Bundesstaatsanwalt: SPÖ-Ministerin vor (fast) vollendeten Tatsachen

Das Projekt Bundesstaatsanwaltschaft droht durch politische Interessen pervertiert zu werden. Diese Befürchtung liegt nahe, wenn man sich die Eckpunkte, die am Mittwoch präsentiert wurden, genauer anschaut und die Genese kennt.
Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) ist in der unglücklichen Lage, bei den Koalitionsverhandlungen nicht dabei gewesen zu sein. Da wurde schon fixiert, dass das Parlament die Mitglieder der neuen Behörde wählt und „laufend kontrolliert“ und dass die Bestelldauer nur sechs Jahre beträgt, obwohl die SPÖ und führende Experten immer das Doppelte für sinnvoll gehalten haben.
Bei zentralen Punkten, die mit der eigentlich gewünschten Unabhängigkeit der Behörde zu tun haben, gibt es nicht mehr viel Spielraum, weil sie politisch längst ausgedealt sind.
Taktischer Rückzug
Neu ausgedealt wurde, dass Staatsanwälte in der Verfassung weiterhin als Teil der Gerichtsbarkeit anerkannt bleiben und es keine parlamentarische Kontrolle bei laufenden Ermittlungen gibt.
Ersteres ist wichtig und freut Kenner der Materie, in der breiten Debatte geht dieser Verhandlungserfolg der SPÖ unter. Zweiteres dürfte ein taktischer Rückzug der ÖVP gewesen sein. Schon Karoline Edtstadler, der früheren ÖVP-Gegenspielerin von Sporrers Amtsvorgängerin Alma Zadić, war bewusst, dass sie mit dieser Forderung niemals durchkommt.
Beschlossen ist noch nichts, in der Koalition wird weiter intensiv verhandelt. Da wäre etwa die Frage nach der Qualifikation der Bundesstaatsanwälte: Sporrer steht auf dem Standpunkt, dass nur Richter und Staatsanwälte mit Erfahrung im Strafrecht infrage kommen.
Die ÖVP aber will es breiter anlegen und auch Anwälte und Uni-Professoren dabeihaben. Im Ministerratsvortrag wurde der Punkt weggelassen, weil sich Sporrer (noch?) nicht durchgesetzt hat.
Ungehört
Stimmen, die ihre Position unterstützen, gäbe es durchaus – nur werden die nicht gehört. Weder die Bereichssprecher der Parlamentsklubs, die sich jahrelang inhaltliche Expertise aufgebaut und das Ohr bei den Praktikern haben, noch die Praktiker selbst wurden in die Verhandlungen eingebunden.
Die Staatsanwältevereinigung etwa hätte erklären können, dass sie weiterhin ein Dreiergremium als Entscheider in Einzelstrafsachen bevorzugt, es aber gescheit wäre, wenn es einen Chef für Organisatorisches und Personal gäbe. Immerhin soll die neue Behörde 40 bis 50 Köpfe zählen, so viel wie ein mittleres Unternehmen. Derzeit ist vorgesehen, dass der Vorsitz des Dreierkollegiums alle zwei Jahre wechselt.
Und dann wäre da noch die ominöse „Transparenz“: Das Abstimmungsverhalten der Mitglieder soll intern protokolliert werden, so der aktuelle Stand. Denkbar ist, dass man bei der derzeit gelebten Praxis des Weisungsrates (auch ein Dreiergremium) bleibt: Zwar wird protokolliert, dass es eine abweichende Meinung gab, zum Strafakt kommt diese Info aber nicht.
Es sind solche Feinheiten, die letztlich den Unterschied machen.
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