Gewessler beim Bundeskongress: "Ich meine es verdammt ernst"
Ihre türkisen Regierungskollegen schneiden sie, ÖVP-Landesräte boykottieren ein lang geplantes Treffen und die ÖVP zeigt sie wegen Amtsmissbrauchs an.
Aber in der Expedithalle der Alten Ankerfabrik in Wien, da wird die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler am Samstag gefeiert wie eine Heldin.
Mit ihrem Ja zum EU-Renaturierungsgesetz habe sie „grüne Geschichte“ geschrieben, sagt die Wiener Landesparteivorsitzende Judith Pühringer bei der Eröffnung des Bundeskongresses am Samstag.
Standing Ovations gibt es für Gewessler; Spott für ÖVP-Männer, deren „Befindlichkeiten“ und „verletzten Gefühle“.
Spitzenkandidatur
Die Gefeierte selbst gibt sich bei ihrer Rede weiter kämpferisch. Die Abstimmung im EU-Umweltrat sei einer dieser „entscheidenden Momente“ gewesen, wo es sich auszahle, wenn Grüne mitreden, sagt Gewessler. „In diesen Momenten sieht man, wer es ernst meint mit den grünen Wiesen und den fruchtbaren Äckern.“ Nachsatz: „Und ich meine es verdammt ernst.“
Gewessler hat sich um Platz 2 auf der Liste für die Nationalratswahl beworben – und bekommt dafür 98,1 Prozent der rund 260 Delegiertenstimmen. Werner Kogler bekommt für seine Bewerbung als Spitzenkandidat nur 94,5 Prozent (2019 waren es noch 98,6 Prozent). Wenn das ein Signal ist, dass manche lieber Gewessler an der Spitze gesehen hätten, wie es zeitweise hieß, dann nur ein sehr schwaches.
Übertroffen wird das Ergebnis Gewesslers von Justizministerin Alma Zadić, die mit 98,5 Prozent auf Platz 3 kandidieren wird.
Abrechnung
So ein Wahl-Buko, könnte man sagen, ist immer auch ein wenig „Tag der Abrechnung“. Dass Olga Voglauer, Bundesgeschäftsführerin und Wahlkampf-Chefin nur 73,5 Prozent erhält, dürfte kein Zufall sein. Ihr wird dem Vernehmen nach die Verantwortung für die missglückte Krisenkommunikation rund um die Vorwürfe gegen Lena Schilling im EU-Wahlkampf gegeben.
Ihr und Sigrid Maurer, die als „Erfinderin“ der Spitzenkandidatur Schillings gilt, und die ihr während des größten Wirbels die Mauer gemacht hat.
Nur 81,9 Prozent Zustimmung bekommt Maurer von den anwesenden Delegierten. Sie ist es gewohnt. Wer den Klub durch mehr als nur eine türkis-grüne Krise geführt und die Koalition (gemeinsam mit August Wöginger von der ÖVP) zusammengehalten hat, macht sich eben nicht nur Freunde.
Quereinsteiger
Die ersten fünf Plätze auf der Bundesliste belegen die bewährten Kräfte in Regierung und Partei: Kogler, Gewessler, Zadić, Maurer und Voglauer. Die Grünen gehen bei der Nationalratswahl auf Nummer sicher. Nicht nur, weil es in der nächsten Legislaturperiode weniger Plätze im Klub geben dürfte. Vom Wahlergebnis 2019 von 13,9 Prozent sind die Grünen in Umfragen derzeit weit weg.
Experimente mit Quereinsteigern in der Auslage lässt man diesmal aus. Obwohl diese in der Vergangenheit ja durchaus geglückt sind: Gewessler kam vor der Wahl 2019 von Global 2000 dazu. Zadić wechselte damals von der Liste Jetzt zu den Grünen. Und Schilling, nun, die wird sich nun im EU-Parlament beweisen müssen, heißt es unter den Delegierten.
Ego
Der Buko dient – wie jeder Parteitag – auch ein wenig der Ego-Streichelung. Die Delegierten wollen motiviert werden, so ein Wahlkampf ist lang und anstrengend.
Gewessler etwa erzählt launig, dass die ÖVP zu Beginn der Koalition gedacht habe, sie könne „den kleinen Grünen zeigen, wie der Hase läuft“. Das sei aber kein Naturgesetz. „Wir haben aus dieser Regierungsbeteiligung richtig viel herausgeholt.“
Zadić erntet Jubel, als sie sagt, dass die Grünen längst nicht mehr der „kleine Koalitionspartner“, sondern mit der ÖVP auf Augenhöhe seien.
Kogler holt weit aus, als er die grünen Errungenschaften aus dieser Legislaturperiode aufzählt. Sein „Programm-Rap“ – eine Vorschau auf das Wahlprogramm – fällt dagegen eher dünn aus.
Klimaschutz, logisch. Eine unabhängige Justiz, klar. Eine „Brandmauer gegen rechtsextrem“, okay. Auch die Forderungen nach einer Millionärssteuer und nach Maßnahmen für ein Ende der Abhängigkeit vom „russischen Blut-Gas“ dürfen nicht fehlen – Letzteres wünscht sich Kogler aber noch in dieser Legislaturperiode.
Dass die Grünen in der nächsten, wie es derzeit aussieht, in Opposition sein könnten, daran will beim Bundeskongress am Samstag niemand denken. Der Triumph beim EU-Renaturierungsgesetz ist noch viel zu köstlich.
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