Diversion für Straches Ex-Fahrer: "Tobsuchtsanfall, wenn nicht bezahlt wurde"

BERUFUNGSVERHANDLUNG NACH FREISPRÜCHEN FÜR HEINZ-CHRISTIAN STRACHE UND SIEGFRIED STIEGLITZ IN CAUSA ASFINAG: STRACHE
Michael N. bekam nach Falschaussage-Vorwurf eine Diversion und muss 6.800 Euro zahlen. Beim Prozess schilderte er, dass Ex-FPÖ-Chef nie Geld dabei hatte. Zahlen sollten immer die anderen.

"Heinz-Christian Strache mag ein hervorragender Wahlkämpfer gewesen sein, aber wenn's um Rechnungen bezahlen gegangen ist, dann mussten das andere machen - nicht er."

So schildert Strafverteidiger Meinhard Novak am Montag vor dem Wiener Straflandesgericht das "System Strache". 

Ein System, in dem auch sein Mandant Michael N., Chauffeur und Personenschützer des früheren FPÖ-Chefs, unter Druck gekommen sei. 

Michael N. war im Prozess falsche Beweisaussage vorgeworfen worden. Nachdem N. tatsachengeständig war, stimmte der Richter einer Diversion zu.

Der Angeklagte muss 6.600 Euro plus 200 Euro Verfahrenskosten zahlen. Die Staatsanwaltschaft Wien gab keine Erklärung ab, der Beschluss ist daher noch nicht rechtskräftig. 

Der KURIER berichtete vorab: Straches Spesencausa: "Alle Rechnungen sind zu bezahlen"

Worum ging es?

Nach Platzen der Ibiza-Affäre im Mai 2019 tauchte eine anonyme Anzeige gegen den gefallenen FPÖ-Chef und Vizekanzler auf. Ihm wurde vorgeworfen, jahrelang auf Kosten der Partei gelebt zu haben. Er habe private Kosten als Spesen abgerechnet, und das laut vorläufigen Schätzungen in Höhe von mehr als einer Million Euro. 

Michael N. war schon seit 2015 nicht mehr bei Strache beschäftigt. Als die ersten Vorwürfe gegen frühere Kollegen publik wurden, ging er von sich aus zur Polizei. Mit dabei hatte er einen dicken, blauen Ringordner mit Rechnungsbelegen aus rund vier Jahren

Bei seiner Einvernahme bei der Polizei im Dezember 2019 wurde N. gefragt, ob er von den Umwandlungen von Rechnungen (also dem Vorlegen falsche Belege, um private Kosten abzudecken) gewusst habe. 

N. sagte sinngemäß aus, er sei schon 2010 zu solchen Umwandlungen aufgefordert worden, auch von Strache, habe sich aber "stets geweigert, das zu tun".

"Die Auswertung der vorgelegten Rechnungen hat aber klar ergeben, dass der Angeklagte auch umgewandelte Rechnungen eingebracht hat", erklärte die Staatsanwältin beim Prozess. 

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Wichtig ist dabei: N. hat sich - so der aktuelle Wissensstand - nicht selbst bereichert.

Es gab zwar zunächst den Verdacht, er habe Restaurantrechnungen eingereicht, von denen er selbst profitiert habe, das Verfahren gegen Untreue ist mittlerweile aber eingestellt worden.

Taschen zugenäht 

Und damit kommen wir wieder zum "System Strache": Der damalige Parteichef habe nie eine Kredit- oder Bankomatkarte dabei gehabt, schilderte Verteidiger Novak. Er habe auch gar nichts einstecken können, weil seine Taschen zugenäht gewesen seien - angeblich, um zu verhindern, dass ihm unterwegs oder auf Wahlkampftour jemand etwas zusteckt. 

Deshalb sei allen klar gewesen: "Egal, wo der Zirkus hingegangen ist, bezahlen musste seine Entourage." 

"Druck, zu bezahlen"

Wenn sich jemand geweigert habe, die Rechnung zu bezahlen, "gab es einen kleinen Tobsuchtsanfall", ergänzte Ex-Mitarbeiter Michael N. "Es gab einen gewissen Druck, der seine Leute und auch mich dazu bewegt hat, zu zahlen." 

Und wenn es für die Ausgaben keine Rechnung gab oder man die Ausgaben nicht im Parteisekretariat hat rechtfertigen können, haben die Mitarbeiter offenbar andere Rechnungen eingesammelt und bei der Spesenabrechnung vorgelegt, um den Betrag abzudecken. In Michael N.s Unterlagen fanden die Ermittler 17 solche Rechnungen

Ins Zwielicht geraten

Warum er dann bei der Polizei behauptet hat, er habe sich "stets geweigert, das zu tun"?

N. druckste bei dieser Frage der Staatsanwältin lange herum. Schließlich sagte er: "Wenn man als Zeuge bei der Polizei auftritt, dann will man nicht gleich selbst ins Zwielicht geraten. Da stellt man vielleicht nicht alles so dar." 

Ein Satz, der offenbar als Tatsachengeständnis gewertet wurde - deshalb die Diversion.

Die Staatsanwaltschaft hat jetzt 14 Tage Zeit, gegen den Bescheid Beschwerde einzulegen. Angeklagter und Verteidiger verzichteten auf Rechtsmittel.

In dem Verfahrenskomplex zur Spesen-Causa gab es ursprünglich 28 Beschuldigte - darunter auch Strache selbst sowie Ex-Leibwächter und Belastungszeuge Oliver R. (zur Erinnerung: Er hat die Ibiza-Affäre damals ins Rollen gebracht). 

Gegen acht Personen wurden die Verfahren bereits eingestellt, in einem Prozess gab es - wie jetzt bei Michael N. - eine Diversion. Ein weiterer Prozess steht am 25. September in Korneuburg an. 

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