Drozda: 2018 war für SPÖ ein „Katastrophenjahr“

Drozda: 2018 war für SPÖ ein  „Katastrophenjahr“
Thomas Drozda im KURIER-Gespräch über das für die SPÖ schwere Jahr 2018, Pamela Rendi-Wagner und seine Zeit im Burgtheater

KURIER: Im Montags-KURIER ist vom Niedergang der europäischen Sozialdemokratie zu lesen. Die Zahlen sind einigermaßen dramatisch: Frankreich 7,4 Prozent, Niederlande 5,7 Prozent. In Deutschland dümpelt die SPD nach Umfragen bei 16 Prozent herum. Laut einer OGM-Umfrage vom Jänner geht es der österreichischen Sozialdemokratie zwar etwas besser, mit 27 Prozent liegen Sie auf Platz Zwei aber deutlich hinter der ÖVP. Warum tut sich die Sozialdemokratie so schwer?

Thomas Drozda: Es gibt unterschiedliche Situationen in unterschiedlichen Ländern. In Portugal liegt die Sozialdemokratie bei 48 Prozent und steht vor einem fulminanten Wahlsieg. Die finnischen Sozialdemokraten sind in Umfragen bei ungefähr 40 Prozent. Ich habe beim PSE-Kongress in Lissabon eine 40-jährige dänische Anführerin der Sozialdemokraten kennengelernt, die kurz vor einer Wahl auch bei 40 Prozent liegt.

Die Situationen sind in den unterschiedlichen Ländern sehr unterschiedlich, das muss man Land für Land analysieren. Den durchgehenden Trend einer obsoleten Sozialdemokratie, die überall verliert, gibt es nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Unsere Ideen sind wichtiger denn je. Die britische Labour Party liegt in Umfragen auch sehr gut.

Bei Labour spielt allerdings der Brexit eine Rolle.

Es spielt auch die soziale Situation in Großbritannien eine Rolle. Auch die ganzen Privatisierungs-Ideen, die am Ende dazu geführt haben, dass weder die Bahn noch die Wasserversorgung besser funktionieren als davor, spielen eine Rolle.

 

Welche Rolle spielen dabei Persönlichkeiten?

Es liegt immer auch an Personen, aber am Ende geht es um eine glaubhafte Verbindung von Person und Programmatik. Klar ist auch, dass wir mit unseren 27 Prozent nach einem Katastrophenjahr, ich kann das nicht anders bezeichnen, über dem Niveau der Nationalratswahl liegen.

Als wir im Jahr 2000 in Opposition gegangen sind, haben wir auf einen Schlag in den Umfragen sieben bis acht Prozent verloren. Diesmal haben wir unser Wahlergebnis gehalten. Das ist nicht zufriedenstellend, aber vor dem Hintergrund der Entwicklungen des letzten Jahres, auch mit dem Rücktritt von Christian Kern, ist das schwer in Ordnung.

Wenn Sie aktuelle Europawahl-Umfragen anschauen, dann liegen wir mit der ÖVP gleichauf. Es wird Sie nicht wundern, dass ich das recht zufriedenstellend finde.

 

Kommen wir gleich zur österreichischen Innenpolitik: Pamela Rendi-Wagner wird nicht beim Tiroler Landesparteitag dabei sein. Zuletzt hat es Zerwürfnisse zwischen Georg Dornauer und der Parteispitze gegeben. Er ist aus allen Bundesgremien verbannt worden. Neben Ihnen wird auch Hans-Peter Doskozil nach Tirol fahren, der dann schon neuer Landeshauptmann Burgenlands sein wird. Ist Doskozil jetzt die “große Macht” in der SPÖ?

Es gibt eine Reihe von wichtigen Akteuren in der SPÖ. Zu allererst die neue Parteivorsitzende, die am Parteitag mit 98 Prozent gewählt wurde. Aber natürlich ist die Frage der Länder sehr wichtig. Ich komme gerade von der Villacher Bezirkskonferenz. Das ist ganz interessant, wenn man auf frühere Wahlergebnisse in Kärnten zurückblickt, wo wir mit 28 Prozent gestartet sind.

Jeder hat gesagt: Der Peter Kaiser wird gegen einen Glamour-Politiker wie Jörg Haider nie eine Chance haben. Peter Kaiser ist dann von 28 auf 38 Prozent gestiegen, zuletzt auf 48. Wir haben einige wichtige Player. Da sind auch der Wiener Bürgermeister und der Gewerkschaftspräsident zu nennen. Wir sind gut und breit aufgestellt.

