ORF-"Wahlfahrt": Wenn der Kasperl nur Beifahrer ist

ORF-"Wahlfahrt": Wenn der Kasperl nur Beifahrer ist
TV-Kritik: Irmgard Griss und Richard Lugner zeigen in Polit-Road-Movie unterschiedliche Zugänge zu Humor.

Erst wenn die rot-weiß-rote Schärpe bei Irmgard Griss sitzt, kann Chauffeur Hanno Settele losfahren. Denn der Sicherheitsgurt für die Beifahrerin ist als staatsmännische Schleife gestaltet. Das ist eine der liebevoll gestalteten Neuerungen, mit denen die erfolgreiche ORF-nterview-Serie "Wahlfahrt" am Donnerstag in ihre dritte Runde gestartet ist. Im edlen schwarzen Retro-Mercedes nehmen in Staffel 3 die sechs Kandidaten für die Bundespräsidentschaft Platz. Auch Baumeister Richard Lugner ist dabei, der bei den Kurz-Zweier-Duellen im ORF zwar außen vor bleibt, für ein lockeres Polit-Format mit spielerischen Elementen aber offenbar relevant genug ist.

Kasperl-Frage

Die seit einem Armin-Wolf-Interview heiß diskutierte Kasperl-Frage stellt freilich auch Settele. "Wer ist jetzt der Lugner?" will der bestens gelaunte Interviewer wissen. "Ich bin ein erfolgreicher Unternehmer und nebenbei lustig, wenn ich eine Privatperson bin," sagt Lugner. Man könnte einwenden: Privatleben und Geschäft sind bei dem Reality-Soap-Darsteller längst miteinander verschmolzen. Dennoch gibt sich Lugner Mühe, die Fragen nach seinem Amtsverständnis seriös zu beantworten. Beim Ratespiel "Jo, darf der/die denn dös?", wo nach den Kompetenzen des Bundespräsidenten gefragt wird, kann er aber im Vergleich mit der ehemaligen Höchstrichterin Griss nur den Kürzeren ziehen.

Gut kennt sich Lugner dafür mit dem Artikel 7 in der Bundesverfassung aus ("Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. ..."). Mit diesem Gesetzestext erklärt der Baumeister, warum er in den 1970er-Jahren kein Problem damit hatte, in Wien eine Moschee zu errichten. Lugner erwähnt auch, dass Behinderungen mittlerweile in den Artikel 7 aufgenommen wurden, die sexuelle Orientierung allerdings nicht. Eine solch vorurteilslose Einstellung kann Lugner in der Gesellschaft offenbar nicht beobachten. Stünde statt einer deutschen Frau eine Rumänin an seiner Seite, wäre das seiner Wahl-Kampagne nicht zuträglich, sagt Lugner.

Die heitere Seite

Settele gelingt es, kantige Fragen mit einem lockeren Plauderton zu verbinden. Da wird auch der "Kasperl" zum angenehmen Gesprächspartner. Bei seinem Wahlkampf-Rap hat es der liberale Lugner aber etwas zu locker genommen, befindet Settele und zitiert: "Wenn die Regierung Scheiße baut, wird sie einfach ausseg'haut". Lugner rechtfertigt sich, dass er den Text erst direkt bei den Aufnahmen zu Gesicht bekommen habe. Das wirkt ebenso leichtfertig wie die Anekdote, er habe die Entscheidung für eine Kandidatur spontan am Frühstückstisch mit Gattin Cathy getroffen - auf Anregung einer Gratiszeitung. Aber: "Es ist ja nichts Schlechtes, man kann ja nicht immer nur todernst sein, man muss ja a bissl des Leben von der heiteren Seite nehmen", erklärt Lugner.

Dass er dann erzählt, ein von ihm beauftragtes Institut hätte angeboten, eine Umfrage "a bissl zu färben", kann man als kleinen Stolperer verbuchen. Lugner habe dies nach eigener Aussage abgelehnt; aber jenes Institut, das mit einer Umfrage im Februar die Grundlage für Lugners Entscheidung geliefert hat, dürfte diese Erwähnung eher nicht humorvoll aufnehmen.

