Bundesheer: "Die Motivation ist unsere Lebensversicherung"

Bundesheer: "Die Motivation ist unsere Lebensversicherung"
Zwei Offiziere - ein Berufs- und ein Milizoffizier – erzählen über ihre Zeit beim Bundesheer und ihre ungebrochene Motivation.

„Ich bin im Herbst 1978 eingerückt, wollte ursprünglich Milizoffizier werden und später Veterinärmedizin studieren“, sagt Oberst Rudolf Kury im KURIER-Gespräch. Mittlerweile ist der 59-jährige Kärntner Kommandant des Jägerbataillons 26, einem Hochgebirgs-Verband. „Im Zuge der Ausbildung habe ich beschlossen, auf die Theresianische Militärakademie zu gehen, wo ich dann als Gebirgsjäger-Offizier ausgemustert bin. Und das bin ich nach wie vor mit Begeisterung. Trotz der Rahmenbedingungen, die derzeit herrschen.“

Als Kury das Soldatenhandwerk erlernte, herrschte der Kalte Krieg. „Die österreichische Politik hat viele Verteidigungsanstrengungen unternommen, es war das Zeitalter der Raumverteidigung. Wir waren davon überzeugt, dass wir mit dieser Taktik durchaus Erfolg haben können, dass der Warschauer Pakt es sich zweimal überlegt, Österreich anzugreifen und so in den süddeutschen Raum vorzudringen“, erinnert er sich.

Bundesheer: "Die Motivation ist unsere Lebensversicherung"

Oberst Rudolf Kury

Auch Oberst Mario Mikosch, heute 55 Jahre alt, wurde aus derselben Überzeugung Soldat: „Es gab eine umfassende Landesverteidigung mit Detailbereichen wie beispielsweise der geistigen Landesverteidigung. In der Schule wurden wir ausführlich über das Bundesheer informiert. Es war damals einfach normal, dass man zum Heer geht.“

Bundesheer: "Die Motivation ist unsere Lebensversicherung"

Oberst Mario Mikosch

Verhältnis 700 zu 45

1983 rückte der Kärntner Mikosch ein, als er als Milizleutnant ausmusterte, stand er mit 700 jungen Milizoffizieren am Antreteplatz der Theresianischen Militärakademie. Heuer waren es 45.

In seinem Erstberuf ist Mikosch Beamter in der Kärntner Landesregierung, aber nach wie vor begeisterter Milizoffizier. „Natürlich geht viel Zeit dafür drauf, es gab auch schon den einen oder anderen Urlaubstag, den ich dafür aufgewendet habe – aber das ist es mir absolut wert“, sagt der Kommandant des Jägerbataillons Kärnten.

Im Gegensatz zu seinen Anfangszeiten haben sich die Abläufe von Milizübungen drastisch verändert: „Allein in Kärnten gab es damals 15 Milizbataillone (heute gibt es österreichweit zehn, Anm.), sieben bis acht Bataillone haben pro Jahr geübt. Es war damals einfach normal. Man musste nicht ein Jahr vor der Übung mit der Planung beginnen, vor allem im logistischen Bereich. Heute muss ich die Fahrzeuge aus ganz Österreich anfordern, damals waren sie einfach da.“

Auch Oberst Kury konnte früher aus den Vollen schöpfen: „Als ich Kompaniekommandant war, hatten wir mehr Fahrzeuge in der Kompanie, als ich sie heute im ganzen Bataillon habe.“ Und was, wenn er rasch in den Einsatz muss? „Heute kann ich eine einzige Kompanie rasch in den Einsatzraum verlegen. Den Rest müsste ich in angemieteten Großraumbussen nachbringen.“

Schutz nicht möglich

Einen zweiten gravierenden Unterschied ortet Kury in der verkürzten Ausbildungszeit: „Dass wir den Grundwehrdienst auf sechs Monate reduziert haben, ist schon ein wesentlicher Einschnitt.“ Noch dazu müssen die meisten Grundwehrdiener in den „Sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz“. „Wir kommen daher nicht mehr dazu, die notwendigen Fähigkeiten herzustellen. Derzeit wäre es mir unmöglich, mit meinem Bataillon eine Schutzoperation durchzuführen, also kritische Infrastruktur zu schützen“, stellt Kury klar.

