Die Landeshauptleute waren bereits vor Ort, nicht alle, denn Vorarlbergs Markus Wallner ist infiziert und in Quarantäne. Aus Wien reiste Kanzler Alexander Schallenberg an und traf gegen 21 Uhr beim Tagungshotel ein.
Der grüne Gesundheitsminister folgte mit einer guten Stunde Verspätung. Wolfgang Mückstein ereilte ein grünes Schicksal: Die Batterie seines E-Autos war leer geworden, er musste unterwegs anhalten und aufladen.
Inzwischen war der Kanzler längst mit den Landeshauptleuten in der Raucherlounge des Hotels verschwunden. Und dort kam es zu einer bemerkenswerten Wandlung. Schallenberg, so erzählt ein Teilnehmer, „ist mit der Haltung, er ist gegen einen Lockdown, in die Raucherlounge gegangen und mit der Haltung, er ist für einen Lockdown, herausgekommen.“
Tatsächlich hatten die Landeshauptleute die Marschroute vorgegeben, die Bundesregierung dabei wenig Rolle gespielt. Aber auch die Beschlussfassung unter den Landeshauptleuten war keine g’mahte Wies’n. Salzburg und Oberösterreich waren angesichts der Dramatik in ihren Ländern bereits vorgeprescht.
Aus Vorarlberg gab es ebenfalls Signale, die harte Maßnahme mitzutragen. ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück hatte einen „knackigen, kurzen Lockdown für alle“ gefordert, Landeshauptmann Markus Wallner noch auf die Verhandlungen in Tirol verwiesen.
Die SPÖ hatte sich bereits um 14 Uhr am Donnerstagnachmittag per Videokonferenz auf eine Linie geeinigt. Unter dem Vorsitz von Pamela Rendi-Wagner fanden die Landeshauptleute Michael Ludwig (Wien), Peter Kaiser (Kärnten) und Hans Peter Doskozil (Burgenland) sowie die Landesparteichefs der restlichen sechs Bundesländer zur Position: Bundesweiter harter Lockdown und Impfpflicht.
Für den Lockdown sprach aus Sicht der SPÖ vor allem, dass in allen Bundesländern die Dynamik der Infektionen steil nach oben zeigt, wenn auch in Wien und Burgenland von niedrigerem Niveau aus.
Um halb drei in der Früh waren alle weich
Das Motto lautete: Bevor wir einzeln in zwei Wochen nachziehen müssen, machen wir es lieber gleich bundesweit gemeinsam und brechen die Welle. Damit waren bereits sechs Landeshauptleute auf Lockdown-Kurs.
Wiens Ludwig soll dem Vernehmen nach mit dem Steirer Hermann Schützenhöfer geredet haben, dem die Impfpflicht sehr wichtig war, und der dann ebenfalls einlenkte. Zuletzt blieben Günther Platter (Tirol) und Johanna Mikl-Leitner (NÖ) als Lockdown-Gegner übrig. Um halb drei in der Früh waren auch sie weich.
Die ÖVP hatte stets betont, dass erneute Beschränkungen für alle die Impfbereitschaft dämpfen würde. Mit der Pflicht zum Stich lässt sich der Lockdown-Schwenk nun leichter argumentieren.
„Angesichts des Infektionsgeschehens müssen wir solche Maßnahmen setzen und wir tragen sie alle mit“, erklärte Schallenberg bei einer Pressekonferenz mit Mückstein, Platter und Ludwig, die von einem „historischen Treffen“ sprachen, bei dem es zu einem „Schulterschluss über Partei- und Ländergrenzen“ hinweg kam. „Es ist wichtig, dass Bund und Länder in so einer Situation an einem Strang ziehen“, erklärte Platter. Von dieser Einigkeit war in den Tagen davor wenig zu spüren gewesen.
„Leider sind auch wir als Bundesregierung hinter unseren Ansprüchen zurückgeblieben. Ich möchte mich dafür entschuldigen“, sagte Mückstein dazu. Der Bundeskanzler wollte sich nicht explizit entschuldigen, meinte aber zumindest: „In keiner Krise agiert man fehlerfrei.“
Wiens Bürgermeister Ludwig konnte sich bei aller vorgetragenen Einigkeit einen Seitenhieb nicht verkneifen: Man müsse „auch in einer kritischen Situation Führungsstärke zeigen“. Schallenberg ging indes in der Impffrage in die Offensive gegen die FPÖ: „Wir haben zu viele politische Kräfte in diesem Land, die vehement dagegen ankämpfen“, dies sei ein „Attentat auf unser Gesundheitssystem“.
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