Gewerkschafter zu Justiz-Plänen: "Dann lassen wir’s lieber"

Die Regierung hat sich vor einigen Wochen auf die Eckpunkte einer neuen Bundesstaatsanwaltschaft geeinigt. Dass diese auf rein politischer Ebene ausverhandelt wurden, rächt sich nun.
Justiz-Größen wie der Präsident des Obersten Gerichtshofes (OGH) Georg Kodek, Weisungsratschefin Margit Wachberger tun ihre Kritik nun eben öffentlich in Interviews kund anstatt am Verhandlungstisch. Und auch die Gewerkschaft ist unglücklich. Sehr sogar.
Zwar begrüßt Martin Ulrich, Vorsitzender der Bundesvertretung der Richter und Staatsanwälte bei der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), den Umstand, dass die Regierung das Projekt anpackt. Seit mehr als 20 Jahren wird eine unabhängige Weisungsspitze (derzeit ist die Justizministerin oberste Entscheiderin in wichtigen Strafverfahren) gefordert. Jetzt besteht die realistische Chance, dass sie kommt.
„Aber nicht um jeden Preis“, betont Ulrich. „Wenn das neue System schlechter wird als das jetzige, dann lassen wir’s lieber.“
Bundesstaatsanwälte im Sideletter?
Die Gefahr einer Verschlimmbesserung sieht Ulrich etwa im Bestellungsmodus: Jene Köpfe, die künftig als Dreierkollegium entscheiden sollen, sollen laut Plan vom Parlament gewählt werden. „Statt einer Politikerin haben wir künftig also drei von der Politik gewählte Personen an der Spitze der Weisungskette“, kritisiert der Standesvertreter.
Dem Ziel, jeglichen Anschein einer politischen Einflussnahme auf Strafverfahren zu beseitigen, laufe das zuwider. „Es wäre fatal, wenn die Besetzung der Bundesstaatsanwälte dann auch noch im Sideletter einer Regierung auftaucht.“
Dem Argument, dass nur die Wahl durchs Parlament eine „demokratische Legitimation“ bringen könne, kann Ulrich nichts abgewinnen. Auch ein Bundeskanzler oder Minister wird nicht vom Volk gewählt. Demokratisch legitimiert werden sie durch die Ernennung durch den Bundespräsidenten.
Ulrich schlägt vor, sich an der Bestellung des OGH-Präsidenten zu orientieren: Eine Kommission macht einen Vorschlag und reiht die geeigneten Kandidaten, die Regierung wählt aus, der Bundespräsident ernennt.
"Unter Verschluss"
Kritisch sieht er auch die geplante Transparenz beim Abstimmungsverhalten der Bundesstaatsanwälte. Zwar soll dieses „nur intern“ festgehalten werden. Doch wer schon einmal einen U-Ausschuss verfolgt hat, weiß: „Unter Verschluss“ ist ein recht dehnbarer Begriff. Wenn Politiker erfahren, wie welches Mitglied abgestimmt hat, könnte dieses unter Druck gesetzt werden.
Zudem schwäche es insgesamt die Entscheidung, sagt Ulrich. Aus gutem Grund gebe es in Richtersenaten ein Beratungsgeheimnis. Als der OGH im März Karl-Heinz Grassers Schuldspruch in der Buwog-Causa bestätigt hat, wurde auch nicht transparent darüber diskutiert, ob einer der fünf Richter den Ex-Finanzminister lieber freigesprochen hätte.
Die jetzige Generalprokuratur soll in die neue Bundesstaatsanwaltschaft implementiert werden, das Dreiergremium steht dann an der Spitze beider Institutionen. Das kritisiert nach Kodek und Wachberger auch Ulrich, der selbst bei der Generalprokuratur beschäftigt ist.
Nicht nur könnte es zu Interessenskonflikten kommen (die Generalprokuratur berät den OGH, wenn es bei Strafprozessen zu Fehlern in der Gesetzesanwendung gekommen sein soll). Es sei auch organisatorisch ein Unding, wenn der Vorsitz des Dreierkollegiums alle zwei Jahre wechselt.
"Breiter Diskurs"
An der Struktur wird aber nicht mehr gerüttelt, hört man aus dem Justizministerium von Anna Sporrer (SPÖ). Über dem Dreiergremium soll es keine höhere Autorität geben – und sei es nur bei der Frage, welche Kugelschreiber bestellt werden, um ein banales Beispiel zu nennen.
Auch die Transparenzregelung und die parlamentarische Bestellung stehen dem Vernehmen nach fest. Offen ist noch die Frage, wer für das Amt des Bundesstaatsanwalts infrage kommt. Sporrer will ausschließlich fachlich qualifizierte Richter und Staatsanwälte; und keine Anwälte und Professoren, wie die ÖVP fordert.
Die Ministerin will einen „breiten Diskurs“ führen, bevor sie ihr Gesetzespaket festschnürt. Klingt, als könnten Praktiker doch noch auf eine Einladung an den Verhandlungstisch hoffen.
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