Seit mehr als 20 Jahren wird sie gefordert – jetzt könnte sie tatsächlich kommen: eine Bundes- bzw. Generalstaatsanwaltschaft. Das bestätigen inoffizielle Stimmen aus ÖVP, SPÖ und Neos gegenüber dem KURIER.
Details waren vorerst nicht zu erfahren. Nur so viel: Die ÖVP dürfte von ihrem Standpunkt, dass an der Spitze dieser neuen Institution eine Einzelperson stehen soll, abgerückt sein.
Darauf hatte ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler in der Koalition mit den Grünen jahrelang beharrt. Aber Edtstadler ist im Februar nach Salzburg gewechselt. Und so dürften die Verhandler von SPÖ und Neos es geschafft haben, die ÖVP doch noch von der Variante eines Kollegialorgans zu überzeugen.
Politischer Einfluss
Derzeit hat die Justizministerin in „clamorosen“ (sprich: öffentlich relevanten) Strafverfahren das letzte Wort. Es entscheidet also eine Politikerin per Weisung, ob eine Staatsanwaltschaft anklagen, einstellen oder weiterermitteln muss. Diese Macht soll auf eine neue, unabhängige Behörde übergehen.
Dadurch wird auch die aktuelle Diskussion über die Besetzung des Justizministeriums entschärft. ÖVP und FPÖ hatten noch geplant, einen Parteifreien zum Minister zu machen, da aktuell zu viele politisch brisante Strafverfahren laufen. In der neuen Dreierkonstellation soll nun die SPÖ die Justiz bekommen (der KURIER berichtete).
Ganz entscheidend ist die Frage, wie die Bundesstaatsanwaltschaft besetzt wird. Das Ziel sollte ja sein, politischen Einfluss von Strafverfahren möglichst fernzuhalten.
In früheren Statements sprachen sich ÖVP, SPÖ und Neos für ein Hearing und mit anschließender Nominierung per Zweidrittelmehrheit im Parlament aus. Anders die Grünen: Sie wollten, dass ein „Rat der Gerichtsbarkeit“ auswählt.
Für Martin Kreutner, der als Vorsitzender einer Kommission im Vorjahr Vorgänge in der Justiz untersucht hat, wäre „realpolitisch“ denkbar, dass eine Personalkommission erst Vorschläge macht und das Parlament dann aus dieser Liste auswählt.
Für zentral erachtet Kreutner, dass die Kandidaten „ausschließlich justiziell befugte Organe“ sind – also Richter und Staatsanwälte. Und er schlägt noch einen Modus vor für den Fall, dass sich die künftigen Koalitionäre nicht einig werden: Nach Ablauf einer Frist soll der Bundespräsident entscheiden, wen er bestellt.
Die Einigung auf eine Bundesstaatsanwaltschaft sieht Kreutner als „großen Schritt in die richtige Richtung“; die Umsetzung (da bleibt noch eine Rest-Skepsis) wäre ein „Meilenstein für Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung“.
Seine Überlegungen gehen sehr ins Detail – was daran liegt, dass die Bundesstaatsanwaltschaft eine Kernforderung der Kommission war. Und es gäbe noch einige andere, sehr konkrete Empfehlungen.
"Emotionelle Brandmauer"
Was wurde eigentlich aus dem Bericht, nachdem er im Juli 2024 veröffentlicht wurde? Kreutner hätte gerne inhaltlich weiterdiskutiert, wie er sagt. Nach einzelnen kritischen Aussagen seinerseits („Zwei-Klassen-Justiz“) hätten sich die Akteure aber „hinter einer emotionellen Brandmauer jeder inhaltlichen Debatte entzogen“. Übrigens wurde in dem Kommissionsbericht auch „mangelnde Bereitschaft der Selbstreflexion und Fehlerkultur“ in der Justiz angeführt.
Wobei Kreutner eine Lanze für die amtierende Ministerin Alma Zadić bricht: Dass es überhaupt zu einer Aufarbeitung von Missständen innerhalb der Justiz kommt, wäre in früheren Legislaturperioden wohl undenkbar gewesen.
Fragen zu Pilnacek
Die Kommission wurde nach dem Tod von Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek eingerichtet und untersuchte u. a. dessen Amtszeit. Aber auch Vorkommnisse rund um Pilnaceks Tod im Oktober 2023 beschäftigten die Kommission.
Darüber hat Ex-Politiker Peter Pilz kürzlich ein Buch geschrieben. Er zweifelt die Suizid-Theorie an und vermutet hinter dem Verhalten der Polizei eine große Vertuschungsaktion. Die WKStA führt aktuell auch Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs.
Was Kreutner von alledem hält? „Ja, es haben sich etliche Fragezeichen ergeben, für die wir als Kommission und ich als Staatsbürger gerne Antworten hätten.“
Und weiter: „Durch diese Unstimmigkeiten wurde Raum geschaffen für Zweifel – wahrscheinlich sogar berechtigte –, die zu überzogenen Zweifeln bis hin zu Verschwörungstheorien führen können.“
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