Wahlkampf in Kärnten: Wie es unter der Oberfläche brodelt

Kärnten wählt am kommenden Sonntag, den 5. März. Es ist das zweite von drei Bundesländern in diesem Frühjahr. Salzburg folgt am 23. April.
Ein Beben wie Ende Jänner in Niederösterreich zeichnet sich in Kärnten nicht ab. In Kärnten startet die FPÖ bereits bei 23 Prozent, während sie in Niederösterreich noch viel mehr Luft nach oben hatte. Hinzu kommt, dass die regierende SPÖ und Landeshauptmann Peter Kaiser wenig Anlass für Kritik geben. Der häufigste Vorwurf an ihn lautet, er sei "langweilig". Dennoch leidet auch die SPÖ als führende Regierungspartei unter den Krisenfolgen.
Das sagen die letzten Umfragen
Die Umfragen zeigen, dass die SPÖ von ihren 48 Prozent bis zu sieben Prozentpunkte verlieren könnte. Die FPÖ gewinnt zu ihren 23 Prozent angeblich wenig dazu, weil das Team Kärnten, eine populistische Regionalpartei, einen Teil der Proteststimmen einsammelt und seine derzeit 5,6 Prozent verdoppelt. Grüne und Neos sind nicht im Landtag und hoffen, die Fünf-Prozent-Hürde diesmal zu überspringen. Die ÖVP droht laut Umfragen von 15 in Richtung zehn Prozent abzurutschen. Eine Mehrheit für die Fortsetzung der derzeitigen rot-schwarzen Koalition scheint aber sicher.
Was sich unter der Oberfläche abspielt, ist spannender als das, was die Umfragen signalisieren. Die vielen Krisen haben natürlich auch in der Kärntner Bevölkerung ihre Spuren hinterlassen. Es gibt Unsicherheit, Spannungen bis hin zu Feindseligkeiten und offener Aggression. Der KURIER hat in den letzten drei Tagen sechs Parteien begleitet: Die interessantesten Einblicke im Zeitraffer.
Aschermittwoch, 9 Uhr früh auf dem Völkermarkter Hauptplatz. Die SPÖ hat zwischen den Marktständen ein Buffet aufgebaut. Es gibt Reindling, Weckerl, Hagebuttentee und einen freundlichen Landeshauptmann. „Wollen Sie bei uns etwas genießen?“ fragen die SPÖ-Wahlhelfer die Passanten. Überall picken Herzerl. Peter Kaiser spricht von einer „Wahlbewegung“ statt eines Kampfes, und schon im dritten Satz bekundet der SPÖ-Chef „Respekt für die Mitbewerbenden“ aus anderen Parteien. Demokratie bedeute Vielfalt, sagt Kaiser, und er wirbt vor allem dafür, dass die Leute wählen gehen.

Reindling, Tee und Herzlichkeit: Peter Kaiser grenzt sich im Stil von der Kickl-FPÖ ab
Die SPÖ führt einen betont soften Wahlkampf. Das hat natürlich auch eine taktische Komponente. Bisher hat die SPÖ auf FPÖ-Provokationen stets mit Gegenattacken reagiert – und die FPÖ damit oft noch interessanter gemacht. Nun probiert die SPÖ-Kärnten eine andere Methode: Neben der eigenen Menschenfreundlichkeit lässt das die blaue Aggressivität besonders unsympathisch aussehen.
Und tatsächlich herrscht in der FPÖ diesmal eine gewisse Stil-Unsicherheit.
Aschermittwoch, 19 Uhr in einem Landgasthof auf dem Zollfeld. Kärntens FPÖ-Spitzenkandidat Erwin Angerer hält im vollen Saal eine Wahlrede. Er übt zwar inhaltlich harte Kritik an der rot-schwarzen Koalition in Kärnten, aber persönliche Untergriffe unterlässt Angerer.