ORF-"Wahlfahrt": Wenn der Kasperl nur Beifahrer ist
Wahl 16: "Wahlfahrt - Auf zur Hofburg", Hanno Settele mit seinen Kandidaten auf dem Weg zur Hofburg.Im Bild: Hanno Settele, Ing. Richard Lugner. SENDUNG: ORF eins - DO - 31.03.2016 - 20:15 UHR. - Veroeffentlichung fuer Pressezwecke honorarfrei ausschliesslich im Zusammenhang mit oben genannter Sendung oder Veranstaltung des ORF bei Urhebernennung. Foto: ORF/Milenko Badzic. Anderweitige Verwendung honorarpflichtig und nur nach schriftlicher Genehmigung der ORF-Fotoredaktion. Copyright: ORF, Wuerzburggasse 30, A-1136 Wien, Tel. +43-(0)1-87878-13606

Der Ruf der Irmgard Griss

"Ich habe mir in meinem bisherigen Leben nicht den Ruf erworben, humorlos zu sein", betont Griss, nachdem Settele bereits mehrmals nach ihrer "heiteren Seite" gebohrt hat. Zum Humor scheint Irmgard Griss aber einen speziellen Zugang zu haben. Das Spiel "Errate die Nationalhymne" bereitet der unabhängigen Kandidatin sichtlich Unwohlsein. Auch der Trompeter, der bei jedem Zwischenstopp die Ankunft Griss' ankündigt, scheint ihr zu schaffen zu machen. Immerhin erfahren wir, dass Griss sich, wenn sie als Obst leben müsste, ein Dasein als Apfel vorstellen könnte.

Ihre politischen Anliegen bringt Griss seriös über die Rampe. Beim Thema geschredderte Hypo-Akten wird die ehemalige Leiterin der Untersuchungskommission allerdings etwas unwirsch. Überhaupt scheint Griss mehrmals aus allen Wolken zu fallen, weil ihr unangenehme Fragen gestellt werden. In der Mediendemokratie ist sie noch nicht angekommen. Griss sieht nicht fern, wie sie zugibt.

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Wahl 16: "Wahlfahrt - Auf zur Hofburg", Hanno Settele mit seinen Kandidaten auf dem Weg zur Hofburg.Im Bild: Dr. Irmgard Griss, Hanno Settele. SENDUNG: ORF eins - DO - 31.03.2016 - 20:15 UHR. - Veroeffentlichung fuer Pressezwecke honorarfrei ausschliesslich im Zusammenhang mit oben genannter Sendung oder Veranstaltung des ORF bei Urhebernennung. Foto: ORF. Anderweitige Verwendung honorarpflichtig und nur nach schriftlicher Genehmigung der ORF-Fotoredaktion. Copyright: ORF, Wuerzburggasse 30, A-1136 Wien, Tel. +43-(0)1-87878-13606

Griss wird nicht warm mit Settele

So ungelenk diese Unbedarftheit in Sachen Telegenität lange Zeit wirkt, so sehr kommt sie Griss am Ende der Sendung zu Gute. Sie versucht erst gar nicht zu verbergen, dass sie mit der Settele-Situation nicht warm wird. "Ja, ich tu' mir da irgendwie schwer mit Ihnen", gesteht Griss. "Ihr Zugang jetzt in bestimmten Fragen, es ist für mich nicht ganz leicht, das zu entschlüsseln". Settele antwortet: "Ich habe irgendwie das Gefühl, dass wir Sie, mit allem was nicht zu hundert Prozent ernst ist, eher plagen." Griss: "Ich weiß nicht, ob das der richtige Ausdruck ist, 'Plagen'. Aber ja, ich unterhalte mich über ein Thema gerne seriös, das muss ich schon ehrlich sagen."

Dass mit offenem Visier und ohne unnötigem PR-Beiwerk drauf los geredet wird, ist auch das Verdienst Setteles und seiner "Wahlfahrt". Es wäre schade, wenn der ORF-Mann nach der Hofburg-Ausgabe tatsächlich nicht mehr zum Lenkrad greift. In der "ZiB 24" am Mittwoch hat er aber zumindest nicht dementiert, dass Planungen für die nächste Nationalratswahl laufen könnten.

