Türkise Leitkultur: ÖVP plakatiert Maibäume und Trachten gegen "Multikulti"
Was ist Österreichs Identität? Die ÖVP hat die Karwoche genutzt und eine Kampagne zur heimischen „Leitkultur“ gestartet, die sich dieser komplexen Frage widmet. Zum Finale veröffentlichte sie am Karfreitag Sujets von Männern und Frauen in Trachten – bei der Blasmusik oder beim Maibaum-Aufstellen. „Tradition statt Multikulti. Das ist für die Leit-Kultur“, heißt es etwa. Die Volkspartei postete das Sujet auf ihrem X-Account, löschte es dann aber wieder. Das Sujet werde "überarbeitet", heißt es auf KURIER-Anfrage.
Auf sozialen Medien polarisiert die Kampagne. So wurde der ÖVP vorgeworfen, FPÖ-Semantik zu bedienen. Andere reagierten mit Spott und Häme. Das Satire-Portal Die Tagespresse ergänzte die Kampagne um ein Sujet von Bundeskanzler Karl Nehammer, als er im September 2023 beim Altausseer Kirtag ein gewässertes Bier auf Ex trank. Titel: „Blunznfett statt Mohammed“.
Wie es jetzt in der Leitkultur-Debatte weitergeht
Die ÖVP meint es aber ernst. Um die Leitkultur-Debatte mit Inhalten zu füllen, hat Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) am Donnerstag zu einer ersten Expertenrunde geladen. Ergebnis war das Bekenntnis zu einer „breiten und vor allem unvoreingenommenen Diskussion über die Grundwerte unseres Zusammenlebens“. Diese Grundwerte wolle man nun in einem Prozess konkretisieren, heißt es in einer Aussendung.
Zunächst sollen vorhandene Studien und Befragungen zu den Themen Leitkultur und Werte analysiert werden, „einschließlich Aspekten wie ehrenamtliches Engagement und Einstellung zu Integration“.
Dann sollen Gespräche mit Lehrern, Polizisten und Krankenhauspersonal stattfinden – also Bürgern, die mit den Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens konfrontiert sind. Drittens soll eine Umfrage unter den Bürgern durchgeführt werden. Geplant ist auch eine weitere Runde mit Experten und Praktikern.
"Österreich hat keinen Gründungsmythos"
Ein solcher Experte, Bevölkerungswissenschaftler Rainer Münz, meinte in Ö1: „Es gibt Werte, die von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt werden, aber eben nicht von allen.“ Er sieht Österreichs Bevölkerung in der Verantwortung. Erst wenn diese sich auf Grundwerte und eine Identität geeinigt habe, könnte man diese auch Zuwanderern vermitteln.
Derzeit habe Österreich kein gemeinsames Narrativ, keinen Gründungsmythos und sei bei zentralen Themen nicht einer Meinung, so Münz. Das hätten die Covid-Jahre gezeigt.
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