Unabhängiger Bundesstaatsanwalt: Hartes Ringen um letzte Details

Talar eines Staatsanwalts, im Hintergrund eine Stehlampe
Die Regierung hat sich auf Eckpunkte der neuen, unabhängigen Weisungsspitze bei Strafverfahren geeinigt. Ein „wichtiger, richtiger Schritt“, sagt Experte Kreutner. Entscheidende Details sind aber offen.

„Ich werde voraussichtlich die letzte Justizministerin sein, die Weisungen erteilen könnte, und das ist gut so“, sagte Anna Sporrer (SPÖ) am Mittwoch im Foyer vor dem Ministerrat. Die Regierung hat sich auf Eckpunkte einer neuen Bundesstaatsanwaltschaft geeinigt. Anti-Korruptionsexperte Martin Kreutner, der im Beirat der früheren Justizministerin Alma Zadić (Grüne) an dem Projekt mitgearbeitet hat, freut sich über den „großen, wichtigen und richtigen Schritt“.

Feierlaune bricht aber noch nicht aus: Viele Details sind offen, weil sich ÖVP, SPÖ und Neos trotz intensiver Verhandlungen bis 2 Uhr in der Nacht nicht einigen konnten. Ein Gesetzesentwurf ist noch nicht in Sicht – über den Sommer soll weiter daran gearbeitet werden, heißt es. 

Was bisher fixiert wurde – und was noch offen ist:

Weisungsspitze 

Die neue Behörde soll etwa bei „clamorosen“ Strafverfahren – also solchen, an denen ein öffentliches Interesse besteht – an der Spitze der Weisungskette stehen. Derzeit entscheidet die Justizministerin, ob ein Vorhaben der Staatsanwaltschaft (Anklage, Einstellung oder bestimmte Ermittlungsschritte) genehmigt wird.

Entscheidungen 

Getroffen werden sollen diese Entscheidungen von einem „grundsätzlich gleichberechtigten Dreierkollegium“, wie es im Ministerratsvortrag heißt. Ein Eckpfeiler, der schon im Regierungsprogramm vereinbart wurde, nachdem ÖVP und Grüne zuvor genau daran gescheitert sind. Fixiert wurde auch, dass der Vorsitz alle zwei Jahre wechseln soll.

Transparenz 

In einem Entwurf, der vergangene Woche durchgesickert ist, hieß es, dass die Mitglieder ihr Stimmverhalten offenlegen können – etwa, wenn es zu einer versuchten Einflussnahme gekommen ist. Im aktuellen Papier heißt es nun, dass das Abstimmungsverhalten „ausschließlich intern zu dokumentieren“ sei. Ob das bedeutet, dass die Dokumentation grundsätzlich ein Muss ist, ist unklar. 

Wenn, dann wäre das heikel, sagt Kreutner: Eine solche Dokumentation könnte an einen etwaigen U-Ausschuss geliefert, an die Öffentlichkeit geleakt und parteipolitisch instrumentalisiert werden. „Ein Bundesstaatsanwalt hätte damit immer im Hinterkopf, dass er sich irgendwann in einem U-Ausschuss persönlich für seine konkrete Entscheidung, die in vielen Fällen auch schon gerichtlich genehmigt ist, rechtfertigen muss“, so Kreutner.

Kontrolle 

Die Rede ist von einer „effektiven parlamentarischen Kontrolle durch die Volksvertretung“; die Funktionsfähigkeit der Bundesstaatsanwaltschaft solle dadurch nicht beeinträchtigt werden. Hier liege ein grundsätzliches Missverständnis vor, sagt Kreutner: „Kontrolliert werden Staatsanwaltschaften von den Gerichten. Jeder Beschuldigte, der sich ungerecht behandelt fühlt, kann jederzeit auch gegen einzelne Verfahrensschritte Rechtsmittel einlegen.“ 

Wo und warum sich „Volksvertreter“ bei Einzelstrafsachen einbringen sollen, erschließt sich nicht.

Auch die Frage, ob ein Bundesstaatsanwalt – so wie ein Minister – im Nationalrat vorgeladen oder mit parlamentarischen Anfragen kontrolliert werden soll, ist vorerst offen. Klargestellt wird nur, dass eine „begleitende (und dadurch beeinflussende) Kontrolle laufender Ermittlungen nicht vorgesehen" sei.

Bestellung 

Eine unabhängige Kommission, die aus „anerkannten Persönlichkeiten“ aus Justiz, Wissenschaft und Praxis besteht, soll Bewerber anhören und einen Vorschlag erstatten, der Nationalrat soll die Mitglieder dann wählen und der Bundespräsident sie nach Vorlage durch die Bundesregierung ernennen. Die Amtszeit soll nur sechs Jahre betragen – was deutlich kürzer ist als frühere Vorschläge mit zwölf bzw. neun Jahren.

Wie wird man einen Bundesstaatsanwalt davor los, wenn er sich Verfehlungen leistet? Im Papier heißt es, sie seien in ihrer Verantwortlichkeit den Mitgliedern der Bundesregierung gleichgestellt. Und die werden nach einem Misstrauensvotum im Nationalrat vom Bundespräsidenten des Amtes enthoben.

Qualifikation 

Wer für das Amt des Bundesstaatsanwalts infrage kommt, ist noch Gegenstand von Verhandlungen. Nach Auffassung der Justizministerin wären es nur ausgebildete Richter oder Staatsanwälte mit langjähriger Erfahrung in dieser Rolle. „Die Person muss ganz genau wissen, wie ein Ermittlungsverfahren abläuft, muss Ermittlungen anleiten können und Erfahrung in der Fachaufsicht haben“, heißt es auf KURIER-Nachfrage.

Von einer „Durchlässigkeit des Amtes“, die in Anwaltskreisen gefordert wird, hält auch Kreutner nichts: „Eine Herzoperation lasse ich ja auch von einem Chirurgen und nicht von einem Psychiater machen.“

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