INFO: Folge 1 von "Wahlfahrt - Auf zur Hofburg" zum Nachschauen auf tvthek.orf.at.
Weiter geht es mit Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer am Dienstag, 5. April um 20.15 auf ORF eins. Den Abschluss besorgen am 7. April zur gleichen Sendezeit Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol.

Mit im Schnitt 432.000 Zuschauern und 16 Prozent Marktanteil (22 bzw. 26 Prozent in den jungen Zielgruppen) erreichte die erste "Wahlfahrt" zur Bundespräsidentenwahl laut Angaben des ORF den bisherigen Höchstwert des TV-Formats. Die Ausgabe mit Irmgard Griss und Richard Lugner war aber auch die erste Folge, die im Hauptabendprogramm ausgestrahlt wurde.

Österreich steht eine spannende Wahl bevor. Nachdem erstmals seit 1998 wieder mehr als fünf Kandidaten um den Einzug in die Hofburg rittern, haben sich auch die TV-Sender in Stellung gebracht. Wobei es durch die Vielzahl der Bewerber diesmal nicht zu ausgedehnten Zweier-Konfrontationen kommt.

ORF setzt auf "Wahlfahrt", Kurzduelle und Elefantenrunde

  • Kurze Zweier-Konfrontationen: Im ORF verzichtet man daher auf ausgedehnte Zweier-Duelle, dafür gibt es komprimierte, 15 Minuten dauernde Kurz-Konfrontationen zu vorgegebenen Themen. Am 14. April (20.15 Uhr, ORF 2) startet mit "2 im Gespräch" das neuartige Vorwahl-Format. Als Moderatoren kommen dabei abwechselnd Tarek Leitner und Marie-Claire Zimmermann zum Einsatz.
  • Ausführlich zu Wort kommen die Bewerber um das höchste Amt im Staate außerdem in den "Pressestunden".
  • "Wahlfahrt" mit Settele: Ab 31. März kutschiert Hanno Settele wieder die Kandidaten durchs Land, und zwar an insgesamt drei Terminen (20.15 Uhr, ORF eins). Das Format hatte zur Nationalratswahl 2013 seine Premiere gehabt und mit einigen skurrilen TV-Momenten erfreut, auch bei der EU-Wahl war es gut angekommen.
  • Elefantenrunde: Nicht fehlen darf bei einer Wahl die sogenannte Elefantenrunde, die der ORF freilich nicht so nennt. Die "Runde der Kandidatinnen und Kandidaten" wird von Ingrid Thurnher geleitet und findet am 21. April um 20.15 Uhr in ORF 2 statt.
  • Bürgerforum zur Stichwahl: Dass es heuer eine Stichwahl gibt, gilt als wahrscheinlich. Die Bewerber der Endrunde werden am 17. Mai in ein "Bürgerforum" mit Peter Resetarits geladen.
  • Finales Duell: Dann gibt es doch noch ein klassisches "Duell", nämlich die finale TV-Konfrontation am 19. Mai.
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Hanno Settele, Wahlfahrt

Puls 4 mit Elefantenrunde und "Assessment-Center"-Duellen

  • "Elefantenrunde" im Privatsender: Puls 4 zeigt am 3. April im Rahmen seiner "TV-Wahlarena" eine "Elefantenrunde" zur Bundespräsidentenwahl. Alle Kandidaten, die bei der Wahl am 24. April antreten, diskutieren vor Live-Publikum im Hauptabendprogramm des Senders. Ein eigens zusammengestelltes Seher-Panel bewertet während der Sendung, welcher Kandidat am überzeugendsten war.
  • Neues Format: Außerdem präsentiert der Privatsender ein neues Wahlformat: das "Puls 4 Assessment-Center" am 11. und 18. April um jeweils 22:35 Uhr. Je zwei Kandidaten werden in einem direkten Duell mit realistischen Situationen konfrontiert. Die Politiker müssen dabei erklären, wie sie reagieren würden. Ein unabhängiges Experten-Panel soll die Zugänge der Kandidaten analysieren. Dabei tritt nicht jeder Kandidat gegen jeden an, sondern die Duell-Partner werden redaktionell ausgewählt.
  • Polit-Talk: Seit 13. März sind die Kandidaten zudem jeweils sonntags um 18:50 Uhr im Polit-Talk "Wie jetzt? Puls 4 fragt nach" bei Puls 4-Infochefin Corinna Milborn zu Gast.
  • Einzelauftritte im Vorabend: Zum Wahlkampfabschluss tritt in der Woche vor der Wahl ab Montag, 18. April, täglich ein Kandidat in den "Puls 4 News" um 18:45 Uhr auf.
  • "Wahlschauen" am 24. April: Am Wahltag selbst bringt Puls 4 das bei der Wien-Wahl erstmals gezeigte Format "Wahlschauen", bei dem Experten, Politiker, Stars, Künstler und Puls 4-Seher den Ausgang der Wahl im Studio und via Twitter verfolgen.
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Puls4-Infochefin Corinna Milborn im „Pro/Contra“-Studio. Dort gastiert heute Sebastian Kurz

