Kärnten: Im Kuhstall ist die Politik tabu
Der Apfelstrudel sei von der Mama, sagt Olga Voglauer, Spitzenkandidatin der Grünen für die Kärntner Landtagswahl, und stellt ein großes Stück auf den Küchentisch.
An der Wand hängen Schwarz-Weiß-Fotos von der Familie. Daneben hat der Mann, der auf einem der Bilder zu sehen ist, Platz genommen – Markus, Ehemann von Voglauer.
Gemeinsam mit ihm hat die 42-Jährige den elterlichen Hof in Ludmannsdorf/Bilčovs 2010 übernommen. 15 Heumilchkühe der Rasse Jersey stehen im Laufstall, den man vom Küchenfenster aus sieht. Alle haben einen Namen. Die 13-jährige Kuh heißt Olga.
Klimaschutz
Und noch etwas sieht man vom Fenster des Bio-Bauernhofs aus. Die Karawanken. Für Voglauer Stichwort, um zu grünen Wahlkampfthemen zu wechseln, die weit über Kärntens Grenzen bewegen: Klimawandel und Energiewende.
Wahlberechtigt sind 428.929 Personen. Wahlschluss ist um 16 Uhr.
Das Team Kärnten und sein Parteichef Gerhard Köfer könnten zur Überraschung des Wahlabends werden und die ÖVP von Rang 3 verdrängen. Köfer stellt auch den LH-Anspruch.
5 Prozent
So hoch ist die Hürde für den Einzug ins Landesparlament. Ob die Grünen und die Neos heuer die Hürde schaffen, ist laut der Umfrage noch nicht sicher. Beide liegen demnach aktuell bei rund vier Prozent.
„Heuer waren die Karawanken lange nicht mit Schnee bedeckt. Die geben uns aber Trinkwasser und speisen die Drau, sorgen also für Strom“, sagt Voglauer. Darum wolle man wieder zurück in den Landtag, um die „Stimme für den Klimaschutz zu sein, die es nicht gab.“
Fünf Prozent brauchen die Grünen dafür, 2018 erreichten sie 3,12 Prozent. An den Wiedereinzug glaubt man fest. Warum die Grünen österreichweit in Kärnten prozentuell am schlechtesten aufgestellt sind?
„In anderen Bundesländern kennt man die starke grüne Kraft am Land, die wird nicht mit den Grünen verbunden, sondern mit einem bekannten Giebelkreuz“, sagt Voglauer. Sie sei Bäuerin und habe sich für den ländlichen Raum entschieden. Weg aus Wien, zurück nach Kärnten. Was sich viele wünschen, aber wenige tun.
Österreichweite Parteirankings interessieren den Mann, der umringt von Menschen in gelben Jacken am Rathausplatz in Spittal an der Drau steht, nicht. Seine Partei gibt es (noch) nur in Kärnten: Gerhard Köfer, Spitzenkandidat des Team Kärnten, Signalfarbe Gelb.
„Wir sind keine Rechtspopulisten. Wir werden nie untergriffig. Das macht die FPÖ
aber ständig“
Es ist jene Partei, die als Wahlsensation am 5. März hervorgehen könnte. Das Team Kärnten soll die ÖVP laut Umfragen gar von Platz drei verdrängen, sich von 5,67 Prozent auf 13 Prozent mehr als verdoppeln. Das gibt Selbstvertrauen. Genug davon hatte Köfer, 62, bereits zuvor.
Viele der Protestwähler machen gerne bei der FPÖ oder aber auch beim Team Kärnten ein Kreuzchen. Bei den zweiten Rechtspopulisten Österreichs?
Gerhard Köfer – im Unterschied zu seinen Wahlhelfern ohne gelbe Jacke, dafür fesch in grauem Sakko mit Hirschknöpfen – verneint das: „Wir sind keine Rechtspopulisten. Wir zeigen Themen auf, werden dabei aber nie untergriffig. Das macht die FPÖ ständig. Da ist so viel Hass. Kickl ist wie ein Phantom in Kärnten. Jetzt, zur Wahl, verirrt er sich ins Land, dann ist er nie mehr gesehen“, teilt der amtierende Bürgermeister aus. 16 Jahre lang war er in Spittal auch SPÖ-Bürgermeister, seit 2021 ist er als gelber Ortschef zurück.
Couleur-Wechsel als Thema
Die blaue Gegenseite echauffiert sich an diesem Couleur-Wechsel. 2013 schaffte Köfer – unter dem Team Stronach – mit 11,2 Prozent einen Achtungserfolg. Eine Umbenennung und zahlreiche personelle Querelen später, reichten 2018 gerade 5,7 Prozent für einen Verbleib im Landesparlament.
FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl hält Köfer in Wahlkampfreden gerne die parteiliche Wechselfreudigkeit vor. „Ein verkappter Sozi sei er“, sagt Kickl. Köfer kontert und ergänzt, dass er sich ein Team Kärnten auch außerhalb seines Heimatbundeslandes vorstellen könnte. Dann bestellt er sich im Stadtcafé einen Cappuccino.
