In den 1970er-Jahren konnten Wintersportler den Koppenkarstein übers Eis überqueren. In den 1980ern musste ein Tunnel durch den Felsen gesprengt werden, später wurde noch eine Leiter gebaut.
Mittlerweile braucht man eine Leiter, um auf die Leiter zum Tunneleingang und durch den Tunnel auf die andere Seite zu gelangen.
Das Eis am Hallstätter Gletscher im Dachsteinmassiv ist in den vergangenen 18 Jahren um ein Drittel zurückgegangen – das zeigt der Pfad am Koppenkarstein eindrücklich. Wo früher Eis war, ist jetzt nackter Fels. Vor 18 Jahren startete ein Forschungsprojekt am Dachstein, um die Schmelze zu dokumentieren (mehr dazu hier).
Die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler musste am Mittwoch auf keine Leiter kraxeln und auch keinen Tunnel durchqueren, um sich ein Bild der Lage zu machen.
Es reicht, dass sie mit Oberösterreichs Klima-Landesrat Stefan Kaineder durch den Eismatsch stapft. „Der Klimawandel ist da“, sagt sie. „Hier am Gletscher ist er noch einmal ganz anders zu spüren.“
Bei der Tour mit Journalisten spürt man außerdem den grünen Wahlkampf – bzw. zwei Varianten davon.
Gewessler bezeichnet die Gletscherschmelze als „Warnsignal“ und als „Auftrag“, dass alles getan werden müsse, um Naturjuwele wie die Gletscher zu schützen.
Kaineder sagt das auch, zieht aber gleichzeitig das Forschungsprojekt als Beispiel dafür heran, dass eine „breite Allianz“ aus Klimaschutz, Energiewirtschaft, Forschung und Tourismuswirtschaft möglich sei.
Das vom Land Oberösterreich und Energie AG kofinanzierte Projekt wird von Ars Electronica Solutions pädagogisch begleitet, und auch die Planai Bahnen sind daran interessiert, die Berglandschaft, die jedes Jahr Hunderttausende Gäste anzieht, zu erhalten.
Kaineders Wortschöpfung für das gemeinsame Ziel: eine „klimaneutrale Wohlstandsgesellschaft“.
Es sind politische Zugänge wie diese, die dazu führen, dass nicht wenige den Landesrat lieber in Wien – und Gewessler stattdessen weit weg am Gletscher – sehen würden.
Bei der Frage, wer Parteichef Werner Kogler irgendwann beerben könnte, wird er immer wieder genannt. Auch, weil der 39-jährige Theologe für die ÖVP verträglich wäre.
Gewessler gilt für den anderen Flügel der Grünen als logische Nachfolgerin. Nicht zuletzt, weil sie bei der EU-Renaturierungsverordnung Willens- und Durchsetzungskraft bewiesen hat.
Was eine weitere Regierungsbeteiligung betrifft, steht sie seither aber (Anm.: Verzeihen Sie an dieser Stelle den zweiten Gletscher-Witz) auf dünnem Eis. Die ÖVP schließt sie als Ministerin aus und bezeichnet sie gar als „Staatsgefährderin“.
Am Dienstag verspottete sie ÖVP-General Christian Stocker als „Leonore im Wunderland“, weil sie die Abschaffung des Dieselprivilegs in den Raum stellte.
Die Klimaministerin lächelt derlei Beleidigungen – in rund 3.000 Metern Höhe und 300 Kilometern Entfernung von Wien – weg.
„Allen“ sei bewusst, dass das Streichen von klimaschädlichen Subventionen dazugehöre, wenn man die CO2-Emissionen (wie im soeben beschlossenen Nationalen Klimaplan vorgesehen) um zwei Millionen Tonnen reduzieren will, sagt sie. „Wir werden die Maßnahmen zielgerichtet miteinander abarbeiten.“
Woher sie den Optimismus nimmt? Unklar. Der Weg, so viel ist klar, wird ein steiler.
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