Grüne: "ÖVP wirft mit Kieselsteinen zurück"
In der türkis-grünen Regierung brodelt es weiter. Diskussionen lieferten sich die beiden Koalitionspartner am Montag sowohl um eine Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan als auch um die Causa Chorherr.
Oberösterreichs Grünen-Chef Stefan Kaineder ließ mit ziemlich scharfer Kritik an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) aufhorchen. Dessen Afghanistan-Aussagen seien "eigentlich ein Schaden für die Republik Österreich", sagte er zu Puls24.
Kurz' Weigerung, afghanische Flüchtlinge aufzunehmen, seien nämlich "ein Stück unseriös", führte der Spitzenkandidat für die Landtagswahl in der Puls24-Sendung "Milborn" Montagabend aus. Österreich nehme Asylanträge entgegen, dazu sei man auch verpflichtet "und das werden wir auch weiterhin tun". Innenminister Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg hielt Kaineder vor, ihre "Art von Diskussionsverkürzung" führe dazu, "dass wir international an Ansehen verlieren". Er empfahl der ÖVP, sich auf ihr christlich-soziales Wertefundament zurückzubesinnen.
Kurz hatte am Wochenende eine Aufnahme von Flüchtlingen erneut abgelehnt und stattdessen dafür plädiert, den Menschen in den Nachbarstaaten Afghanistans zu helfen. Österreich beherberge bereits eine der größten afghanischen Communities Europas. Er sei deshalb "nicht der Meinung, dass wir in Österreich mehr Menschen aufnehmen sollten". "Das wird es unter meiner Kanzlerschaft nicht geben", hatte der Bundeskanzler mit Verweis auf die "besonders schwierige Integration" von afghanischen Asylsuchenden hierzulande betont.
"ÖVP pflegt Hardliner-Image"
"Die Kanzlerpartei ÖVP pflegt aus strategischen Gründen ihr Hardliner-Image, dem die Grünen angesichts der dramatischen Lage nichts abgewinnen können", hatte Kaineder gegenüber der APA schon Montagvormittag festgestellt. Tirols Grünen-Klubobmann Gebi Mair warf Kurz vor, "völlig inhumane Botschaften zu verbreiten, die aber mit der Realität des Rechtsstaates nichts zu tun haben".
Die Bundes-Grünen plädierten in einem der APA übermittelten Schreiben für eine "europaweite Initiative zur humanitären Aufnahme von Schutzsuchenden" - für die auch Österreich "Ressourcen und Expertise zur Verfügung stellen" müsse. "Bereits laufende Familienzusammenführungen" seien abzuschließen, stellten sie fest. Und: "Österreichs Anstrengungen im Rahmen der EU müssen sich auf die Hilfe in Afghanistan, für eine Versorgung der Geflüchteten in den Nachbarstaaten und die sofortige Evakuierung all jener, die um ihr Leben fürchten müssen, konzentrieren." Europa trage "klar Verantwortung, die akut von Taliban-Gruppen gefährdeten Menschen wie Frauen, Kinder und Menschenrechtsaktivist*innen unbürokratisch Zuflucht zu gewähren".
Die Grünen bekräftigten auch, Abschiebungen nach Afghanistan "kann und wird es nicht geben". Es sei sinnvoller, jetzt sofort das europarechtlich Mögliche zu tun "als auf nationaler Ebene wiederholt rechtlich unmögliches zu diskutieren. Wer die Menschenrechtskonvention in Frage stellt, stellt die Grundfesten unseres Europas in Frage", richten sie ihrem Koalitionspartner aus.
ÖVP wirft mit Kieselsteinen zurück
Den Parteiaustritt der früheren Wiener Parteichefin Birgit Hebein, die diesen Schritt mit der Flüchtlingspolitik begründet hatte, wollte die grüne Bundespartei am Montag nicht kommentieren.
Als weiteres Konfliktfeld tat sich die Causa Chorherr auf. Nach einem Bericht des Nachrichtenmaganzins "profil" sollen Mails von Immo-Investor Michael Tojner auf einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Widmung des Heumarkt-Projekts im Wiener Gemeinderat und einer 5.000-Euro-Spende an den Schulprojekts-Verein des ehemaligen Wiener Planungssprechers der Grünen, Christoph Chorherr, hindeuten. Daraufhin warf am Sonntag der türkise U-Ausschuss-Fraktionschef Andreas Hanger den Grünen eine möglicherweise gekaufte Politik während ihrer Regierungsbeteiligung in Wien vor. Das wiederum wertete Kaineder am Montag als leicht durchschaubares Ablenkungsmanöver. "Die Grünen haben im U-Ausschuss einen ganzen Berg an schwarz-blauen Fragwürdigkeiten abgetragen und die ÖVP wirft jetzt mit Kieselsteinen zurück", so Kaineder gegenüber der APA.
Nochmals zurück zur Flüchtlingspolitik: Der oberösterreichische FPÖ-Landesparteichef Manfred Haimbuchner forderte am Montag, Flüchtlinge direkt an der Grenze abzuweisen. Und zur "Wahrung der nationalen Sicherheit" sowie der "Ruhe und Ordnung" will er straffällige Migranten, die nicht abgeschoben werden können, in Anhalte-Zentren festsetzen.
Ganz anders der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), der an die Bundesregierung appellierte, zumindest einigen besonders gefährdeten Menschen aus Afghanistan in Österreich Schutz und Zuflucht zu gewähren. Hilfe vor Ort in der Region und die legale sowie über das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR geregelte Aufnahme von Menschen in Österreich dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es brauche beides, heißt es in einer Erklärung des ÖRKÖ-Vorstands.
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