Der neue Finanzminister will nicht, dass „Unternehmen am Tropf des Staates hängen“. Brunner über gefälschte Umfragen, gestiegene Preise und warum er selbst keine Aktien besitzt.
Für viele ist der ehemalige Staatssekretär im Klimaministerium ein unbeschriebenes Blatt. Der Vorarlberger (49) über das „Koste es, was es wolle“-Budget seines Vorgängers Gernot Blümel.
KURIER: Die Republik steckt in einer Pandemie, die Steuerreform muss umgesetzt werden. Ist es in so einer Phase verantwortungsvoll wegen innerparteilicher Turbulenzen etliche Minister auszutauschen?
Magnus Brunner: Die Entscheidung für Karl Nehammer ist eine Entscheidung für Stabilität. Die Volkspartei musste schnelle Entscheidungen treffen und das haben wir gemacht.
Ist ein so großes Haus wie das Finanzministerium überhaupt handlungsfähig, wenn sich der neue Minister erst einarbeiten muss?
Ja, ich muss mich in ein paar Bereichen sicher noch einarbeiten. Ich bin aber froh, dass die Expertinnen und Experten im Haus, wie im Kabinett so professionell sind, dass Kontinuität gewährleistet istund wir gleich voll loslegen können.
Was werden Sie anders machen als ihr Vorgänger Gernot Blümel?
Jeder hat seinen Stil, jeder hat seine Persönlichkeit, viele Inhalte werde ich weiter führen. Also, die Stabilität der Finanzen im Blick behalten, mit den Corona-Hilfen den Weg aus der Krise heraus gestalten und die ökosoziale Steuerreform umsetzen.
Die türkise ÖVP hat nicht so akribisch auf die Staatsfinanzen geschaut wie die schwarze. Ist jetzt wieder mehr Schwarz angesagt?
Das sind Farbenspiele. Mir geht es um Sachpolitik und den Inhalt. Uns Vorarlbergern sagt man ja nach, dass wir sparsam sind und aufs Geld aufpassen. Spaß beiseite. Der Zugang ist schon der, mittelfristig wieder auf einen soliden Budgetpfad zurück zu kehren, das hat sich nicht geändert. Jetzt akut ist es wichtig, die Unternehmen zu unterstützen, damit die Arbeitsplätze behalten werden können.
Ich hoffe, dass wir die Wirtschaftshilfen irgendwann nicht mehr brauchen werden. Jetzt geht es darum, dass wir alles tun was notwendig ist. Die Unternehmen wollen nicht ewig am Tropf des Staates hängen. Wir müssen aus dem Teufelskreis der Pandemie heraus. Diejenigen, die Unterstützung brauchen, werden sie bekommen.
Worauf dürfen sich jene Menschen gefasst machen, die Sie bisher als Staatssekretär vielleicht nicht wahrgenommen haben?
Vielleicht ist das ein Punkt, in dem ich mich vom einen oder anderenVorgänger etwas unterscheide. Ich bin kein Showman, ich bin eher der Sachpolitiker, der versucht auf Inhalte zu schauen und sie umzusetzen. Die Bekanntheit ist mir nicht ganz so wichtig.
Mit Blick auf die Chatprotokolle: Ist Sebastian Kurz mit Schuld, dass es soweit gekommen ist und er zurücktreten musste?
Dass es strafrechtlich keine Verfehlungen gegeben hat, davon gehe ich aus und das werden auch die Ermittlungen zeigen. Von diesen Chats halte ich überhaupt nichts. Aber das war nicht Sebastian Kurz. Bei ihm gab es diese eine Aussage gegen Mitterlehner. Das hätte ich so nicht gesagt, aber so etwas kann einem schon einmal passieren.
Sehen Sie eine moralische Verantwortung? Zum Beispiel, wenn es um gefälschte Umfragen geht...
Diese Vorwürfebetreffen auch unser Haus. Unter Gernot Blümel wurde die interne Revision beauftragt und ich werde deren Bericht sehr ernst nehmen.Wenn es Empfehlungengibt, transparenter oder anders zu agieren,werden wir das umsetzen.
Wird es angesichts der Corona-Variante Omikron nötig sein, massive Korrekturen am Budgetpfad vorzunehmen?
Nein, ich gehe aktuell davon aus, dass die Prognosen halten werden. Das hat uns zuletzt auch die OECD attestiert – schon inklusive des letzten Lockdowns.
