Die Strategie der ÖVP: Wie rote Hochburgen in NÖ erobert wurden
Es war ein Wahlabend im Jahr 1998. Klaus Schneeberger hatte mithilfe eines intensiven Vorzugsstimmenwahlkampfs wieder den Einzug in den Landtag geschafft. Triumphierend verkündete er damals in seinem Parteibüro in Wiener Neustadt: „Und jetzt nehmen wir den Bürgermeistersessel in Angriff.“ Provokant veranstaltete er dazu noch eine Siegesfeier vor dem Wiener Neustädter Rathaus.
17 Jahre musste er aber noch warten, ehe der Traum mit einer bunten Regierung in Erfüllung ging. Und weitere fünf Jahre, ehe er nun seit Sonntag stolz verkünden kann, dass seine türkise ÖVP in der ehemals tiefroten Hochburg die klare Nummer eins ist. Ein Moment, der selbst den hart gesottenen Politiker einige Tränen kostete, wie er bei der Wahlfeier danach eingestand. Mit ihm auf der Bühne: Bundeskanzler Sebastian Kurz, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Innenminister Karl Nehammer und Landesrätin Petra Bohuslav. Als deutliches Zeichen, wie wichtig es der ÖVP ist, in Niederösterreichs zweitgrößter Stadt nun 45 Prozent der Wähler hinter sich zu haben, während die SPÖ unter die 30 Prozent gerutscht ist.
Die "Ebenen-Strategie"
Wiener Neustadt ist ein gutes Beispiel, warum die ÖVP von Wahl zu Wahl in den Städten und Gemeinden zulegt. Keine Kommune wird aufgegeben. Gleichgültig, welch langen Atem die Partei dazu braucht. Wenn „das Momentum passt“, wie es Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner ausdrückt, dann wird die gesamte Kraft in solch ein Projekt gesteckt. Diesmal sogar mit Hilfe vom Bundeskanzler.
Ein weiteres aktuelles Beispiel ist Amstetten. Die Mostviertel-Metropole wäre schon vor fünf Jahren fast gekippt. Eine Koalition gegen die SPÖ war zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht möglich. Jetzt – mit einem neuen Spitzenkandidaten – wurden die Mehrheitsverhältnisse gegen alle Erwartungen umgedreht. Ebner: „Wir haben auch da das Momentum auf unserer Seite gehabt. Unsere Kandidaten sind zuletzt auf einer Welle geschwommen, die gewaltig war.“ Im gleichen Ausmaß habe dort bei der SPÖ eine Demobilisierung stattgefunden.
Wobei es nicht nur die Kandidaten waren. In Amstetten war Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner gleich mehrmals im Einsatz. Und erneut kam auch Bundeskanzler Sebastian Kurz zur Unterstützung.
Warum dieses Zusammenspiel so gut funktioniert? Eine erfolgreiche Politik brauche jede Ebene, sagt Bernhard Ebner. Und: „Wir als Volkspartei wissen, dass es für jede Ebene auch die andere Ebene braucht, um erfolgreich zu sein.“ Jetzt sei die gesamte Landespartei – vor allem auch das ÖVP-Regierungsteam – für die Gemeinden gelaufen. Bei den Landtags-, Nationalrats- und EU-Wahlen rechnet man im Gegenzug mit dem vollen Einsatz der Ortsparteien.
Das System hat die politische Niederösterreichkarte verändert. Vor der Gemeinderatswahl 2010 waren noch 9 Bezirkshauptstädte unter SPÖ-Führung, in 11 Bezirksmetropolen regierte die ÖVP. Seit Sonntag tragen nur noch 3 die Farbe Rot: Bruck an der Leitha, Krems und die Landeshauptstadt St. Pölten. Der Rest wurde mittlerweile türkis eingefärbt. Wobei fast alle als rote Hochburgen gegolten hatten: Korneuburg, Neunkirchen, Gmünd, Gänserndorf, Amstetten und eben Wiener Neustadt. Und wer Niederösterreichs ÖVP kennt, geht davon aus, dass man erst dann ganz zufrieden ist, wenn alle Bezirkshauptstädte in türkiser Hand sind.
"Wir sind die Alternative"
Für die SPÖ ist das eine sehr schmerzliche Entwicklung, weil ihr der urbane Boden unter den Füßen weggezogen wird. Dabei gibt es auch Beispiele, die die Landesführung positiv stimmen müssten. Etwa die Bezirkshauptstadt Bruck an der Leitha, wo der neue Bürgermeister Gerhard Weil die absolute Mehrheit ausgebaut hat. Oder die Schwechater Bürgermeisterin Karin Baier, die nach dem Multiversum-Skandal die SPÖ wieder auf die Erfolgsstraße geführt hat.
Nicht zuletzt auch noch Andreas Babler, der in der Stadt Traiskirchen im Bezirk Baden wieder über 70 Prozent der Stimmen geholt hat. Sein Erfolgsrezept: „Wir sind die andere Stadtregierung.“ Man verstehe sich nicht mehr als Sozialdemokratische Partei, sondern als Bewegung. Babler: „Bei uns haben auch die Grünen kaum eine Chance, weil wir grüner sind. Wir sind auch die Partei für die Christen, mehr als die ÖVP.“ Starke Worte von jenem SPÖ-Funktionär, der vor allem durch parteiinterne Kritik österreichweit für Aufsehen gesorgt hat. Unter anderem als Verfechter für die Wehrpflicht zu einem Zeitpunkt, als der damalige SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann ein Berufsheer forderte.
Sein Rezept: Alles müsse mit der Bevölkerung besprochen, alles müsse der Bevölkerung genau erklärt werden. Ob es sich um Förderungen für Vereine oder die Pflanzung eines Baumes handle. Über seine Art der Stadtpolitik hat er auch schon in anderen Gemeinden Vorträge gehalten. Auf das Ergebnis der sonntägigen Gemeinderatswahlen hat sich das jedoch noch nicht ausgewirkt. Babler nimmt es sportlich: „Ich sehe das gelassen. Warten wir einmal ab, wie die politische Situation in Niederösterreichs Städten in zehn Jahren aussehen wird.“ Nachsatz: „Das ist meine Positivversion der Geschichte, den Negativausblick will ich gar nicht in den Mund nehmen.“
Um eine Trendwende in Niederösterreich einzuläuten, wird Andreas Babler noch viele Vorträge halten müssen. Sein Landesparteichef hat jetzt schon die Parole ausgegeben, dass alles unternommen werden muss, um im Jahr 2025 erfolgreicher zu sein. Er spekuliert dabei auch, endlich wieder Städte für die SPÖ „zurück zu erobern“.
Dass das ein fast aussichtsloses Unterfangen ist, hat die aktuelle Gemeinderatswahl gezeigt. 2015 waren die Städte Gmünd, Gänserndorf und Wiener Neustadt erst nach den Koalitionsverhandlungen an die ÖVP gegangen. Fünf Jahre später hatte die SPÖ dort kaum mehr eine Chance, den weiteren ÖVP-Aufstieg zu bremsen.
In Gmünd legte Bürgermeisterin Helga Rosenmayer fünf Mandate zu, in Gänserndorf holte Rene Lobner 21 der 37 Mandate. Und in Wiener Neustadt hielt das wackelige Übereinkommen der fünf Fraktionen unter der Führung von Bürgermeister Schneeberger trotz der SPÖ-Mehrheit so gut, dass jetzt die rote Fraktion in einer Führungsdiskussion steckt. Keine guten Aussichten auf SPÖ-Comebacks.
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