Heikle Aktensuche und brisante Finca-Urlaube: Was die ÖVP nervös macht
Er hat alle Hände voll zu tun. Wolfgang Peschorn, seines Zeichens Ex-Innenminister (Kabinett Brigitte Bierlein) und jetzt wieder in seinem angestammten Job als Anwalt der Republik tätig, koordiniert eine für die ÖVP brisante Aktenanlieferung. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist mit Hochdruck auf der Suche nach belastendem Material in der Causa Novomatic und Gernot Blümel. Dieses Material sucht die Behörde nicht nur am Handy oder am privaten Laptop von Blümel und seiner Lebensgefährtin, den sie während der Hausdurchsuchung zum Spazierengehen mitnahm.
Als hätte das Finanzministerium in der Pandemie nicht schon genug komplexe Materien zu bewältigen, tauchten in der Vorwoche Ermittler mit einer sehr breitgefassten Anordnung zur Sicherstellung auf. Normalerweise wird um Amtshilfe ersucht, weil Blümel aber ein Beschuldigter im Verfahren ist, wählte die WKStA diese Zwangsmaßnahme.
Alle eMails, bezugshabende ELAKs (Elektronischer Akt), sonstige Daten und physische Datenträger (Back-ups und Sicherungskopien) sowie sonstige Unterlagen und Beweisgegenstände, aus denen Informationen zum Spendenangebot und Terminersuchen von Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann am 12. Juli 2017 hervorgehen könnten.
Das kann man als die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen bezeichnen. „Ein Tatmesser zu finden, ist dagegen leicht“, so Peschorn. Am Server des Finanzministeriums liegen über 12.000 Mailaccounts, dazu kommt eine unglaubliche Datenmenge, wovon der Großteil dem Amtsgeheimnis unterliegt, das selbst ein Staatsanwalt nicht einsehen darf.
Die Herausforderung für Peschorn: Die Sicherung der heiklen Daten für die Ermittler überhaupt umsetzbar zu machen und eine saubere Verarbeitung seitens der WKStA zu ermöglichen. Dazu kam das Problem, dass die Daten im Bundesrechenzentrum liegen, das wiederum ein Dienstleister der Republik ist, aber nicht der Inhaber der Server. Die Ermittler wurden mit der Anordnung der WKStA im Wirtschaftsministerium vorstellig, diese fühlten sich nicht zuständig, weil das Bundesrechenzentrum eine GesmbH sei.
Wegen dieses Wirrwarrs an Zuständigkeiten scheiterte der erste Anlauf. An diesem Punkt kam Peschorn als Koordinator und Mediator ins Spiel. Um das Stochern im Heuhaufen zu erleichtern, wurde in Gesprächen die Liste der Begehrlichkeiten „leicht verständlich gemacht“. Ende dieser Woche glückte das Vorhaben nun.
Zunehmend ungemütlich wird es nicht nur für Kurz-Vertraute wie Blümel, sondern auch für Kanzler Sebastian Kurz selbst. Bis spätabends musste Lisa Wieser, die seit 2011 die rechte Hand von Kurz ist (ihr Schwager steckt mitten im Skandal um Hygiene Austria-Masken), im Ibiza-U-Ausschuss aussagen. Kurz sprach von zwei eMail-Adressen. "That’s it“, sagte er im U-Ausschuss. Kurz’ Büroleiterin erklärte hingegen, dass der Kanzler "zwei offizielle und eine halbprivate eMail-Adresse habe“ – die aber auf “@bka.gv.at“ lautet. Die Opposition ortet darin einen Vertuschungsversuch.
Ein Gerangel herrscht auch um die SMS von Sebastian Kurz an Heinz-Christian Strache. 300 SMS sollen von der Justiz an den U-Ausschuss geliefert worden sein. Sie könnten Hinweise für türkis-blaue Deals liefern. Zuerst als "geheim“ eingestuft, hätte darüber nur in abhörsicheren Räumen gesprochen werden dürfen. Das Justizministerium revidierte die Entscheidung der Staatsanwaltschaft und stufte die Klassifizierung der Chatverläufe auf Stufe 1 („eingeschränkt“) neu ein.
Warm anziehen müssen sich auch türkise Unterstützer. In dieser Woche wurden die Netzwerkerin Gabi Spiegelfeld und ihre Frühstückseinladungen für und mit Sebastian Kurz durchleuchtet. Bei "Kipferl und Kaffee im Hotel Sacher“ lud sie Wirtschaftstreibende (darunter auch Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann), Künstler und Spitzenmediziner zum Talk mit Kurz. Mit dem „Klingelbeutel bin ich dort nie herumgelaufen“, so Spiegelfeld. Die Opposition wollte von ihr wissen, ob Kurz jemals in ihrer Finca auf Mallorca urlaubte, denn: Das wäre möglicherweise eine verbotene Geschenkannahme eines Amtsträgers.
Nein, Kurz war nicht eingeladen auf der Spiegelfeld-Finca. Mehrfach urlaubte dort hingegen der Chef staatlichen Beteiligungsholding ÖBAG Thomas Schmid. Für Kost und Logis habe Schmid zumindest 2019 extra eine Summe gezahlt (in welcher Form wollte Spiegelfeld nicht preisgeben). "Das war auch mit der Compliance-Abteilung in der ÖBAG abgeklärt“, so die PR-Strategin.
Eine schiefe Optik bleibt dennoch, denn Spiegelfelds PR-Agentur gewann ausgerechnet die ÖBAG als Kunden. Der Ehemann von Spiegelfeld zog als Aufsichtsrat in die Bundesforste ein.
Hochspannung ist nächste Woche im Ausschuss garantiert, wenn Ex-SPÖ-Kanzler Christian Kern und Johann Fuchs, der Chef der Oberstaatsanwaltschaft, geladen sind. Die WKStA sieht Fuchs als ihren Intimfeind.
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