es Haftstrafen noch schwierige machen würden, diese Menschen später zu integrieren.
Ich kenne diese Argumente. Aber ich möchte die Gegenfrage stellen: Was wären wir für eine Gesellschaft, wenn wir tatenlos zusehen, wie ein 12- oder 13-Jähriger vergewaltigt oder Menschen mit Waffen bedroht?
In der Schweiz liegt die Strafmündigkeit bei zehn Jahren, dafür kommen unter 15-Jährige nicht ins Gefängnis, sondern in betreute Einrichtungen. Wäre das eine geeignetes Modell?
Ich finde es wichtig, dass wir jetzt generell über diese minderjährigen Mehrfachtäter diskutieren.
Die Zahl der zur Anzeige gebrachten Straftaten von Jugendlichen ist gestiegen. Auch die Schwere der Straftaten ist auffällig. Ist das ein kulturelles Problem?
Sicherlich auch. Die Statistiken zeigen, dass diese schwerwiegend kriminellen Jugendlichen oftmals einen Migrationshintergrund haben.
Sie spielen in der Blasmusik und tragen hin und wieder ein Dirndl. Verkörpert Claudia Plakolm aus Sicht der ÖVP Österreichs Leitkultur?
Wir haben bereits eine Leitkultur in unserem Land. Sie ist über Jahrhunderte gewachsen und spiegelt genau das wider, was ich mir aus Österreich nicht wegdenken könnte. Dass wir ein christlich geprägtes Land sind, unabhängig davon, woran jeder Einzelne glaubt. Dass sich jeder Zweite ab 14 Jahren ehrenamtlich engagiert, was unser gutes Zusammenleben garantiert. Und, dass ein Bursch und ein Mädel die gleichen Chancen haben müssen. Wer das alles hinterfragt, ist in Österreich ganz einfach nicht richtig.
Rund jeder fünfte Schüler in Wien ist im Ausland geboren, etwa die Hälfte spricht zuhause nicht Deutsch, darunter viele Muslime. Wie sollen sich die in diesem Konzept wiederfinden?
Wir haben ein großes Angebot, um die Sprache zu erlernen und sich zu integrieren. Egal ob im Bildungssystem, am Arbeitsplatz oder in der Freizeitgestaltung. Da stehen viele Türen offen, aber man muss sie auch in Anspruch nehmen.
"Leiten" und "leiden" liegen ja oft nah beieinander: Sie treten bei der Nationalratswahl wieder an, aber haben Sie auch Lust auf eine weitere Legislaturperiode mit den Grünen?
Ich habe definitiv Lust darauf, in den nächsten Monaten noch viele Dinge weiterzubringen. Und ich will auch in der nächsten Legislaturperiode gute Politik für die Menschen und den Standort machen.
Kommentare