Gemeindebund-Präsident: Bürgermeister beeinflussen Impfquote
Alfred Riedl (ÖVP) ist seit 2017 Präsident des Österreichischen Gemeindebunds.
KURIER: Beim Transparenzpaket der Regierung geht seit dem Entwurf im Frühjahr nichts weiter. Scheitert es am Widerstand der Bürgermeister?
Alfred Riedl: Nein, sicher nicht! Wir haben überhaupt kein Problem mit Transparenz. In den Gemeinderatssitzungen ist eh schon alles öffentlich, es gibt kein Gemauschel. Die Zuständigen im Bund müssen nur wissen, was sie wollen. Im Versuch, Transparenz und Datenschutz exzessiv abzudecken, widersprechen sie sich.
In Ihrer Stellungnahme zum Entwurf schreiben Sie, es dürfe „keinen Mehraufwand“ geben. Wie soll das gehen?
Wir sind für ein Register (bzw. Datenbank; Anm.) und der Bund muss uns sagen, welche Dokumente und Verträge wir dort eingeben sollen, dann kann jeder Einsicht nehmen. Was wir nicht wollen, ist eine Interpretation. Wenn wir bei jeder Anfrage abwägen müssen, ob wir das herausgeben dürfen, legt uns das die Verwaltung lahm.
Und was ist, wenn das, was ein Bürger wissen will, nicht in diesem Register ist?
Das wird es nicht geben. Wenn klar ist, was öffentlich sein darf, dann pflegen wir das auch ein. Und lesen kann ja hoffentlich jeder selbst.
Fürchten Sie Querulanten?
Das ist eher eine Angst der Ministerien. Wenn da eine Gruppe systematisch Anfragen stellt und die Beamten diese interpretieren müssen, ist der Betrieb lahmgelegt. In den Gemeinden sind solche Anfragen nicht so komplex.
Zu Corona: Wie erklären Sie sich, dass die Impfquote mancherorts extrem niedrig ist – etwa im Innviertel?
Was auffällt: Die lokalen Debatten haben einen Einfluss auf das Impfverhalten. Da, wo die Bürgermeister skeptisch sind, haben wir teilweise nur 30 Prozent.
Und haben Sie mit diesen Bürgermeistern geredet?
Nein, ich mische mich nicht ein. Wir haben eine autonome Selbstverwaltung.
Aber Sie sind als Gemeindebund-Präsident doch der Chef aller Bürgermeister?
Meine Aufgabe ist es, zu verhindern, dass die Ministerien in ihren Elfenbeintürmen glauben, Probleme in Hintertupfing lösen zu können. Ich habe eine klare Empfehlung für die Impfung ausgesprochen, wirke aber nicht auf die lokale Gemeinschaft ein.
Welche Verantwortung tragen die Ortschefs in der Krise?
Sie sind die Manager vor Ort, und sie haben ihre Arbeit gut gemacht. Umfragen zeigen, dass das Vertrauen der Bevölkerung gestiegen ist.
Wie publik wurde, hat Sebastian Kurz 2016 offenbar den Ausbau der Kinderbetreuung in den Gemeinden verhindert. Wie sehen Sie das?
Ich kann nur den Kopf schütteln, wie diese Chats interpretiert wurden. Wir waren damals bei den Verhandlungen im weiteren Sinne dabei. Es ging um eine verschränkte Ganztagsschule, und dagegen war nicht nur die ÖVP, sondern auch viele Eltern. Für eine Betreuung mit allem Drum und Dran würden 1,2 Milliarden nie reichen, das wäre sowieso eine Mogelpackung gewesen. Wir unterstützen einen bedarfsgerechten Ausbau und eine nachhaltige Finanzierung.
Soll Sebastian Kurz als Kanzler zurückkommen?
Der Gemeindebund als überparteiliche Interessensvertretung hat das nicht zu entscheiden. Jedenfalls sollten Verfahren rasch geführt werden.
Würden Sie sich seine Rückkehr wünschen?
Wir als Interessensvertretung wünschen uns nichts. Es gab mit allen Kanzlern – egal, ob der jetzt Faymann, Kern oder Kurz geheißen hat – eine gute Gesprächsbasis. Und wir haben auch jetzt eine funktionierende Regierung. Was weiter passiert, wird die Zeit zeigen.
Hätte Kurz als Beschuldigter in einem Strafverfahren bei Neuwahlen eine Chance als Spitzenkandidat?
Diese Frage haben andere Gremien zu beurteilen – nicht wir. Schauen Sie nach Oberösterreich. Da hatten wir einen Bürgermeister, der in eine recht heftige Debatte verwickelt ist und das Vertrauen der Bevölkerung genießt und zum Bürgermeister gewählt wurde (der Bürgermeister von Scharten war im Wahlkampf wegen Vergewaltigung angeklagt und ist mittlerweile – nicht rechtskräftig – verurteilt, Anm.). Ich will so etwas nicht beurteilen.
Wie meinen Sie das?
Ich kenne noch einen anderen Fall, dem auch Vergewaltigung vorgeworfen wurde. Hätte sich die Frau im Verfahren nicht widersprochen, wäre er verurteilt worden und sein Leben wäre ruiniert gewesen. Der Bürgermeister von Scharten hat zu seinem Rücktritt gesagt: Ob ich damit leben muss, für Jahre ungerechtfertigt ins Gefängnis zu gehen oder ob sie damit leben muss, dass sie eine Existenz zerstört hat, muss später beurteilt werden. Das gab eine riesige Aufregung. Ob es das wert ist?
Hätte der Schartner Bürgermeister Ihrer Meinung nach nicht zurücktreten müssen?
Das habe ich nicht gemeint.
Sie meinen, es werde sich erst zeigen, ob die Vorwürfe stimmen? Erstinstanzlich wurde er ja verurteilt.
Er will ja das Urteil gerichtlich bekämpfen. Man wird sehen, wie das weitergeht und ob es sich aufklärt.
Um den Bogen zurück zur Causa Kurz zu schlagen: Ist jemand, von dem gewisse Dinge ans Licht kommen – unabhängig von den strafrechtlichen Aspekten – moralisch geeignet für ein so verantwortungsvolles Amt in der Politik?
Ich will mich moralisch nicht überhöhen, das müssen andere beurteilen. Fest steht aber: Solange die rechtliche Komponente nicht geklärt wird, dreht sich die moralische und politische Debatte weiter. Deshalb soll die Justiz jetzt rasch arbeiten.
Kommentare