WKO-Präsident über Koalitionsverhandlungen: "Wir lassen uns überraschen"

WKO-Präsident über Koalitionsverhandlungen: "Wir lassen uns überraschen"
Mahrer spricht sich für eine Flattax und gegen eine Bankenabgabe aus. Was multipolar ist und wessen Freund Kickl nicht ist.

Einst gehörte er der Regierung Faymann II als Staatssekretär und Minister an, seit 2018 ist er Präsident der Wirtschaftskammer, deren Wahlen von 10. bis 13. März stattfinden. Harald Mahrer verhandelt derzeit mit FPÖ-Budgetsprecher Hubert Fuchs den Themenbereich Finanz und Steuern.

KURIER: ÖVP-Chef Christian Stocker wird eine 180-Grad-Wende vorgeworfen, weil er mit FPÖ-Chef Herbert Kickl am Verhandlungstisch sitzt. Wie sehr müssen Sie sich verbiegen?

Harald Mahrer: Es geht nicht um Verbiegen. Wenn eine Partei beschließt, eine neue Regierung zu bilden, dann übernimmt man Verantwortung. 

Sie kennen Ihr Gegenüber in den Steuer- und Finanzverhandlungen, Ex-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs, aus der ÖVP-FPÖ-Regierung 2017. Wie würden Sie Ihr Verhältnis bezeichnen?

Hubert Fuchs hat eine hohe Fachexpertise. Die Stimmung ist sehr sachlich und konstruktiv.

KOALITION: PK WÖGINGER / FUCHS

Fuchs bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ÖVP-Klubchef August Wöginger

War die Stimmung bei den Koalitionsverhandlungen zu dritt auch „sehr konstruktiv“?

Es war multipolar und manchmal sehr provokant.

Das ist ein Seitenhieb zur SPÖ?

Die Neos waren sehr konstruktiv und sehr gut vorbereitet.

Warum ist die Sozialpartnerschaft nicht stark genug, um die ideologischen Gräben zu überwinden?

Diese Frage müssen Sie Andreas Babler stellen.

WKO-Präsident über Koalitionsverhandlungen: "Wir lassen uns überraschen"

Wolfgang Katzian (r./ÖGB), Renate Anderl (2.v.l./Arbeiterkammer), Josef Moosbrugger (l./Landwirtschaftskammer) und Harald Mahrer (2.v.r/Wirtschaftskammer) im Jänner 2025

Wir stellen sie aber dem Wirtschaftskammerpräsidenten.

Wir hätten gewollt. 

Zurück zu den jetzigen Verhandlungen. 2017 war von der Senkung der Körperschaftssteuer die Rede: Ist diese weiter Thema?

Es gibt Möglichkeiten für internationale Betriebe, die KÖSt eine Zeit lang zu senken. Das wäre ein enormer Investitionsanreiz und würde der Republik keinen einzigen Euro kosten.

Wird das oder eine weitere Senkung der KÖSt verhandelt?

Ich kann den Gesprächen nicht vorgreifen. Ich kann nur sagen, dass es um ein Comeback von Leistung und Wohlstand gehen muss. Denn nur das sichert Arbeitsplätze. Um das zu schaffen, müssen wir vieles unter Anreiz stellen, damit es sich lohnt, arbeiten zu gehen.

Dem Arbeiten im Alter gegenüber stehen viele Mittfünfziger, die gekündigt werden und keine Arbeit mehr finden. In welchen Branchen kann und soll überhaupt länger gearbeitet werden?

Da wird von bestimmten Gruppen gerade eine PR-Kampagne gefahren, die Angst erzeugen soll. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben trotz einer schwierigen Wirtschaftssituation jede Menge offene Stellen, können eine Vielzahl gar nicht besetzen. Eine Viertelmillion Menschen mehr geht in den kommenden 15 Jahren in Pension als Junge in den Arbeitsmarkt nachkommen. 

FPÖ und ÖVP wollen die Lohnstückkosten senken. Wie?

Wir hätten die Senkung auch in der „Zuckerl“-Variante gerne verhandelt, weil es auch seitens der Arbeitnehmervertreter positive Signale in diese Richtung gab. Wir sind der Meinung, dass wir 2026 konkrete erste Maßnahmen setzen können und dann einen Pfad skizzieren. Wichtig ist, dass es kraftvoll ist und nicht bei Zehntelprozentpunkten endet.

Kraftvoll heißt konkret was?

Kraftvoll ist eine Senkung von zumindest zwei Prozentpunkten in einem ersten Schritt.

Es gibt Stimmen, die sagen, dass Sparpaket, das Brüssel gemeldet wurde, wird Österreichs Wirtschaft bremsen. Widersprechen Sie?

Ich war bei den Verhandlungen dabei und weiß: es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die eher eine neutrale Wirkung haben. Es gibt sogar einige, die den Arbeitsmarkt stimulieren werden. Wenn die Bildungskarenz beispielsweise ausläuft, dann stehen mehr Menschen am Arbeitsmarkt zur Verfügung, die jetzt auch schon gebraucht werden. In der jetzigen Situation geht es auch sehr stark um Psychologie und darum, dass wir international nicht als Schuldenland dastehen. 

Was wäre eine weitere stimulierende Maßnahme?

