BVT-Affäre: Warum für Kickl die Luft nun immer dünner wird
Die BVT-Affäre bringt Innenminister Herbert (FPÖ) und sein Umfeld immer stärker in Erklärungsnot. Während Justizminister Josef Moser (ÖVP) und „sein“ Generalsekretär Christian Pilnacek im Vorfeld nichts von der Hausdurchsuchung wussten, wurde Kickl bereits am 21. Februar von seinem Generalsekretär Peter Goldgruber über einen „möglichen Einsatz“ in Sachen BVT informiert. Zu diesem Zeitpunkt wusste Goldgruber offenbar mehr als die zuständigen Staatsanwälte. Zugleich übte Kickls Kabinett massiven Druck auf die Justiz aus.
Vor allem Goldgruber und der im Kabinett für das BVT zuständige Referent Udo Lett spielen in der Dramaturgie der Affäre wesentliche Rollen. So war es Goldgruber, der das 40 Seiten starke Konvolut anonymer Anzeigen persönlich am 19. Jänner 2018 bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft ablieferte. Zehn Tage vor der Razzia.
Dort waren diese Schreiben längst bekannt. Kickls „Super-Polizist“ legte den Staatsanwälten laut Aktenvermerken seinen Marschbefehl offen: „Er habe vom Minister den Auftrag, das Innenministerium aufzuräumen.“ Dort gebe es „eine kriminelle Organisation , die interne Strukturen so gestalte, dass sich die Macht in den Händen weniger konzentriere“.
Bei den Staatsanwälten hätten bei dieser Verschwörungstheorie die Alarmglocken schrillen müssen. Goldgrubers Besuch war ihnen ohnehin nicht ganz geheuer, sie verdächtigen ihn sogar, die anonymen Pamphlete selbst geschrieben zu haben – was dieser ebenso bestreitet wie, dass er Druck ausgeübt hat.
Die Justiz spielte letztendlich aber trotzdem mit.
Zeugen abgeliefert
Schon am 20.Februar kündigt Goldgruber den Anklägern die erste Belastungszeugin an, sein Mitarbeiter Lett vereinbart als Vertrauensperson der Zeugin den Einvernahmetermin bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft und begleitet sie auch dorthin. Am 22. Februar wird der nächste Zeuge abgeliefert. Einen Tage später wird ein weiterer aussagewilliger „BVT-Insider“ angedient.
Dennoch ist das Ermittlungstempo der Staatsanwälte Kickls Vasallen zu langsam. Ihr Ziel sind rasche Hausdurchsuchungen, wie aus den Justiz-Aktenvermerken hervorgeht. „Falls kein baldiges Einschreiten erfolgte, sollen nächste Woche Suspendierungen (Anmerkung: von BVT-Beamten) erfolgen“, soll Lett den Staatsanwälten gesagt haben, damit wären die Verdächtigen vorgewarnt gewesen und die Chance auf eine Überraschungsaktion dahin. „Dem von Udo Lett aufgebauten Zeitdruck wird jedenfalls nicht nachgegeben (…)“, notieren die Staatsanwälte in ihrem Tagebuch. Anderseits halten auch sie ein rasches Vorgehen „für sinnvoll“.
Dass die vier Hauptbelastungszeugen vor ihren Aussagen im Kabinett des Innenministeriums „angehört“ wurden, ist ungewöhnlich. Normalerweise befragen Polizeibehörden Zeugen. Kabinettsmitarbeiter oder Generalsekretäre, die selbst ermitteln und Personen befragen, sind - freundlich formuliert - eine Innovation jenseits des Justizsystems. Und mehr als fragwürdig ist: Die Hausdurchsuchungen wurden sogar von Goldgruber und Lett mit vier Staatsanwälten am Vortag des 28. Februar bis ins letzte Detail geplant.
Zurück bleibt so ein ganzes Bündel an brisanten politischen Fragen: Warum wurde der Journalrichter dann erst um 22.40 Uhr in der Nacht kontaktiert, die Razzia wegen angeblicher „Gefahr im Verzug“ zu genehmigen?
Dabei waren die Vorwürfe – so weit aus den Akten hervorgeht – überzogen. Zeugen dürften sogar zum Teil wissentlich falsche Angaben gemacht haben. Warum die Korruptionsstaatsanwaltschaft und der Journalrichter dem Drängen nachgegeben haben, wird der U-Ausschuss klären müssen.
Innenminister Kickl, der zuvor nie mit Sicherheitsthemen betraut war, soll sich auf seinen erfahrenen Polizeijuristen Goldgruber verlassen haben. Im Innenministerium halten sich hartnäckig Gerüchte, wonach Lett und Goldgruber über Kickls Aufträge ein Vielzahl an Aktenvermerken angelegt haben sollen.
Kickls Speerspitze
Goldgruber selbst galt stets als untadeliger Jurist. Er hat jahrelang unter den „Wünschen“ des ÖVP-geführten Kabinetts gelitten, sagen Vertraute zum KURIER. Unter Kickl sah er seine Zeit gekommen. Der Steirer gilt als einziger FPÖ-Mann in der Exekutive, der die geplante große Polizeireform zuwege bringen könnte.
Bleibt Kickl als möglicher Verantwortlicher für das Debakel. Glaubt man Insidern, dann hat dieser aber nur den Wunsch der FPÖ ausgeführt, das verhasste BVT zu zerschlagen. „In den Koalitionsverhandlungen ging es beim Thema Inneres zu 80 Prozent um den Umbau des Verfassungsschutzes“, behauptet ein Involvierter. Auch die FPÖ-nahe Plattform unzensuriert.at hatte das BVT seit Jahren im Visier.
Kommentare