Nach Doskozil-Buch: WKStA prüft Vorwurf gegen Ex-Justizminister Brandstetter
Es ist die nächste Passage im Buch "Hausverstand" von Hans Peter Doskozil, die nicht besonders lang ist, aber hellhörig macht: Auf den Seiten 87 und 88 schildert der burgenländische Landeshauptmann, wie ihm Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter in der Causa Wohnbaugenossenschaften 2019 ein "eigentlich unverschämtes Angebot" gemacht haben soll.
Was es damit auf sich hat, prüft jetzt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Nach KURIER-Anfrage heißt es, es werde ein Anfangsverdacht geprüft.
"Morgengabe"
In seinem Buch schildert Doskozil, dass es zwei Wochen vor seiner ersten Angelobung als Landeshauptmann (Februar 2019), "in einem Landgasthaus in Niederösterreich" zu einem Gespräch mit Ex-Justizminister Brandstetter gekommen sei.
Das Land Burgenland hatte gerade erst Betrugsanzeige u.a. gegen den Investor Michael Tojner eingebracht (mehr dazu unten). Doskozil war zum damaligen Zeitpunkt Finanzlandesrat und Brandstetter als Berater für Tojner tätig (und als Richter am Verfassungsgerichtshof).
Bei besagtem Gespräch soll Brandstetter, wie Doskozil in seinem Buch schreibt, "sinngemäß" formuliert haben:
"Wir wollen doch nicht streiten. Tojner gibt dem Land Burgenland vier Millionen Euro als Abgeltung und 'Morgengabe' zu deinem Amtsbeginn, das ist doch schon am Beginn ein schöner Erfolg, und das Verfahren wird nicht bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, sondern in Eisenstadt abgehandelt."
2015 hat das Land Burgenland den Wohnbauträgern Gesfö und Riedenhof die Gemeinnützigkeit aberkannt und will dabei "bewusst getäuscht" worden sein - und zwar von Strohmännern, die der Investor Michael Tojner eingesetzt haben soll.
Der Wert der Immobilien sei bewusst niedrig angesetzt worden, um die Abschlagszahlung, die bei der Umwandlung fällig wird, niedrig zu halten.
Das Land ging bei Gesfö und Riedenhof zunächst von einem Schaden von 40 Millionen Euro aus und brachte im Jänner 2019 eine Sachverhaltsdarstellung ein. Im Februar 2019 bestätigte die WKStA dann, dass sie die Ermittlungen übernommen hat.
Im März 2019 kamen dann Verdachtsmomente bei einer dritten Wohnbaugesellschaft hinzu. So soll das Land auch bei der Umwandlung des Trägers Pannonia geschädigt worden sein - und zwar um 55 Millionen Euro. Die WKStA weitete ihre Ermittlungen aus. Im Juni 2019 und im Februar 2021 kam es zu Hausdurchsuchungen bei Tojner.
Vor zwei Jahren, im August 2022, wurde Vorwurf der Untreue betreffend Pannonia eingestellt, wegen Betrugs und Bilanzdelikten laufen die Ermittlungen aber weiter.
Bei Gesfö und Riedenhof wird weiterhin wegen Untreue, Betrugs und Bilanzfälschung ermittelt.
Der Hintergrund: Brandstetter soll, wie kolportiert wird, schon länger versucht haben, die Schadenssumme zu drücken. Angeblich, weil er nicht wollte, dass die WKStA, die ja auf Korruptionsdelikte spezialisiert ist, den Fall übernimmt.
Die WKStA ist ab einer Schadenssumme von fünf Millionen Euro zuständig. Darunter ist es die örtliche Staatsanwaltschaft, in diesem Fall Eisenstadt.
"Werden keine Ruhe geben"
Die Ermittlungen wurden dann tatsächlich von der WKStA übernommen - und sie ermittelt bis heute. Die Causa hat sich in den vergangenen fünf Jahren ausgeweitet. In der Sachverhaltsdarstellung 2019 wurde der Schaden vom Land Burgenland mit 40 Millionen Euro beziffert, mittlerweile ist von bis zu 180 Millionen Euro die Rede.
Johannes Zink, Verteidiger des Landes Burgenland, sagt zum KURIER: "Die bisherigen Ermittlungen bestätigen unser Vorgehen und wir werden keine Ruhe geben, bis der österreichische Steuerzahler von den potenziellen Schädigern einen angemessenen Betrag zurückerhalten hat."
Teddybär oder Wolf?
Die Schilderung im Doskozil-Buch könnte in Richtung einer Bestechung gehen. Ein Delikt, das bereits beim Anbieten erfüllt ist - unabhängig davon, ob der Amtsträger es annimmt.
Einen Beigeschmack hat auch der Satz, der danach gefallen sein soll: "Und übrigens weißt du schon, dass du als Landeshauptmann keine Immunität besitzt, es kann das eine das andere ergeben, eine Anzeige folgt der anderen und wer weiß, was dabei herauskommt."
Fraglich ist, ob die Worte Brandstetters - sofern sie so gefallen sind - wirklich konkret genug waren. Doskozil schildert, dass er "sanftmütig und freundschaftlich, als ob die allmächtige Güte in Person des Wolfgang Brandstetter erschienen wäre" formuliert habe.
Zum Auftreten des Ex-Justizministers erklärt er, dass ihm viele, die ihn nicht näher kannten, "das Image eines Teddybären" attestieren würden. Er, Doskozil, würde ihn aber "zumindest als Wolf im Schafspelz" beschreiben.
Doskozil und Brandstetter kennen einander noch aus der rot-schwarzen Regierung von Werner Faymann und später von Christian Kern. Brandstetter war von 2013 bis 2017 Justizminister (auf ÖVP-Ticket), Doskozil von Jänner 2016 und Dezember 2017 SPÖ-Verteidigungsminister. In der Zeit hätten sie "eigentlich ein sehr gutes Verhältnis" gehabt, schreibt Doskozil in seinem Buch.
Brandstetter weist Vorwürfe zurück
Bei der WKStA will man sich die Sache jedenfalls anschauen. Dort heißt es: "Nach Hinweis auf die Stellen in der Publikation wurde amtswegig eine Prüfung des Anfangsverdachts eingeleitet."
Brandstetter erklärt auf KURIER-Anfrage schriftlich Folgendes zu den Geschehnissen: Doskozil habe damals „auf höchst fraglicher rechtlicher Grundlage“ behauptet, dass Tojner das Land um einen hohen Millionenbetrag geschädigt habe. Dabei sei bis heute offen, ob es überhaupt einen Schaden gab.
„Es gab im Auftrag von Tojner, der langwierige Verfahren vermeiden wollte, Verhandlungen über eine unpräjudizielle Leistung (eine Zahlung ohne Schuldeingeständnis oder Bindung an die Rechtslage, Anm.) von Tojner an das Land Burgenland, was Doskozil auch wollte.“ Mehrere Gesprächsrunden unter Anwälten hätten sich für ihn, Brandstetter, als sinnlos herausgestellt, es sei dann eine zweite Anzeige erstattet worden.
Die nun im Buch erhobenen Vorwürfe seien „absurd“, der Ex-Justizminister weist sie „aufs Schärfste zurück“.
Nachsatz: „Ich schreibe schon seit Längerem auch an einem Erinnerungsbuch, in dem Doskozil vorkommt. Wird interessant!“
+++ Hinweis: Der Artikel wurde um 17.30 Uhr nach der schriftlichen Stellungnahme Brandstetters ergänzt. +++
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