Letztlich ist es Aufgabe der Vorsitzenden, diese ganzen Kräfte auszutarieren. Das macht sie mit großem Geschick und großer Empathie.

Rendi-Wagner ist seit nicht einmal zwei Jahren Parteimitglied. Sie selbst sind von Christian Kern in die Politik zurückgeholt worden, sie waren in den Neunziger Jahren bereits in zwei Kabinetten. Wenn man sich die ÖVP-Minister ansieht, findet man viele Quereinsteiger. Bildungsminister Heinz Faßmann ist sogar parteilos. Haben die Berufspolitiker ausgedient?

Das kann man nicht generalisieren. Es gibt erfolgreiche und weniger erfolgreiche Quereinsteiger. Jemand, der zum Beispiel Gesundheitspolitik gemacht hat in führender Funktion (Pamela Rendi-Wagner, Anm.)  hat sehr viel mit elementaren politischen Fragestellungen zu tun - da ist der Weg zur Ministerin dann nicht mehr so weit, das hat eigentlich wenig mit Quereinsteigen zu tun.

Oft ist jemand politisch interessiert über viele Jahre, aber hat dann einen anderen beruflichen Background gehabt. Das soll kein Vorteil, aber auch kein Nachteil sein. Letztlich muss sich jede und jeder dann im Job bewähren. Die Idee, Moderatoren zu holen und irgendwo hinzusetzen kann man aber schon so bilanzieren, denke ich, dass die selten funktioniert hat.

 

Sie waren lange Zeit auch als Kulturmanager tätig. Einer, der zuletzt auch für Schlagzeilen gesorgt hat, ist Andreas Gabalier, da ging es um den Karl-Valentin-Orden. Der Konzerthauschef Matthias Naske hätte Gabalier bei sich im Haus nicht auftreten lassen. Sie waren kaufmännischer Geschäftsführer im Burgtheater, hätten Sie ihn willkommen geheißen?

Nachdem das ein Sprechtheater ist und wir in 99 Prozent der Fälle Sprechtheateraufführungen hatten, hat sich die Frage nicht gestellt…

 

.. 2012 waren die Toten Hosen zweimal bei Ihnen, die haben auch nicht gesprochen.

Das war eine Hausvermietung. Letztlich steht es einem Kulturpolitiker nicht an, sich über Sänger zu äußern - aber ich glaube, es muss jedem Intendanten trotzdem möglich sein zu entscheiden: Passt jemand in das Profil des Hauses, in die Programmatik des Hauses?

Wenn der Matthias Naske meint, er hat für das Konzerthaus eine andere Positionierung vor, dann ist das seine legitime Entscheidung.

Wenn wir schon beim Burgtheater sind: FPÖ und ÖVP haben den Rechnungshof beauftragt, auch Ihre Ära zu überprüfen. Wie gelassen sehen Sie dem Ganzen entgegen? Sie sagen ja, als Sie das Haus übergeben haben, war alles in Ordnung?

Ich sehe das sehr gelassen. Im Schwäbischen würde man sagen, das Ganze hat ein gewisses “Geschmäckle”. Einen Oppositionsabgeordneten überprüfen zu lassen mit den Stimmen von Regierungsfraktionen ist natürlich ein legitimes Unterfangen, ich hätte es aber besser gefunden wenn man das anders in Auftrag gegeben hätte.

 

Es hat ja schon einen Rechnungshofbericht gegeben in der Zeit nach Ihnen, warum hat man da nicht ein bis zwei Jahre aus Ihrer Ära mit dazugenommen? Josef Ostermayer hätte das ja damals tun können?

Ich war in diese Diskussion nicht involviert. Ich habe das Burgtheater mit einem Eigenkapital im zweistelligen Millionenbereich übergeben, möglicherweise hat der Rechnungshof dann keinen Anlass gefunden, das als Problem zu sehen. Die Sinnhaftigkeit einer Überprüfung der Jahre 1999 bis 2008 sehe ich nicht, denn es gibt eine Belegaufbewahrungspflicht von sieben Jahren.

Also was immer man da versucht auszugraben - fair enough, kann man machen. Aber die Art und Weise, wie es gemacht wurde, ist meines Erachtens nach nicht in Ordnung, weil es die Opposition eines wichtigen Kontroll- und Prüfrechts beschneidet.

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