Unabhängiger Bundesstaatsanwalt: Hartes Ringen um letzte Details

Zwölf Staatsanwälte gibt es im Burgenland.
„Ich werde voraussichtlich die letzte Justizministerin sein, die Weisungen erteilen könnte, und das ist gut so“, sagte Anna Sporrer (SPÖ) am Mittwoch im Foyer vor dem Ministerrat. Die Regierung hat sich auf Eckpunkte einer neuen Bundesstaatsanwaltschaft geeinigt. Anti-Korruptionsexperte Martin Kreutner, der im Beirat der früheren Justizministerin Alma Zadić (Grüne) an dem Projekt mitgearbeitet hat, freut sich über den „großen, wichtigen und richtigen Schritt“.
Feierlaune bricht aber noch nicht aus: Viele Details sind offen, weil sich ÖVP, SPÖ und Neos trotz intensiver Verhandlungen bis 2 Uhr in der Nacht nicht einigen konnten. Ein Gesetzesentwurf ist noch nicht in Sicht – über den Sommer soll weiter daran gearbeitet werden, heißt es.
Was bisher fixiert wurde – und was noch offen ist:
Weisungsspitze
Die neue Behörde soll etwa bei „clamorosen“ Strafverfahren – also solchen, an denen ein öffentliches Interesse besteht – an der Spitze der Weisungskette stehen. Derzeit entscheidet die Justizministerin, ob ein Vorhaben der Staatsanwaltschaft (Anklage, Einstellung oder bestimmte Ermittlungsschritte) genehmigt wird.
Entscheidungen
Getroffen werden sollen diese Entscheidungen von einem „grundsätzlich gleichberechtigten Dreierkollegium“, wie es im Ministerratsvortrag heißt. Ein Eckpfeiler, der schon im Regierungsprogramm vereinbart wurde, nachdem ÖVP und Grüne zuvor genau daran gescheitert sind. Fixiert wurde auch, dass der Vorsitz alle zwei Jahre wechseln soll.
2003
Bei einem Verfassungskonvent im Parlament wird ein erstes Konzept für eine unabhängige Weisungsspitze erarbeitet, die anstelle des Justizministers – einer politischen Persönlichkeit – über Strafverfahren entscheiden soll. Ein Antrag für eine Gesetzesänderung, damals forciert von der SPÖ, versickert aber.
2015
Die Debatte um politische Einflussnahme flammt wieder auf. Der damalige Justizminister Wolfgang Brandstetter (auf ÖVP-Ticket) richtet einen Weisungsrat ein, der ihn bei „clamorosen“ Fällen berät. Wenn ein Minister eine Weisung entgegen dessen Empfehlung erteilt, muss er das vor dem Parlament rechtfertigen.
2021
Die ÖVP, bis dato gegen eine unabhängige Weisungsspitze, schwenkt nach einer Hausdurchsuchung bei ihrem Finanzminister Gernot Blümel um: Mit den Grünen wird vereinbart, das Projekt anzugehen, aber nur, wenn gleichzeitig Beschuldigtenrechte gestärkt werden.
2022
Eine Arbeitsgruppe, eingesetzt von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) legt ein Konzept vor, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ist aber nicht zufrieden: Darin wird ein Dreiergremium vorgeschlagen, sie pocht aber darauf, dass eine Einzelspitze entscheiden soll. Daran und an der Frage, inwieweit das Parlament bei Bestellung der Personen und der Kontrolle eingebunden wird, scheitert das Projekt.
2025
ÖVP, SPÖ und Neos verankern im Arbeitsprogramm die Einrichtung einer Bundesstaatsanwaltschaft als Dreiergremium. Jetzt liegen die Eckpunkte vor.
Transparenz
In einem Entwurf, der vergangene Woche durchgesickert ist, hieß es, dass die Mitglieder ihr Stimmverhalten offenlegen können – etwa, wenn es zu einer versuchten Einflussnahme gekommen ist. Im aktuellen Papier heißt es nun, dass das Abstimmungsverhalten „ausschließlich intern zu dokumentieren“ sei. Ob das bedeutet, dass die Dokumentation grundsätzlich ein Muss ist, ist unklar.
Wenn, dann wäre das heikel, sagt Kreutner: Eine solche Dokumentation könnte an einen etwaigen U-Ausschuss geliefert, an die Öffentlichkeit geleakt und parteipolitisch instrumentalisiert werden. „Ein Bundesstaatsanwalt hätte damit immer im Hinterkopf, dass er sich irgendwann in einem U-Ausschuss persönlich für seine konkrete Entscheidung, die in vielen Fällen auch schon gerichtlich genehmigt ist, rechtfertigen muss“, so Kreutner.
Kontrolle
Die Rede ist von einer „effektiven parlamentarischen Kontrolle durch die Volksvertretung“; die Funktionsfähigkeit der Bundesstaatsanwaltschaft solle dadurch nicht beeinträchtigt werden. Hier liege ein grundsätzliches Missverständnis vor, sagt Kreutner: „Kontrolliert werden Staatsanwaltschaften von den Gerichten. Jeder Beschuldigte, der sich ungerecht behandelt fühlt, kann jederzeit auch gegen einzelne Verfahrensschritte Rechtsmittel einlegen.“
Wo und warum sich „Volksvertreter“ bei Einzelstrafsachen einbringen sollen, erschließt sich nicht.
Auch die Frage, ob ein Bundesstaatsanwalt – so wie ein Minister – im Nationalrat vorgeladen oder mit parlamentarischen Anfragen kontrolliert werden soll, ist vorerst offen. Klargestellt wird nur, dass eine „begleitende (und dadurch beeinflussende) Kontrolle laufender Ermittlungen nicht vorgesehen" sei.
Bestellung
Eine unabhängige Kommission, die aus „anerkannten Persönlichkeiten“ aus Justiz, Wissenschaft und Praxis besteht, soll Bewerber anhören und einen Vorschlag erstatten, der Nationalrat soll die Mitglieder dann wählen und der Bundespräsident sie nach Vorlage durch die Bundesregierung ernennen. Die Amtszeit soll nur sechs Jahre betragen – was deutlich kürzer ist als frühere Vorschläge mit zwölf bzw. neun Jahren.
Wie wird man einen Bundesstaatsanwalt davor los, wenn er sich Verfehlungen leistet? Im Papier heißt es, sie seien in ihrer Verantwortlichkeit den Mitgliedern der Bundesregierung gleichgestellt. Und die werden nach einem Misstrauensvotum im Nationalrat vom Bundespräsidenten des Amtes enthoben.
Qualifikation
Wer für das Amt des Bundesstaatsanwalts infrage kommt, ist noch Gegenstand von Verhandlungen. Nach Auffassung der Justizministerin wären es nur ausgebildete Richter oder Staatsanwälte mit langjähriger Erfahrung in dieser Rolle. „Die Person muss ganz genau wissen, wie ein Ermittlungsverfahren abläuft, muss Ermittlungen anleiten können und Erfahrung in der Fachaufsicht haben“, heißt es auf KURIER-Nachfrage.
Von einer „Durchlässigkeit des Amtes“, die in Anwaltskreisen gefordert wird, hält auch Kreutner nichts: „Eine Herzoperation lasse ich ja auch von einem Chirurgen und nicht von einem Psychiater machen.“
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