Das habe automatisch Auswirkungen auf die Miliz: „Die Mannschaftsdienstgrade haben die notwendigen Fähigkeiten nicht und somit müssen wir auch auf den Milizübungen klein anfangen und ihnen erst diese Fähigkeiten beibringen.“

Ein weiteres großes Problem ist für beide Kommandanten der Mangel an Gerät. „Da geht es nicht nur um die Mobilität, es geht auch darüber hinaus. Wir können nicht einmal mehr den Kaderpräsenzeinheiten die moderne Ausrüstung bieten, die ihnen zusteht“, sagt Kury. „Als Gebirgsjäger haben wir nur für die Hälfte unseres Kaders die notwendige Gebirgsausrüstung.“

Oberst Mikosch spürte die budgetären Einschnitte zum ersten Mal zu Beginn der Nullerjahre: „Das Heer lebt seit 30 Jahren von der Substanz. Die ganzen Fahrzeuge, die Waffen, das Gerät, die wurden mit Masse in den 70ern und 80ern angeschafft. Dann gab es zahlreiche Bundesheer-Reformen, wo Bataillone zusammengelegt wurden.“

2006 wurden etwa zwei Milizbataillone in Kärnten zusammengeführt – daraus entstand das Jägerbataillon Kärnten. „Damals war unser Lager voll, mittlerweile sind wir extrem ausgedünnt und das ist für ein reiches Land wie Österreich schon sehr peinlich. Wir haben nichts mehr. Unsere Funkgeräte sind uralte Systeme“, beklagt Mikosch.

Von Mitte der 90er-Jahre an habe es immer wieder Reformen oder Strukturanpassungen gegeben, die jedoch nie umgesetzt worden seien.

„Substanz am Ende“

Nun sei die Substanz jedoch am Ende. „Ein Pinzgauer ist 45 Jahre alt, die Hubschrauber, die Saab 105, die Panzer – das wird in den nächsten Jahren wegfallen. Im Bericht ‚Unser Herr 2030‘ geht es ja nicht darum, dass man aufrüstet, sondern darum, das Gerät, das wir jetzt haben, zu ersetzen. Es ist ja ein Wahnsinn, dass wir mit Hubschraubern fliegen, die 50 Jahre alt sind“.

Kury spürte den Spardruck ebenso erstmals so richtig zu Beginn der Nullerjahre: „Da kam dann auch die Idee mit der Berufsarmee auf, denn man konnte sich die Miliz nicht mehr leisten. Viele glaubten, dass eine Berufsarmee so viel günstiger wäre, ohne das von unabhängiger Stelle berechnen zu lassen“.

Aufgrund des Sparkurses wurden ganze Waffensysteme ausgespart, nur noch an wenigen Orten ausgebildet. Kury: „Man dachte, es sei ausreichend, die Kompetenzen in ein paar Waffengattungen zu erhalten. Aber wenn ich beispielsweise in einem Hochgebirgsbataillon für fünf Jahre keine Gebirgsausbildung mache, brauche ich mindestens fünf Jahre, diese Kapazitäten wieder so aufzubauen, damit das alle beherrschen. Es ist in den vergangenen Jahren sehr viel Wissen verloren gegangen“.

Beide Offiziere sind jedoch begeistert von der Motivation ihrer Soldaten. „Für mich ist es ein Wunder, dass die Soldaten nach wie vor so motiviert sind, dass noch so viel Bundesheer da ist“.

Privater Urlaub für Übungen

Und dazu bringt Mikosch ein eindrucksvolles Beispiel: „Zu den Milizübungen kommen Kameraden, die in Malaysia oder Finnland leben. Sie zahlen sich die Anreise selbst. Viele nehmen dafür privaten Urlaub. Genau diese Motivation ist derzeit noch unsere Lebensversicherung“.

Eine Überzeugung, die Oberst Kury teilt. Er ist sich sicher, dass das Bundesheer mit der Motivation der Truppe steht und fällt: „Man muss tagtäglich daran arbeiten – und das schaffen wir. Nur wenn die Motivation aufgrund der Rahmenbedingungen absinkt – und das kann aufgrund der Rahmenbedingungen bald passieren – dann haben wir ein großes Problem.“

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