Was genau wurde untersucht?
Die wissenschaftlichen Mitarbeiter untersuchten die öffentlichen Telegram-Kanäle der österreichischen Covid-19-Protestbewegung. Insgesamt fanden sie 287 Kanäle, die ihr zugeordnet werden können. Analysiert wurden etwa 1,3 Millionen Nachrichten, die zwischen Jänner 2020 und September 2023 dort veröffentlicht wurden. Hinzu kommen etwa 770.000 Postings mit Bild-, Audio- oder Videodateien.
Wer steckt hinter diesen Kanälen?
Die Forscher stießen auf ein buntes Spektrum weltanschaulicher Gruppierungen, das sich auf Telegram miteinander vernetzt. Begonnen mit der Gruppe der Corona-Maßnahmengegner (CMG) im engeren Sinn, die sich mit dem Ausbruch der Pandemie formiert hat. Dazu kommen Rechtsextreme, Esoteriker, Verschwörungstheoretiker, Vertreter der Parteipolitik (FPÖ und MFG) und nicht zuletzt sogenannte "Alternative Medien".
Wie stark sind diese einzelnen Gruppen?
Mit dem zweiten harten Lockdown Ende 2020 wuchs insbesondere die Zahl der Kanäle der CMG-Szene sprunghaft an. Hier wurde zu Demos aufgerufen oder versucht, den wissenschaftlichen Konsens, die staatlichen Institutionen oder die Berichterstattung etablierter Medien in Frage zu stellen.
Zahlenmäßig deutlich geringer vertreten, aber aufgrund ihrer weitaus größeren Zahl an Abonnenten wesentlich einflussreicher sind die Alternativen Medien wie AUF1 TV oder report24. Ersterer habe laut Studienmitautor Felix Lippe aktuell rund 270.000 Follower und gehöre damit zu den reichweitenstärksten Telegram-Kanälen im deutschsprachigen Raum.
Wie entwickelten sich die Zugriffszahlen dieser Kanäle?
Mussten sich die einschlägigen Kanäle in den ersten Monaten der Pandemie noch mit täglichen Gesamt-Aufrufen von etwa 100.000 begnügen, schnellten die Zahlen ab Anfang 2021 beachtlich hinauf, um im Jänner 2022 (nach der Ankündigung der Impfpflicht) mit täglich neun Millionen Aufrufen ihren Höhepunkt zu erreichen. Mittlerweile ist sie wieder auf rund vier Millionen gefallen, was aber laut Autoren aber immer noch ein beachtlicher Wert sei.
Was auffällt: Die Zahl der Aufrufe ging mit dem Abflauen der Pandemie bei den CMG-Kanälen deutlich stärker zurück als bei den Alternativen Medien.
Wie sind die einzelnen Gruppierungen miteinander vernetzt?
Anhand der Verbreitung einschlägiger Inhalte lässt sich nachvollziehen: Über die Telegram-Netzwerke hat die rechtsextreme Szene Zugang zu neuen Gruppen gefunden, zu der sie bisher keinen Kontakt hatte, erklärt Ulrike Schiesser, Geschäftsführerin der Bundesstelle.
So sei etwa der Brückenschlag zur Esoterik-Szene gelungen. Das Problem daran: "In diesem abgeschlossenen Netzwerk, in dem keine Widerrede geduldet wird, droht bisher eher gemäßigteren Personen und Gruppen eine schleichende Radikalisierung.“
Die Pandemie ist vorbei. Worum geht es in den Covid-Telegram-Kanälen heute noch?
Im Februar 2022 gewann – gemessen an der Zahl der Postings – der Russland-Ukraine-Krieg kurzfristig die Themenführerschaft in den einschlägigen Kanälen. Die Bedeutung des Themas ging aber ebenso wie die Zahl der Postings zu Corona zurück.
Gegen Ende des Untersuchungszeitraums stieg die Relevanz von Themen wie Klimaschutz, Migration oder LGBTIQ- und Genderfragen.
"Auch diese Themen sind in die immer gleiche Verschwörungstheorie eingebettet: Eine ominöse globale Elite erzeugt künstliche Krisen – von der Pandemie bis zum Klimawandel – um totalitäre Maßnahmen zu rechtfertigen, mit denen die Menschheit versklavt oder gar vernichtet werden soll“, sagt Philipp Pflegerl, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.
Welche Gefahren gehen von solchen Kanälen aus?
"Auch wenn die Zahl der Aufrufe zurückgegangen ist, bleibt auf Telegram ein Netzwerk bestehen, das nach wie vor ein demokratiegefährdendes Potenzial aufweist und in dem Hass auf Minderheiten geschürt wird“, sagt Lippe. Umso wichtiger sei es, solche Netzwerke weiter im Auge zu behalten.
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