Zwei Tische weiter hat die rote Vergangenheit in Form von Landeshauptmann-Stellvertreterin Gaby Schaunig Platz genommen. Man grüßt sich. Die Spittaler grüßen Köfer bereits mit „Herr Landeshauptmann“, denn genau das will er werden. Ist eine Koalition mit der wenig geliebten FPÖ denkbar?
„Ich sehe mich lieber in einem Duell mit Landeshauptmann Kaiser, als über Theorien zu sprechen“, sagt er, nimmt den letzten Schluck Kaffee und muss weiter. Nächster Stopp: Klagenfurt, Benediktiner-Markt.
Haselsteiner-Bonus
Die Landeshauptstadt, Ort des Lindwurms und des Firmensitzes von Janos Juvan, Spitzenkandidat der Neos. Vom kleinen Büro aus werden 4.500 Autowerkstätten europaweit bei der Digitalisierung serviciert. Die 20 Mitarbeiter tragen Hausschuhe. „Auf eigenen Wunsch, ich behalt die Straßenschuhe an“, so Juvan.
Mit 2,14 Prozent bei der Wahl 2108 werden den Neos, trotz prominenter und finanzieller Unterstützung durch den Industriellen Hans Peter Haselsteiner, nur geringe Chancen auf den Einzug ins Landesparlament eingeräumt.
„Ich höre immer, dass es so eine schwierige Aufgabe ist. Vielleicht bin ich genau der Mann für schwierige Aufgaben: Ich bin mit 19 Vater geworden, mit Mitte 20 Geschäftsführer eines krisengebeutelten Unternehmens und kurz vor Corona habe ich mein eigenes Unternehmen gegründet.“ Heute ist er 38 Jahre alt.
In Kärnten wolle man die Stimme der Leistungsträger sein. Erinnert ein wenig an den umstrittenen Sager von Arbeitsminister Martin Kocher, der weniger Sozialleistungen bei Teilzeitjobs forderte. „Mit dem Problem, auf das er hinweist, hat er völlig recht“, sagt Juvan.
Seine Mitarbeiter in Hausschuhen motiviere er übrigens durch gute Rahmenbedingungen. „Ein cooles Büro. Auf Wünsche eingehen und dafür sorgen, dass es immer guten Kaffee gibt.“ Der wird nicht in pinken, aber immerhin in hell-rosa-roten Kaffeetassen serviert. Für Kärnten will Juvan Sprachenvielfalt. Deutsch, Italienisch, Englisch, Slowenisch sollen alle Kärntner Kinder lernen.
In Ludmannsdorf/Bilčovs am Hof von Olga Voglauer ist Slowenisch Alltag. Auch wenn die junge FPÖ mit ihrem jüngsten „Slowenisierungs“-Posting („SPÖ abwählen, Slowenisierung Kärntens stoppen!“) dies anders sieht.
„Ich bin als Kärntner-Slowenin selbst betroffen. Der FPÖ gelingt es sehr gut, Aufmerksamkeit für sich zu erregen. Wir sollten nicht Fehler aus der Vergangenheit wiederholen und diese Aufmerksamkeit stärken“, sagt die Bäuerin, als der Strudel aufgegessen ist und es von der Küche Richtung Kuhstall geht. Der Blick auf die Karawanken und das Bärental, Heimat von Jörg Haider, wird zunächst kurz durch jenen auf Voglauers E-Auto ersetzt.
Gerhard Köfer sitzt da bereits im schwarz-roten BMW Richtung Klagenfurt. Er sei kein Freund von E-Autos. Hat sogar ein Volksbegehren gegen den „E-Auto-Zwang“ gestartet. Sein Hybrid rollt über „die Gorbach-Autobahn“, wie es Köfer nennt. Zwischen Spittal-Ost und Paternion wollte Ex-Verkehrsminister Hubert Gorbach einst Tempo 160 einführen.
Doch bevor der Ex-Polizist weiter ausholen kann, läutet sein Handy – Frank Sinatra, „I did it my way“. Ein Song, den er gerne bei Wahlauftritten selbst singt. Zuletzt brachte er ihm Lacher in einer Fernsehsendung.
Einzige Frau an der Spitze
Ein Lachen, das Voglauer vergeht, wenn die Frage lautet, warum sie die einzige Spitzenkandidatin ist? „So was gibt‘s auch nur in Kärnten. Na, es ist ein generelles Problem“, sagt sie und geht zu den Kühen.
„Die Ausrede, dass man keine Frauen findet, weil sie alles alleine machen müssen, kann ich nicht mehr hören“
„Die Ausrede, dass man keine Frauen für Führungsjobs findet, weil sie alles alleine machen müssen, kann ich nicht mehr hören. Alleine bringt niemand etwas unter einen Hut. Wäre der Markus nicht, ginge es auch nicht, dass sich die Frau Voglauer einbildet, in die Politik zu gehen.“
Es brauche Frauenarbeit über Jahre und Männer, die bereit sind, einen Schritt zurückzutreten. Mann Markus nickt.
Politik im Stall ist aber normalerweise tabu. Hier zählt nur die Kuh. „Melken erdet mich. Aus Termingründen melke ich momentan leider nur am Sonntag.“ Auch am 5. März? „Nein, da hilft wer. Ich habe da Wahl.“
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