Sind hohe Lohnabschlüsse Grund für Teuerung? Opposition kritisiert Brunner

MINISTERRAT: BRUNNER / KOCHER
Für Finanzminister sind hohe Löhne preistreibend. Wirtschaftsforscher relativiert die Aussage - Opposition kritisiert Brunner.

Österreichs Inflation liegt seit Monaten über dem EU-Schnitt. Nach Monaten der zweistelligen Teuerungsraten war sie im Mai erstmals seit einem Jahr wieder einstellig. Doch immer noch und konstant zu hoch. Für Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ist die in Relation zu anderen EU-Ländern hohe Inflation in den hohen Lohnabschlüssen begründet. "Wir sind mitten in einer Lohn-Preis-Spirale", sagt Brunner Dienstag Abend im ORF-Report. "Das ist klar." So klar ist das für Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und die politischen Mitbewerber wie den Koalitionspartner aber nicht.

Wiewohl Brunner bereits mehrfach - auch in einem KURIER-Interview Anfang Juni - auf Berechnungen hingewiesen hat, wonach jeder Prozentpunkt Lohnsteigerung die Inflation um 0,3 Prozentpunkte anheize, entfacht sich die Debatte darüber, wer die Teuerung verursacht, erst zur Wochenmitte so richtig.

Keine Stunde nach Brunners Auftritt im Report bekundet der Koalitionspartner bereits sein Unverständnis. Die Klubchefin der Grünen, Sigrid Maurer, sagt im ZiB 2-Interview, es sei angesichts der gestiegenen Lebenskosten "unangebracht, der Bevölkerung auszurichten", sie sollte besser niedrigeren Lohnabschlüssen zustimmen. Wie Brunner betont auch Maurer, die Lohnverhandlungen seien Angelegenheit der Sozialpartner. Die Politik habe sich darin nicht einzumischen und auch nichts auszurichten.

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Maurer merkt zudem an, dass Brunners Argumente jenen der Wirtschaftswissenschafter widersprechen würden. Wifo-Chef Felbermayr ist insofern Maurers Meinung, da er sagt: "Jeder versteht unter dem Terminus Lohn-Preis-Spirale etwas anderes." Doch in Österreich existiere aus wissenschaftlicher Sicht derzeit jedenfalls keine Lohn-Preis-Spirale.

"Wir haben sie nicht im Jahr 2022, nicht heuer, und wir haben sie auch im nächsten Jahr nicht", sagt Felbermayr. Richtig sei, so der Wifo-Chef, der damit wiederum Brunner zustimmt, dass die gestiegenen Kosten für die Unternehmen teilweise in höhere Preise umgewälzt werden, wenn die Löhne nach den Lohnverhandlungen im Herbst steigen. Felbermayr selbst forderte Ende März noch Mäßigung bei Löhnen und Preisen.

Auch IHS-Chef Klaus Neusser spricht sich in einem Standard-Kommentar Mitte Mai noch für moderates Vorgehen aus. "Zum einen braucht es für die nächste Herbstlohnrunde eine koordinierte, konsensuale Strategie, die auch die Regierung einbindet, um eine Preis-Lohn-Spirale zu verhindern."

Zur Erinnerung: 2022 schlossen beispielsweise die Metaller mit acht Prozent plus die kollektivvertraglichen Mindestlöhne ab. Auch bei den Eisenbahnern einigte man sich bei den KV-Verhandlungen auf acht Prozent mehr Lohn für die Beschäftigten. Allerdings auf zwei Jahre.

Für Ökonomin Monika Köppl-Turyna vom Wirtschaftsinstitut Eco Austria besteht das Phänomen der Lohn-Preis-Spirale, wie sie auf KURIER-Nachfrage sagt. "Es zu verschweigen wäre fahrlässig." Die von Brunner zitierten OeNB-Berechnungen, wonach jeder Prozentpunkt bei den Lohnabschlüssen die Inflation um 0,3 Prozent erhöht würden sich mit jenen Größenordnungen decken, die sie bei Eco Austria berechnen.

Für "blanken Zynismus" hält die SPÖ die Argumentation des Finanzministers - oder aber auch "unglaubliche wirtschaftliche Ahnungslosigkeit. Höhere Löhne sind Folge, nicht Ursache der Inflation", so SPÖ-Klubobmann Philip Kucher.

Die SPÖ plädiert erneut wie auch die FPÖ für eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, Energie und Treibstoffe. Das Beispiel Spanien - dort gab es mehrere staatliche Eingriffe in den Markt - zeige, dass die Maßnahmen greifen, die Inflation sinke. Im Mai lag die Teuerungsrate dort bei 3,2 Prozent.

FPÖ-Chef Herbert Kickl spricht sich zudem für ein "sofortiges Aus der unsinnigen Russland-Sanktionen aus". Es dürfe nicht zugelassen werden, dass "Österreichs Wirtschaft, Wohlstand und damit die soziale Sicherheit von unfähigen wie verantwortungslosen Politikern der rot-schwarz-grün-pinken Einheitspartei in kurzer Zeit zerstört wird".

Um die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs fürchten auch die Neos. Michael Bernhard, Neos-Mandatar und Bundessprecher der UNOS (Unternehmerisches Österreich), plädiert für ein "Lohn-Preis-Abkommen" zwischen Regierung, Gewerkschaften und Wirtschaftskammer und eine Streichung der Lohnnebenkosten von 25 Prozent auf Dienstgeberseite, um die Inflation in den Griff zu bekommen. "Erst wenn es Preisstabilität gibt, kann es zu Zurückhaltungen bei den Lohnverhandlungen kommen", so Bernhard. Geht es nach Berechnungen der Neos, brächte die Streichung von nicht-arbeitnehmerbezogenen Lohnnebenkosten jährlich zehn Milliarden Euro. Konkret gemeint sind damit Dienstgeberbeiträge, die Wohnbauförderung, die Kommunalsteuer, die Kammerumlage II und die U-Bahn-Abgabe.

Der Finanzminister selbst kontert die Kritik am Mittwoch nach dem Ministerrat. Er habe im ORF-Interview lediglich versucht, alle Inflationsgründe (Löhne, Energiekosten und -abhängigkeit, Warenkorb etc.) darzulegen. Dazu gehörten auch die gestiegenen Löhne.

Dass Brunner mit Arbeitsminister Martin Kocher und ohne grünes Koalitionsmitglied am Mittwoch vor die Presse tritt, will keines der beiden Regierungsmitglieder als Koalitionskrach-Abbild gewertet wissen. "Na überhaupt nicht, mein Gott na", meint Brunner flapsig. "Heute war einfach das Thema Wirtschaft und Finanzen und Inflation, und dazu hat man sich entschieden, uns beide her zu stellen", begründet Kocher die Einfärbigkeit.

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