Eine Super-Abschreibung, wie es die Italiener bereits machen – also die Möglichkeit einer vorgezogenen Abschreibung. Stimulierend für das Arbeiten im Alter ist es auch, die Zuverdienstmöglichkeit zu erleichtern. Es geht uns um eine Art Leistungs-Flattax. Wer das Pensionsalter erreicht hat und weiterarbeiten will, der soll pauschal mit 20 Prozent besteuert werden. Wer also 1.000 Euro dazuverdient, dem bleiben 800. Weitere Sozialversicherungsbeiträge oder eine Nachversteuerung würden somit der Vergangenheit angehören. Das schafft einen echten Anreiz zum Anpacken.

Freedom Party of Austria (FPOe) New Year's meeting

FPÖ-Chef Herbert Kickl hat in seiner Neujahransprache wissen lassen: Er kann sich bei "den Kammern“ etwas vorstellen. Können Sie sich vorstellen, die verpflichtende Kammerumlage zu senken?

Das Schöne ist, dass wir schon 2023 die Beiträge um zehn Prozent gesenkt haben. Und zwar als einzige öffentliche Institution in der Hochinflationsphase. Ich würde mir wünschen, dass alle anderen uns das nachmachen. Generell glaube ich nicht, dass Herbert Kickl ein Freund der Sozialpartnerschaft ist. Wenn er tatsächlich einen Systemumbau Richtung Dritte Republik haben möchte, dann würde sich die Sozialpartnerschaft in den Weg stellen.

Das klingt, als würden Sie Selbiges befürchten?

Ich habe gar keine Befürchtung. Es geht mir um die Definition, was die Freiheitlichen unter Freiheit verstehen. Freiheit ist für mich unteilbar. Wirtschaftliche und persönliche Freiheit geht mit Verantwortung einher. Auch die Freiheit von Kunst und Kultur, von Wissenschaft und Forschung und die Freiheit der Medien sind nicht teilbar, sondern zeichnen dieses Land aus. Und irgendjemand muss auf die Wahrung dieser Freiheit und diese Grenzen achten, damit man in der Nacht gut schlafen kann.

WKO-Präsident über Koalitionsverhandlungen: "Wir lassen uns überraschen"

IV-Präsident Georg Knill, Kanzler Karl Nehammer, WKO-Präsident Harald Mahrer im Sommer 2024

Bei Tag wie bei Nacht: Sie sehen unter einer FPÖ-Kanzlerschaft also die Kunst und Kultur gefährdet, weil Förderungen eingestellt werden?

Ich sage nur, dass mit der Freiheit Verantwortung kommt und dass man in Regierungsverantwortung dies auch zum Wohle aller wahrnehmen muss.

Die FPÖ will die Haushaltsabgabe für den ORF abschaffen, spricht von „Zwangsgebühr“. Zieht die ÖVP mittelfristig mit bei einem aus dem Bundesbudget finanzierten ORF?

Ich sehe das gelassen. Wir werden die Konzepte der Freiheitlichen bewerten, doch noch liegen sie nicht auf dem Tisch.

Es geht nicht um Gelassenheit.

Es geht um Konzepte und die ÖVP hat auch Konzepte, die jetzt verhandelt werden.

Warum ist davon auszugehen, dass die Zweier-Verhandlungen schneller gehen als die mit SPÖ und Neos?

Verhandlungen mit zwei Partnern sind ein wenig leichter. Aber es kann noch immer kritisch werden, weil man entdeckt, dass man in einem Bereich weiter auseinanderliegt als gedacht. 

Gibt es solche Bereiche in der Wirtschaft?

Wir lassen uns überraschen. 

Wenn die FPÖ für eine höhere Bankenabgabe ist, dann bleibt die ÖVP bei ihrem Nein?

Selbstverständlich. Wir waren bei den vorangegangenen Verhandlungen der Meinung, dass es schädlich für die Volkswirtschaft ist und eine weitere Belastung darstellt – und wir sind es jetzt.

Täuscht der Eindruck, dass die Industrie und deren IV-Vertreter mehr Gefallen an den jetzigen Verhandlungen finden als die WKO und Sie?

IV und WKO sind beide wichtige Interessenvertretungen und die Industrie ist Teil der Wirtschaft, in der wie überall unterschiedliche Meinungen vertreten werden. 

Haben Sie einen Plan A, B oder C, wenn die Verhandlungen scheitern?

Wir sind zwei potenzielle Partner, die wieder Vertrauen zueinander finden müssen. Auf beiden Seiten. Das ist kein einfaches Unterfangen, daher ist das Ergebnis offen. 

Was trägt die ÖVP zur Vertrauensbildung bei? In Firmen würde man Teambuilding-Maßnahmen setzen. 

Zeit für solche Spaßetteln haben wir nicht. 

Es geht nicht um Spaßetteln, sondern um Stimmungen. Sie selbst haben vorhin von Psychologie gesprochen.

Je faktenorientierter man Dinge außer Streit stellt , einen gemeinsamen Blick auf eine Problematik erzeugt und Lösungswege gemeinschaftlich diskutiert, desto entkrampfter die Stimmung. Das hilft schon.. Ich muss nicht zum Heurigen oder ins Schweizerhaus gehen, um Vertrauen entstehen zu lassen. Das geht auch mit Transparenz und Sachlichkeit.

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