FPÖ-Chef Angerer bei Parteitreffen: Untergriffe auf Gegner unterbleiben
Zu groß ist die Gefahr, dass Proteststimmen diesmal zu einer Konkurrenzliste, dem Team Kärnten, wandern. Dessen Obmann Gerhard Köfer bietet ein ebenfalls populistisches Programm, schlägt aber einen deutlich zivilisierteren Ton als die FPÖ an.
Kickl erweitert Verschwörungs-Legende
FPÖ-Chef Herbert Kickl hingegen lassen die guten Umfragen für Köfer kalt. Seine Wahleinsätze in Kärnten strotzen vor Verbalinjurien. Er heimst jetzt die Früchte seiner jahrelangen Unterstützung für die Corona-Gegner ein und überträgt die erprobte Propaganda auf andere Themen wie den Ukraine-Krieg oder die teure Energie. Kickl redet dem Publikum ein, es gebe eine „Verschwörung der Eliten“, um „die einfache Bevölkerung auszunehmen und zu kontrollieren“. Brüssel, EU, NATO, Konzerne, Politiker anderer Parteien – alle eine einzige Verschwörung. Sogar das heimische Parlament diskreditiert er als einen Ort, an dem man „nicht die Wahrheit sagen darf“.
Und der FPÖ-Chef findet sein Publikum, es gibt genügend Spannungen in der Bevölkerung, die sich politisch nutzen lassen.
Donnerstag in der Fußgängerzone in Klagenfurt. Neos-Spitzenkandidat Janos Juvan bringt mit seiner Kampagne „Gerechtigkeit für Leistungsträger“ die Gemüter von Geschäftsbetreiberinnen zum Kochen. Die Jungen wollten nicht mehr arbeiten, die Arbeitslosen gingen nach dem ersten Tag wieder stempeln, der Staat füttere alle durch, und sie selbst stünden seit 40 Jahren rund um die Uhr im Geschäft: In dieser Tonart geht es dahin. Ob sich der artikulierte Zorn „aufs System“ in Stimmen für Neos niederschlägt, ist zweifelhaft.
ÖVP und Grüne, Feindseligkeit an der Basis
Donnerstag, 7 Uhr beim Hauptbahnhof Klagenfurt. ÖVP-Chef Martin Gruber und sein Team verteilen mürbe Striezel an schlaftrunken aus dem Zug wankende Schülerinnen und Schüler. An der Kreuzung gegenüber stehen die Grünen und verteilen Bio-Kipferl. Grün-Chefin Olga Voglauer wechselt zu Gruber hinüber, als Friedenszeichen werden Gebäckstücke ausgetauscht, dann wirbt jeder auf seiner Straßenseite weiter.
Doch die Idylle trügt.

Olga Voglauer (Grüne) und Martin Gruber (ÖVP) tauschen Wahlgebäck aus
Am Freitag, 9 Uhr, versammeln sich in Schloss Krastowitz bei Klagenfurt die Kärntner Rinderzüchter. Hier sind die Grünen Feinde. Tiertransporte, Veganismus und Wölfe auf der Alm: Die Bauern fühlen sich von den Grünen und deren NGO-Umfeld existenziell bedroht und verunglimpft. ÖVP-Chef Gruber sucht die Rinderzüchter zu besänftigen: Er habe in Kärnten Abschüsse von gefährlichen Wölfen rechtlich ermöglicht.
Die Wölfe, ein Randthema? Weit gefehlt. Die Tiroler ÖVP habe den Verlust von vier Prozentpunkten allein dem Umstand zu verdanken gehabt, dass sie Problemwölfe nicht abschießen ließ, heißt es in der ÖVP.
Brandanschlag auf Politikerplakat
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag. In Moosburg nördlich von Klagenfurt verüben Unbekannte einen Brandanschlag. Mit Brandbeschleunigern wird ein Wahlplakat der ÖVP angezündet, die Feuerwehr rückt aus, das Bild Grubers ist gänzlich verkohlt. Verfassungsschutz und die Polizei ermitteln. Man munkelt, dass Impfgegner dahinter stecken.
Gruber reagiert besorgt auf die Eskalation: „Wir leben in einer Demokratie, jeder kann seine Meinung offen sagen. Wir brauchen keine Brandbeschleuniger.“
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