Filzmaier: "Wenn Vorwürfe stimmen, ist Ibiza eine kleine Insel im Mittelmeer"
Bundeskanzler Sebastian Kurz hat die von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen ihn erhobenen Vorwürfe Mittwochabend im ORF zurückgewiesen. In der ZiB2 betonte Kurz zudem, dass er "selbstverständlich" Kanzler bleiben werde.
Zu Gast war in der ZiB2 wenig später auch Politologe Peter Filzmaier - zur Analyse.
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Angesprochen auf Kurz´ politische Überlebensfähigkeit in der Causa, sagte der Politologe: "Ja. Er kann das politisch überleben."
Und: "Er wird ganz offensichtlich definitiv nicht zurücktreten, wird aber dafür einen sehr hohen politischen Preis zahlen müssen, den wir alle in Österreich auch irgendwie mitzahlen."
Denn Filzmaier hält es für sehr wahrscheinlich, dass man sich "nun monatelang oder vielleicht sogar jahrelang" mit der Frage beschäftigen werde: "Ist der Bundeskanzler der Beihilfe oder der Delikte Untreue, Bestechlichkeit, Bestechung schuldig oder unschuldig oder hat davon gewusst."
Eine Klärung dieser Frage bzw. die Verfahren werden wohl lange dauern.
Filzmaier sieht konkret drei Risiken/Fragen für Kurz:
- Hält der Koalitionspartner zu ihm?
- Es gibt weitere Beschuldigte. Sollten die Vorwürfe stimmen: Gibt es jemanden, der sie bestätigt?
- Gibt es Druck aus der eigenen Partei?
Den politischen Preis für alle sieht der Politologe in der zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft auch durch die Causa.
Ibiza, eine Insel im Mittelmeer
Zum Abschluss wurde noch ein Vergleich zur Causa Ibiza gezogen.
Filzmaier dazu: "Wenn sie (Anmerkung: die Vorwürfe) stimmen, dann ist Ibiza im Vergleich eine kleine Insel im Mittelmeer, denn dort hat sich der spätere Vizekanzler als natürlich politisch-moralischer Totalversager mit seinen Phantastereien erwiesen - allerdings war schon damals unklar, was davon strafrechtlich fassbar ist - und es ist bis heute so, dass da wohl eine nicht rechtskräftige Verurteilung gegen Heinz-Christian Strache in erster Instanz gibt - im sogenannten PRIKRAF-Fall - das nichts unmittelbar mit Ibiza und dem dortigen Videoauftritt der zwei FPÖ-Politiker zu tun hat. Hier - offen, ob die Vorwürfe stimmen oder nicht - sprechen wir von sehr konkreten, sehr schwer wiegenden strafrechtlichen Tatbeständen."
Politikberater Hofer schließt Rücktritt nicht aus
Politikberater Thomas Hofer hat die Korruptionsvorwürfe gegenüber PULS24 als demokratiepolitisch "wahrhaft starken Tobak" bezeichnet. Man müsse freilich noch die Ermittlungen abwarten, sollten sich aber die Vorwürfe erhärten, könnte es "mehr als eng für den Kanzler werden."
Dass Gelder des "befreundeten Finanzministeriums" verwendet worden sein sollen, dass Studien vorgeschoben worden sein sollen und dass es Scheinrechnungen gegeben haben soll - all das sei laut Hofer "keine Lapalie." Politisch stünde der Vorwurf einer breiten Manipulation der Öffentlichkeit im Raum.
In Sachen Rücktritt sieht Hofer die Situation ein wenig anders als Peter Filzmaier. Einen Rücktritt des Kanzlers als Folge möchte Hofer nicht ausschließen.
ÖVP-Granden am Zug
Dass Kurz Kanzler bleiben könnte, während andere Beschuldigte (Steiner, Fleischmann, Frischmann) ihren Sessel räumen müssen, kann sich Hofer nur schwer vorstellen: "Das wäre das achte Weltwunder."
Innerhalb der ÖVP würden sich die "ÖVP-Granden in den Landesparteien und Bünden" aktuell auch die Frage stellen, wie das weitergeht, ob vielleicht noch was an Vorwürfen kommt. Gelangen sie zur Einschätzung, dass die Angelegenheit eine Belastung für die ÖVP sei, "dann wird man sich möglicherweise Richtung Alternativen unterhalten."
Bleiben die Grünen in der Koalition?
Die Grünen verortet der Politikberater in einer Defensivposition: "Jetzt zieht man sich zurück." Schon die Frage der mutmaßlichen falschen Zeugenaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss ist für die Grünen laut Hofer "an sich schon schwierig gewesen" und sie hätten die rote Linie verschoben.
Nun müssten sie "auf Zeitgewinn spielen." Sollten die Grünen in Neuwahlen gehen wollen, "bräuchten sie etwas zum Herzeigen." Auch wenn erst vor kurzem die Steuerreform mit grüner Handschrift präsentiert wurde - beschlossene Sache ist sie noch nicht
Politologe Filzmaier sieht die Grünen gefangen in ihrer bisherigen Argumentationslinie. Beim möglichen Delikt der Falschaussage beriefen sich Grünen-Chef Werner Kogler und Klubvorsitzende Sigrid Maurer auf die geltende Unschuldsvermutung, so Filzmaier. Mindestens bis zur Anklage müssten die Grünen demzufolge wohl koalitionstreu bleiben, so Filzmaier.
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