Gesetz zur Impfpflicht: Was kommen soll, wo die Hürden sind
Ab 1. Februar 2022 gilt in Österreich die allgemeine Impfpflicht. Darauf haben sich ÖVP, Grüne, SPÖ und Neos geeinigt. Es ist ein Gesetz, das niemand wollte – das jetzt, im Abebben der vierten Welle, aber notwendig erscheint, um eine fünfte zu vermeiden.
Die vier Parteien (ohne FPÖ) eint ein Gedanke, betont Verfassungsministerin Karoline Edtstadler bei der Präsentation am Donnerstag: „Wir wollen die Menschen nicht bestrafen, weil sie ungeimpft sind. Wir wollen sie abholen. Und wir wollen, dass sie sich gemeinsam mit allen anderen solidarisch zeigen.“
Das Gesetz muss verhältnismäßig, wirksam und umsetzbar sein. Bei den ersten beiden Punkten gibt es von Experten grünes Licht. Die Umsetzung aber steht auf wackeligen Beinen.
Der KURIER hat die wichtigsten Punkte mit Experten besprochen:
Die Betroffenen
Die Impfpflicht gilt für alle ab 14 Jahren mit Wohnsitz in Österreich – das sind in Summe 7,7 Millionen Menschen. Die Ungeimpften filtert man heraus, indem man das Melderegister mit dem Impfregister verknüpft.
Der Datenabgleich
Der Abgleich an sich ist zulässig; darauf basierend Strafen zu verhängen, ist aber ein Wagnis. Laut Verwaltungsstrafgesetz braucht es eine „eigene dienstliche Wahrnehmung“. Heißt: Ein Beamter müsste sehen, dass jemand eine Verwaltungsübertretung begeht.
Nun wird in den Erläuterungen zum Impfpflichtgesetz angeführt, warum ein Datenabgleich als Wahrnehmung ausreichen muss. Ob es reicht, wird der Verfassungsgerichtshof beurteilen. Die FPÖ hat bereits Beschwerden angekündigt (mehr dazu hier).
Die Ausnahmen
Unter 14-Jährige und Schwangere (siehe unten) sind ausgenommen – eine doch große Gruppe, bei der weiterhin ein höheres Risiko in Kauf genommen wird, sich anzustecken oder das Virus weiterzugeben. Verfassungsjuristen wie Heinz Mayer finden das problematisch. Möglich, dass auch dieser Punkt beim VfGH landet.
Die Atteste
Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag und verschiedene Fachärzte dürfen Atteste zur Befreiung ausstellen, dafür gibt es einen Leitfaden (Infos unter sozialministerium.at). Nun besteht die Sorge, dass coronaskeptische Ärzte Scheinatteste ausstellen. Ihnen drohen eine Verwaltungsstrafe und auch ein Berufsverbot.
Die Strafe
Vierteljährlich gibt es „Impf-Stichtage“, der erste ist am 15. März. Wer kein gültiges Impf- bzw. Genesungszertifikat und keinen Ausnahmegrund hat, dem droht eine Strafverfügung. In erster Linie wird die Bezirksbehörde wohl zu abgekürzten Verfahren greifen – mit bis zu 600 Euro Strafe. Ordentliche Verfahren sind aufwendiger und können bis zu 3.600 Euro ausmachen.
Neu ist: Es kann keine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt werden, wenn jemand nicht zahlt. Sehr wohl kann aber sein Einkommen exekutiert werden, sagt Medizinrechtler Karl Stöger.
Die Straf-Einnahmen gehen übrigens an die Spitäler.
Der Rechtsweg
Wenn man im abgekürzten Verfahren nicht bezahlt oder Beschwerde einlegt, wird der Fall in einem ordentlichen Verfahren geprüft. In dieser Zeit darf keine neue Strafe verhängt werden, Impfverweigerer verschaffen sich damit Zeit.
Nachdem der Grundsatz gilt, dass man sich am Rechtsweg nicht verschlechtern darf, bleibt es bei den maximal 600 Euro aus dem Schnellverfahren. Beim nächsten Verstoß am nächsten Stichtag könnte dann aber gleich ein ordentliches Verfahren eingeleitet werden – und dann wird es teurer (bis zu 3.600 Euro).
Das „Hinausimpfen“
Nach dem Prinzip der „tätigen Reue“ wird ein Verfahren beendet und die Strafe erlassen, wenn man doch noch impfen geht.
Die Wiederholung
Anlässlich der vierteljährlichen Stichtage kann auch vierteljährlich gestraft werden – das ist verfassungsrechtlich heikel, denn eigentlich darf man für eine Straftat nur einmal bestraft werden, erklärt Experte Mayer. Offenbar wird nun aus dem Zustand des Ungeimpftseins alle drei Monate eine erneute Straftat konstruiert. Auch das könnte angefochten werden.
Der Arbeitsplatz
Dort gilt weiterhin 3-G, Arbeitgeber haben durch die Impfpflicht keine Handhabe. Ob das bis Februar so bleibt? Edtstadler nannte das Beispiel Winterreifenpflicht: Bei einem Unfall gibt es Konsequenzen für den Verstoß.
Die Impfstoffe
Neben den aktuell zugelassenen Impfstoffen kann der Gesundheitsminister per Verordnung weitere Vakzine anerkennen – etwa, wenn neue dazukommen wie die Totimpfstoffe. Sputnik, das Vakzin, mit dem sich viele im Ausland haben impfen lassen, zählt nicht dazu.
Und so geht's jetzt weiter
Das Impfpflichtgesetz wird bis 10. Jänner in Begutachtung geschickt, bis dahin können noch Vorschläge zur Verbesserung deponiert werden. SPÖ und Neos tragen das Gesetz mit – wobei Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger es ihren Abgeordneten aber freistellt, wie sie im Nationalrat abstimmen. Bei der Präsentation stand sie neben Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein.
Für jeden liberal denkenden Menschen sei eine Impfpflicht „eine Zumutung“, sagte Meinl-Reisinger. Sie selbst sei immer dagegen gewesen. Aber: „Ich habe meine Meinung geändert.“
Und das, so betonte Mückstein in Richtung aller Impfskeptiker, „tut nicht weh. Im Gegenteil: Es macht uns stärker.“
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