Werden Sie bei der Steuerreform nachbessern?
Wir werden uns Ideen aus dem Begutachtungsverfahren heraus ganz genau anschauen und das eine oder andere übernehmen. Die Grundpfeiler wie die Co2-Bepreisung bleiben bestehen. Ich bin überzeugt, dass der Einstiegspreis von 30 Euro okay ist. Jeder Preis hat einen Lenkungseffekt. Und man muss die Lebensrealität der Menschen im Auge behalten, wie etwa die Inflation. Mit entsprechenden Begleitmaßnahmen wie dem Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, dem Klimabonus oder auch dem Klimaticket macht das Gesamtpaket Sinn.
Muss das Fliegen teurer werden?
Wir wollen Dumpingangebote um 9,90 Euro künftig verhindern und Kostenwahrheit herstellen, indem personenbezogenen Steuern und Gebühren an den Passagier weiter verrechnet werden. Die Vorarbeiten dazu sind gemacht, Frau Bundesminister Gewessler wird dazu einen Vorschlag präsentieren. Es kann nicht sein, dass ein Taxi zum Flughafen teurer ist, als der Flug selbst.
Was wollen Sie gegen die hohe Inflation - derzeit 4.3 Prozent - tun?
Viele Experten sagen uns, dass es sich um einen temporären Effekt handelt. Das glaube ich auch. Dennoch muss man den Anstieg der Energiepreise sehr ernst nehmen. Wir haben dazu in der Steuerreform Maßnahmen erarbeitet - etwa die Reduktion des CO2-Preises um 50 Prozent, wenn die Energiepreise um 12,5 Prozent steigen. Wir setzen außerdem den Ökostromförderbeitrag auf Null. Es gibt den Klimabonus und letztlich auch die Heizkostenzuschüsse der Länder. Das ist ein gutes Paket.
Der Wirtschaftsbund, aus dem Sie kommen, fordert traditionell die Abschaffung der kalten Progression. Bleiben Sie auch in Ihrer neuen Funktion dabei?
Die Abschaffung der kalten Progression bleibt ein Ziel. Aber was brauchen wir jetzt? Die Steuerreform hat ein wesentlich höheres Volumen als die Abschaffung der kalten Progression. Man kann mit einer Steuerreform auch Schwerpunkte setzen, die jetzt nötig sind – wie Ökologisierung und Digitalisierung.
Ist es ein Nachteil, dass die Corona-Hilfen über den Sommer weder evaluiert noch adaptiert wurden? Sie werden viel Kritik einstecken müssen...
Es ist nie zu hundert Prozent alles richtig, aber prinzipiell funktionieren die Wirtschaftshilfen. In den ersten Tagen habe ich beides gehört, es gibt zu viel Förderung, es gibt zu wenig. Das liegt in der Natur der Sache. Die Hilfen wurden aber zuletzt sehr zielgerichtet verändert. So haben wir etwa die Antragsmöglichkeit für den Ausfallsbonus auf den 10. Dezember vorgezogen, damit es noch vor Weihnachten zu Auszahlungen kommen kann.
Gestatten Sie vier persönliche Fragen zum Schluss: Interessieren Sie sich für Kryptowährungen, besitzen Sie Aktien?
Ja, ich interessiere mich für Kryptowährungen, besitze aber keine – eben so wenig wie Aktien. Ich habe vor vier Jahren ein Haus saniert, darin fließt mein Geld.
Werden Sie also weiter zwischen Wien und Bregenz pendeln?
Ich muss erst noch mit meiner Frau besprechen, wie wir das in Zukunft handhaben werden. Aber ich bin sicher kein Finanzminister, der nur in seinem Büro in Wien sitzt. Ich will viel in den Bundesländern unterwegs sein.
Mit der Bahn oder dem Flieger?
Dort wo es Sinn macht mit der Bahn, wo es nicht anders geht, mit dem Flieger.
Bleiben Sie auch Präsident des Tennisverbandes? Geht das zeitlich überhaupt?
Das werde ich im Vorstand des Verbandes zur Diskussion stellen und schauen, ob dortige Kollegen vielleicht etwas übernehmen können.
Welcher Spielertyp sind Sie? Aufschlag-Volley oder Grundlinie? Also mehr Muster oder Becker?
Ich war immer der Kämpfer, also ein Grundlinien-Spieler – mehr Muster als Becker.
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