Warum ist das so? Das Kunstwort „Stagflation“ beschreibt zunächst die höchst unangenehme Kombination aus einer wirtschaftlichen Flaute („Stagnation“) bei einem gleichzeitig steigenden allgemeinen Preisniveau („Inflation“).Das weckt bei historisch bewanderten Kommentatoren Erinnerungen an die 1970er-Jahre. Denn das aktuell vor allem in Deutschland von Ökonomen befürchtete Phänomen trat zuletzt vor rund 50 Jahren im Zuge der damaligen Ölkrise auf.
Hier findet sich die Parallele zu heute: Eine befürchtete Flaute wegen Corona und all der anderen Probleme wie z. B. das Lieferchaos – plus die hohe Inflation aufgrund der Ölpreise.
Wiederholt sich also die Geschichte? Ist jetzt die Wirtschaft endgültig hin?
Nein. Die Wirtschaftserholung wird derzeit zwar unterbrochen, geht aber abhängig vom Infektionsgeschehen im kommenden Jahr weiter. Darauf deuten alle Expertenaussagen und Prognosen hin, auch wenn sie aktuell zurück genommen werden müssen.
So erwartet der Freiburger Wirtschaftsprofessor Lars Feld, designierter Chef des Instituts für Höhere Studien in Wien, für Deutschland einen kräftigeren Corona-Dämpfer im 4. Quartal 2021 mit Nachwirkungen bis ins Frühjahr hinein. Doch werde der Knick durch die nach wie vor starke globale Nachfrage im Jahresverlauf – zum Teil jedenfalls – wieder ausgeglichen. Feld sagte zum KURIER: „Ich erwarte eine Stagnation im Winterhalbjahr, weil man ohne Schwung ins neue Jahr kommt, sodass insgesamt ein Wachstum von eher unter 4 Prozent im Jahr 2022 resultieren könnte.“
Die Formulierung „eher unter 4 Prozent“ bezieht sich auf die jüngsten Prognosen für Deutschland. Im Oktober war man noch von 4,6 Prozent für 2022 ausgegangen, die Ampelkoalition rechnet nun mit 4,1 Prozent, einzelne Ökonomen sind aber noch pessimistischer.
So zum Beispiel der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer. Er erwartet drei Prozent Wachstum für Deutschland im Jahr 2022 und hat als einer der ersten das Wort „Stagflation“ in den Mund genommen. Jedoch dezidiert nur in Bezug auf das magere Schlussquartal heuer und den schwachen Start ins neue Jahr.
In Österreich sei die Situation nochmals anders, sagt AK-Chefvolkswirt Markus Marterbauer. Hier werde debattiert, wie weit die Inflation noch steigen werde und auch trotz Lockdown sei keine Flaute oder gar Rezession zu erwarten. Marterbauer: „Der Aufschwung war ja viel stärker als erwartet. Das Angebot ist angesichts von Lieferkettenchaos, Chipmangel, zu wenigen Vorräten etc. kaum nachgekommen. Das treibt natürlich die Preise.“
Konkret heißt das: Statt 5,1 Prozent erwartet Wifo-Chef Gabriel Felbermayr jetzt „nur“ noch rund 4,5 Prozent Wachstum 2022. Das bedeutet freilich Hochkonjunktur und nicht Stagnation bzw. Stagflation.
Aber, allein dass der alte Begriff neu auftaucht, zeigt die enorme Verunsicherung über die weitere wirtschaftliche Entwicklung, was sich auch im Auf und Ab an den Börsen widerspiegelt. Angesichts der Sorgen rund um Omikron mag das verständlich sein. Die Debatte über das toxische Gemisch aus Inflation und Stagnation ist dennoch in die Kategorie Schwarzmalerei oder gar Panikmache einzuordnen.
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