"Entmenschlichung" von Klima-Aktivistinnen: Expertin warnt vor Gewalt

KLIMA-BLOCKADE - "LETZTE GENERATION" STOPPTE VERKEHR AM WIENER GÜRTEL
Medienethikerin Claudia Paganini ist besorgt über die Ausbreitung von Hass-Sprache gegen Klimaschützer bis in den Mittelstand.

Die Medienethikerin Claudia Paganini, Professorin an der Münchner Hochschule für Philosophie, warnt vor steigender Aggression gegenüber Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten. Aus Sicht der Forscherin schüren Begriffe wie "Klima-Terroristen" oder "Klima-Chaoten" eine zunehmend aufgeheizte Stimmung in Bezug auf die Proteste.

"In dem Moment, wo ich durch Sprache Menschen herabwürdige, ist es nur mehr ein kleiner Schritt zur Gewalt", sagt die gebürtige Österreicherin zur APA.

"Hate Speech in der Mitte der Gesellschaft"

Sie beobachte die „sprachliche Herabwürdigung und Entmenschlichung“ der Aktivistinnen und Aktivisten mit wachsender Sorge, so Paganini. "Hate Speech war lange Zeit auf die rechtsradikale Szene beschränkt", sagt. Mit dem Aufkommen der Klima-Proteste habe das Phänomen jedoch auch vermehrt die Mitte der Gesellschaft erreicht. "Wir sprechen hier von Drohungen und Forderungen in den sozialen Medien, die Aktivisten und Aktivistinnen mit dem Auto einfach niederzufahren," sagte die Wissenschafterin.

Anstatt die Situation zu beruhigen, würden Medien und Politik zusätzliches Öl ins Feuer gießen und die Debatte um die Blockade-Aktionen mit kriminalisierenden Vergleichen anheizen.

Gesellschaft "muss Protest aushalten"

Paganini verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf die FPÖ. So forderte der Wiener FP-Chef Dominik Nepp bereits nicht nur Beugehaft für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Blockaden, sondern bezeichnete sie gezielt als "Terroristen". Paganini hält diese Tendenzen für gefährlich. "Hate Speech leistet der Gewalt immer auch einen Vorschub." Doch eine Gesellschaft müsse diese Art des Protests aushalten. Eine Gesetzesübertretung der Protestierenden könne kein Freibrief für Selbstjustiz und Gewalt sein, sagt sie.

Klima-Aktivisten getreten

Der möglichen Gewalt durch wütende Autofahrer sind sich Aktivisten wie Jacob Ranftl (29) völlig bewusst. "Wir wissen, dass wir manche Menschen in solche Situationen bringen", sagte Ranftl. Der 29-Jährige wurde als Mitglied der Klimaschutzgruppe "Letzte Generation" selbst schon Opfer von Gewalt während einer Protestaktion am 11. Jänner vor dem Wiener Westbahnhof. "Ich bin auf der Seite gesessen. Dort kriegt man immer am meisten ab", erinnert sich Ranftl. Damals zerrte ein Autofahrer den Aktivisten von einem Schutzweg und trat auf ihn ein. Auch eine Passantin mischte sich ein und zog Ranftl weg. Die Polizei ermittelt nun gegen den Mann wegen versuchter Körperverletzung.

Trolls auf Social Media fördern Gewalt

Ranftl selbst zeigte den Pkw-Lenker jedoch nicht an, obwohl die Situation "unangenehm" gewesen sei. Einen Grund für Gewaltakte gegen ihn und Gleichgesinnte sieht er mitunter in den sozialen Medien. "Natürlich ist es nicht gut, dass viele Trolls auf Social Media sind. Das fördert nur die Gewalt." Politik und Medien würden den Hass im Netz noch zusätzlich befeuern. Der sei jedoch nicht berechtigt. "Wir sind keine Terroristen. Das ist etwas völlig anderes." Am Montag wird die zweiwöchige Welle der "Letzten Generation" fortgesetzt, die seit vorigen Montag tägliche Störungen des Wiener Morgenverkehr durch Festkleben der Protestierenden mit sich bringt.

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