Blauer Richtungsstreit: Frostige Stimmung nach Russland-Trip

Strache-Vize Haimbuchner sagt, die CSU sei ihm näher als Le Pen.
Dass Strache und Co mit Putin-Leuten kungeln, hat bereits Tradition. Den Kuschelkurs mit Le Pen und Co stellt nun FPÖ-Vize Haimbuchner im KURIER infrage. Das tritt einen heftigen Konflikt los.

Soll die FPÖ enge Kontakte zu rechtspopulistischen Parteien wie dem französischen Front National oder der "Alternative für Deutschland" (AfD) pflegen? Oder wären die Chancen der Blauen größer, wenn sie sich davon distanzieren und pro-europäischer ausrichten würden?

Diese Fragen entzweien gegenwärtig blaue Granden und haben zu einem öffentlichen Schlagabtausch geführt – ein gemeinhin seltenes Ereignis in den blauen Reihen.

Was ist passiert? Wie ist der Konflikt entstanden?

Oberösterreichs FP-Chef Manfred Haimbuchner, der auch Vize-Parteichef ist, hatte am Sonntag in einem Interview mit dem Oberösterreich-KURIER erklärt, dass er die intensiven Beziehungen zum FN und zur AfD kritisch sieht: "Übertriebene Freudensbekundungen aus dem Ausland schaden uns. Vor allem von jenen, die undifferenzierte Haltungen zur EU haben. Ob das nun die AfD oder Marine Le Pen (FN-Chefin) sind." Das würde Bürger teils abschrecken. Die FPÖ müsse "deutlich sagen, dass wir einen anderen Standpunkt zur EU haben". Die Partei müsse "überlegen", ob sie nicht eine EU-Position wie die bayerische CSU einnehmen solle. Ihm stehe die CSU "zweifellos" näher als Marine Le Pen.

Bei der Parteispitze kam das nicht gut an. FPÖ-Chef und Le-Pen-Fan Heinz-Christian Strache stellte zunächst infrage, ob Haimbuchner das tatsächlich gesagt hat. Der Oberösterreicher nahm aber nichts davon zurück. Er postete das KURIER-Interview sogar auf seiner Homepage. Strache konterte via Facebook: "Die FPÖ steht voll und ganz zu ihren europäischen Partnerparteien." Er erinnerte auch daran, dass es dazu einen Beschluss des Bundesparteivorstandes (dem Haimbuchner angehört) gebe. Kurzum: "Die FPÖ geht sicher nicht auf Distanz zur AfD und Marine Le Pen." Partei-General Harald Vilimsky ätzte: "Wir arbeiten lieber mit Powerfrauen wie Marine Le Pen und Frauke Petry (AfD-Chefin) zusammen als mit FPÖ-Hassern vom Schlage eines Manfred Weber (CSU-EU-Mandatar).

Kalkül vs. Pragmatismus

Welcher Kurs ist für die Blauen zielführender? FPÖ-Ideologe Andreas Mölzer versucht, die Konfliktlinien zusammenzuführen: "Ich glaube, dass die FPÖ in jeder patriotischen Partei einen Verbündeten hat." Dazu würden der FN und die holländische PVV zählen – "und bisweilen ist auch die CSU eine Partei, die gegen Brüssel Töne laut werden lässt". Mölzer analysiert aber auch, dass Haimbuchners Haltung mit dessen Funktion als Vizelandeshauptmann zusammenhänge. Wenn man in Oberösterreich regiere, sei es naheliegend, dass man sich um "ein konstruktives Verhältnis mit dem Nachbarn" bemühe. Also reines Kalkül? "Nein, pragmatische Vernunft."

Polit-Insider sehen noch einen anderen, möglicherweise triftigeren Grund. Haimbuchner hat Chancen, bei der nächsten Wahl Platz eins zu erreichen und Landeshauptmann zu werden. In Umfragen liegt die FPÖ knapp hinter der ÖVP. Der FP-Chef muss Erster zu werden. Ein strikter Anti-EU-Kurs wäre da hinderlich, auch die teils FPÖ-affinen Industriekreise würden eine solche Ausrichtung gewiss nicht goutieren.

Bisher kamen die blauen Anbandelungsversuche mit Moskau selten über informelle Treffen hinaus. Am Montag brachten FP-Chef Heinz Christian Strache und seine Kollegen Norbert Hofer, Harald Vilimsky und Johann Gudenus jedoch mehr als das obligatorische Selfie nach Hause – sie hatten ein "Arbeitsübereinkommen" mit der Putin-Partei "Einiges Russland" im Gepäck; abgesegnet vom obersten Parteigremium, unterzeichnet vom Vizesekretär des Partei-Generalrats, Sergej Schelesnjak. Er ist in der Putin-Partei für internationale Kontakte zuständig und steht seit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland auf der EU-Sanktionsliste.

Eingefädelt wurde das Treffen bereits im Oktober vom Linzer FP-Vizebürgermeister Detlef Wimmer, der in Polizeikreisen als einer der Organisatoren des als Treffens "rechtsextremer Abendlandretter" eingestuften Kongresses der "Verteidiger Europas" und als rechter Hardliner gilt.

"Patriotismus stärken"

Ziel, so steht es in der zehn Punkte umfassenden Vereinbarung, ist eine Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Handel und Investitionen, sogar eine "Stärkung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude" soll das Abkommen bringen.

