Koalition vor Aus? Grüne stellen Kurz' Handlungsfähigkeit infrage

Austrian Chancellor Kurz and Vice-Chancellor Kogler attend a news conference in Vienna
Ein Gesprächstermin mit Van der Bellen wurde vereinbart. Kogler und Maurer laden Klubobleute der Parlamentsparteien zu Gesprächen. Erste grüne Rufe nach Koalition ohne Kurz.

Vielleicht waren die Ereignisse noch zu frisch, die Enthüllungen noch zu neu. Einen Einfluss auf den Fortbestand der Koalition wollte Vizekanzler Werner Kogler am Mittwoch jedenfalls noch nicht erkennen. Beim Ministerrat am Vormittag meinte Kogler, der Maßstab hierfür sei die Handlungsfähigkeit der Regierung und die halte er für "voll gegeben". Man sehe ja, dass immer größere Reformen in immer größerer Geschwindigkeit erledigt würden.

Keine 24 Stunden später stellten die Grünen nun doch die Handlungsfähigkeit infrage. Jedenfalls die des Kanzlers. Grünen-Chef Werner Kogler und Klubchefin Sigrid Maurer laden deshalb die Klubobleute der Parlamentsparteien zu Gesprächen, hieß es in einer Medienmitteilung. Auch ein Gesprächstermin mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen sei vereinbart.

"Der Eindruck ist verheerend, der Sachverhalt muss lückenlos aufgeklärt werden“, so Kogler in einer Aussendung. "Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, die Handlungsfähigkeit des Bundeskanzlers ist vor diesem Hintergrund in Frage gestellt.“

"Lückenlose Aufklärung gefordert"

"Wir müssen für Stabilität und Ordnung sorgen“, so Kogler weiter. "Wir haben eine gemeinsame Verantwortung für unser Land. Wir müssen gemeinsam für Stabilität und Aufklärung sorgen und darum möchte ich parteiübergreifend das weitere Vorgehen beraten.“ Als Aufkündigung der türkis-grünen Koalition oder eine Neuwahlansage wollte man die Äußerungen im Grünen Regierungsteam nicht verstanden wissen. Die Grünen lassen sich also mit der Stellungnahme etwaige Konsequenzen und damit auch den Fortbestand der Koalition offen.

Auch in den Ländern regt sich bei den Grünen nun Unmut. In Kärnten wird etwa die weitere Zusammenarbeit mit Kurz als nicht vorstellbar erachtet. Auch in Wien geht man davon aus, dass man nicht so weitermachen könne, als ob nichts geschehen wäre.

"Kann mir keine weitere Koalition mit Kurz vorstellen"

"Weiter wie bisher geht es nicht, ich kann mir keine weitere Koalition mit einem Kanzler Kurz vorstellen", erklärte die Landessprecherin der Grünen Kärnten, Olga Voglauer, am Donnerstag auf APA-Anfrage, ob die Koalition auf Bundesebene fortgesetzt werden soll: "Wir haben eine Koalition mit der ÖVP, nicht mit Sebastian Kurz." Wenn die ÖVP jetzt "Verantwortung" übernehme, werde man sich damit befassen müssen: "Wenn es einen neuen Kandidaten gibt, dann müssen die Gremien beraten, was weiter möglich ist."

Die Grünen-Landessprecherin teilt die Ansichten von Bundesparteichef Kogler, die Amtsfähigkeit von Kurz sei massiv untergraben: "Die ÖVP sollte sich fragen, mit welcher Person sie zukünftig weitermacht." Die Vorwürfe seien schwerwiegend, "auch wenn es eine Unschuldsvermutung gibt, gibt es auch eine politische Wertehaltung." Und: "Ibiza war eines - da wurde davon gesprochen, was möglich sein kann. Was aber hier an Protokollen vorliegt, ist quasi schlechthin der Beweis, dass es nicht nur Inserate gegeben hat, sondern mit Finanzministeriums-Geld Berichterstattung gekauft wurde."

In Wien ließ die nicht amtsführende Stadträtin Judith Pühringer - die auch für den Parteivorsitz bei der Wiener Landespartei kandidiert - auf Twitter wissen: "Meine Einschätzung: Was hier gerade passiert, ist nicht normal." Man könne nicht zu "irgendeiner Tagesordnung" übergehen. "Wir beobachten diese undurchsichtigen Entwicklungen bei der ÖVP sehr genau." Sie hoffe sehr, dass dieser Fall kein "Ibiza in Türkis" werde.

Ermittlungen gegen Kurz

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen Kurz und neun weitere Personen wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. Am Mittwoch haben Hausdurchsuchungen bei einigen engen Mitarbeitern des Kanzlers, in der ÖVP-Zentrale, im Kanzleramt und im Finanzministerium stattgefunden. Es geht um Gefälligkeitsberichterstattung der "Österreich“-Gruppe im Austausch für Inserate des Finanzressorts sowie aus Steuergeld finanzierte Umfragen, die nur dem Nutzen des späteren Kanzlers gedient hätten.

Es geht um Gefälligkeitsberichterstattung der Österreich-Gruppe im Austausch für Inserate des Finanzressorts sowie aus Steuergeld finanzierte Umfragen, die nur dem Nutzen des späteren Kanzlers gedient hätten.

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