Ins selbe Horn stieß zuletzt auch der aufgrund seiner Corona-Thesen umstrittene deutsche Mediziner Sucharit Bhakdi, der auf Einladung der FPÖ in Wien vor blauen Parteigängern sprach. Etwa über die mRNA-Impfstoffe, die ein „satanisches Programm“ seien, das „Millionen Menschen geschädigt und verstümmelt“ habe.
Für Kopfschütteln in der breiteren Öffentlichkeit sorgten auch seine Aussagen zur Polio-Impfung: Es gebe keinen Beleg für deren Wirksamkeit. Dabei besteht Konsens darüber, dass gerade sie für die weitgehende Ausrottung dieser schweren Erkrankung verantwortlich ist.
Einschneidend
Doch lohnt es sich für die FPÖ überhaupt noch, so lange nach dem Abflauen der Pandemie auf Corona zu setzen? Politologe Peter Filzmaier warnt davor, die Bedeutung der Pandemie und ihrer Folgen in weiten Teilen der Bevölkerung zu unterschätzen. „Der Lockdown war ein sehr einschneidendes Ereignis. Etwas Vergleichbares gab es in der Zweiten Republik davor nicht.“
Dass man mit dem Kampf gegen die Corona-Maßnahmen sehr viele Wähler abholen könne, zeige nicht zuletzt das Beispiel der – letztlich an inneren Wirren gescheiterten – MFG, der in Umfragen teilweise Potenzial im zweistelligen Prozentbereich zugeschrieben wurde. Dieses wolle nun die FPÖ zur Gänze abschöpfen.
Selbstinszenierung
Was den Blauen zugutekommt: Mit ihrem Kurs ließen sich auch Menschen ansprechen, die zwar selbst geimpft sind, aber mit dem seinerzeitigen Corona-Management der Regierung nicht einverstanden sind.
Türkis-Grün falle jetzt auf den Kopf, dass man zumindest in der Zeit von Kanzler Sebastian Kurz das Krisenmanagement – auch zur Selbstinszenierung – zur Sache der Regierung erklärt habe. „Damit wird sie bis heute mit dem Thema identifiziert“, sagt Filzmaier. „Das macht es der FPÖ leicht, die Regierung anzugreifen.“
Dieser bleibe laut Experten nichts anderes übrig, als die Angriffe ins Leere laufen zu lassen und zu versuchen, andere Themen zu setzen. „Darauf einzusteigen wäre falsch, die Regierung würde damit nur dem Thema ihrer Gegner auf die Bühne verhelfen“, ist Filzmaier überzeugt.
Im Auftrag der Regierung hat Soziologe Alexander Bogner von der Akademie der Wissenschaften die Pandemie im Rahmen einer Studie aufgearbeitet. Er ortet in der Bevölkerung großen Bedarf, über Corona und die Folgen zu sprechen. „Es war ein Fehler, das Thema den Polarisierungsunternehmern zu überlassen“, sagt er zum KURIER.
Er kritisiert, dass der von der Regierung gestartete Aufarbeitungsprozess nicht fortgesetzt wurde. „Nachdem wir zunächst gegenüber Ländern wie Deutschland einen Startvorteil hatten, ist davon momentan wenig zu sehen.“
Reizthema Impfpflicht
Versäumnisse ortet der Wissenschaftler allen voran bei der besonders umstrittenen Impfpflicht: „Es wurde nicht deutlich gemacht, auf Basis welcher Abwägungen die Entscheidung damals gefällt wurde. Das Pro und Contra dazu wurde nicht öffentlich verhandelt“, sagt Bogner.
Stattdessen sei behauptet worden, die Impfpflicht sei alternativlos. Bogner: „Damit hat man all jenen Menschen, die Zweifel gegenüber der Impfpflicht hatten, zu verstehen gegeben, dass sie unvernünftig sind.“
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