Es ist ein ebenso neuer wie umstrittener Höhepunkt in der Beziehung zu Russland. 2014, direkt im Anschluss an die russische Annexion der Krim, nannte Strache Putin einen "reinen Demokraten". Wiens Vizebürgermeister Gudenus spricht fließend Russisch und durfte in Moskau schon einmal gegen die Homosexuellenlobby in Europa wettern – er redete damit den Russen das Wort, für die das in ihren Augen schwule, sprich weiche, Europa ein Lieblingsgegner ist.

Umgekehrt gilt der Putin-Vertraute Alexandr Dugin als Freund der FPÖ, war in der Vergangenheit zu zahlreichen Vernetzungstreffen und Vorträgen der FPÖ eingeladen. Strache sieht das Abkommen denn auch als "Stärkung der FPÖ" – und als Beweis, dass seine Partei international an Einfluss gewinne. Die SPÖ spricht angesichts der angespannten außenpolitischen Lage in Syrien von einem "jenseitigen Pakt", auch von der ÖVP kommt scharfe Kritik.

Für Russland dürfte ein anderes Argument im Vordergrund gestanden sein. Petr Tolstoj, der stellvertretender Sprecher der Duma, erklärte, dass es für seine Partei an Vertrauen zwischen Russland und der EU mangle – man setze daher auf den Dialog mit einzelnen Parteien, die Russland freundlicher gesinnt sind.

Gar so eng dürften die neuen Bande nach Russland dann aber doch noch nicht sein. In einer Aussendung hielt Schelesnjak zunächst Strache und nicht Hofer für den FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidaten und bezeichnete den FPÖ-Chef konsequent als "Hanz-Christian Strache".

(Karl Oberascher)

Den Rücken in eine weiche Sessellehne gedrückt, fläzt Reinhold Mitterlehner jetzt in einem Fauteuil, und wer den ÖVP-Chef ein wenig kennt, der weiß: Der Vizekanzler ist entspannt – für seine Verhältnisse eben.

In einem Dachterrassen-Lokal hat die Volkspartei zum Brunch geladen. Hoch über den Dächern ist der Lärm der Großstadt nun weit entfernt, und irgendwie gilt das auch für viele Probleme, die den Parteichef und seinen Generalsekretär Werner Amon in den vergangenen Monaten gequält haben.

Der Streit in der Koalition? Der Dauerwahlkampf? Die seit Monaten wieder und wieder gestellte Frage, wer denn nun in der Volkspartei die Hosen anhabe?

All das ist kurz vergessen, mehr noch: Es scheint beinahe überwunden.

Zugegeben, in der Koalition lief es bis zuletzt nicht rund. "Es war ein durchwachsenes Jahr", sagt Mitterlehner. Der angekündigte New Deal sei keiner, und man habe den Blick auf herzeigbare Reformen oft selbst verstellt.

Aber, und das ist die gute Nachricht, die man bei Eierspeise und Bircher-Müsli loswerden will: Es geht bergauf.

Als Indizien für den Befund nimmt Amon die Umfragen ("Sie erholen sich leicht") und die Stimmung in den Wahlkreisen. Der schier nicht zu bändigende Populismus habe, so meint der Steirer Amon, den Höhepunkt erreicht: "Es gibt wieder eine Sehnsucht nach Seriosität."

Ein "Peak Populismus" also? Wer weiß das schon.

Außer Zweifel steht, dass sich der vielfach abgeschriebene Mitterlehner in seinem Kurs bestätigt fühlt. Und zwar kräftig. Nicht nur, was die Empfehlung für Pro-Europäer Alexander Van der Bellen angeht, sondern in vielerlei Hinsicht.

Da ist zunächst die Flüchtlingspolitik. Vor knapp einem Jahr, bei der Partei-Klausur in Bad Leonfelden, hatte Außenminister Sebastian Kurz nur im kleinen Kreis erklärt, man wolle die "Balkanroute" sperren. Was damals utopisch klang, wurde Realität. Österreich etablierte sich als, wenn auch polarisierender, Player. "Aber wir haben Europas Entscheidungen verändert", sagt Mitterlehner. Womit der Vizekanzler beim Stichwort ist: Europa.

Es ist an diesem Vormittag unüberhörbar, dass der Parteiboss seiner Bewegung ein neues Wording in Richtung FPÖ verpassen will.

Ausgrenzen? Das nicht. "Aber wir müssen uns deutlich abgrenzen von der FPÖ."

Mit einer Partei, deren Führer ausgerechnet in der schlimmsten Kriegswoche in Aleppo "Weihnachtstrips" nach Moskau unternehmen, sei kein Staat zu machen, lautet die Botschaft. "Was Strache macht ist extrem unsensibel", sagt Mitterlehner.

Die SPÖ ist einmal außen vor. Streit mit dem Kanzler bringe nur etwas im Wahlkampf, heißt es. Und wenn es so weit sein sollte, gäbe es ohnehin ausreichend Themen wie etwa die Maschinen- und Erbschaftssteuer. "In der Auseinandersetzung mit der SPÖ haben wir Routine", sagt Mitterlehner nicht ohne Ironie. "Das haben wir ja die vergangenen 60 Jahre gemacht."

(Christian Böhmer)

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