ATV mit "Klartext"-Spezialausgaben und Lugner-Soap

  • Fünf Mal "Klartext spezial": Der Privatsender ATV bringt fünf Spezialausgaben seines Polit-Talks "Klartext". Ab 14. März befragt "Klartext"-Moderator Martin Thür jeden Montag die potenziellen Staatschefs getrennt voneinander. Die Interviews finden im Prunksaal der Nationalbibliothek im Wiener Hofburg-Ensemble statt, wie bei der Wien-Wahl wieder vor einem großen Touchscreen-Tisch.
  • Einzelauftritte im Hauptabend: In der Woche vor dem ersten Wahlgang treten die Kandidaten ab Montag 18. April um 20.05 Uhr dann noch einmal live in der Nachrichtensendung "ATV Aktuell - Das Wichtigste vom Tag" auf. Wahlentscheidungen werden bekanntlich sehr spät getroffen, daher widme ATV in der Woche vor dem ersten Wahltag seine tägliche Nachrichtensendungen noch einmal allen Anwärtern.
  • Intensiver Wahltag: Am 24. April und bei der wahrscheinlichen Stichwahl am 22. Mai zeigt ATV klassische Wahltagsberichterstattung: "ATV Meine Wahl" mit Hochrechnungen, Wahltagsbefragungen, Analysen, Reaktionen aus den Wahlkampfzentralen der Kandidaten, Hintergrundberichten und Live-Diskussionen.
  • Zusätzlicher "Klartext": Neben "Klartext Spezial" zur Bundespräsidentenwahl bringt ATV im Rahmen der neuen "Klartext"-Staffel vier bis fünf weitere Ausgaben zu aktuellen Themen. Eine gravierende Programmänderung gibt es dabei punkto Sendezeit: Der imagestarke Polit-Talk des Privatsenders beginnt künftig erst eine Stunde später um 23.30 Uhr. Auf dem ursprünglichen Sendeplatz des 20-minütigen Diskussionsformats setzt ATV nun offenbar auf quotenträchtigere Reportage-Formate.
  • Doku-Soap mit Lugner: Parallel mit der Pressekonferenz von Baumeister Richard Lugner, gab der Sender bekannt, dessen Präsidentschaftswahlkampf eine Doku-Soap zu widmen. ATV begleitete den Societylöwen mit der Kamera beim Sammeln der 6.000 Unterschriften, die es braucht, um es überhaupt auf den Wahlzettel zu schaffen. ATV machte daraus vier Folgen "Die Lugners: Mörtel for Präsident?" Ausgestrahlt wurden die Episoden aber erst nach Ablauf der Frist, um den Wahlkampf nicht allzu stark zu beeinflussen.
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Smartes  Journalistengesicht bei „Klartext“ (22.25 Uhr): ATV-Journalist Martin Thür.

"ServusTV": Wahltag mit Meinungsforscher

Bei ServusTV stehen bisher auf Anfrage folgende Programmpunkte fest: Das "Servus Journal" plant ausführliche Kandidatenporträts in der Woche vor der Wahl sowie eine umfangreiche Sondersendung am Wahltag (ab 16:30 Uhr). Experte im Studio ist OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Darüber hinaus will man den Zusehern Innovationen im grafischen Bereich bieten.

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