Aufruhr im Regierungsviertel: Wenn der Staatsanwalt viermal klingelt
Aufregung im Regierungsviertel in der Wiener Innenstadt. In einer Dichte, wie es sie wohl selten zuvor gegeben hat, bekommen derzeit höchste Institutionen der Republik Besuch vom Staatsanwalt.
Binnen 24 Stunden haben Vertreter von Staatsanwaltschaften das Finanzministerium, dessen angeschlossenes Bundesrechenzentrum, den altehrwürdigen Verfassungsgerichtshof auf der Freyung und spektakulärerweise sogar das Justizministerium zum Schauplatz von Ermittlungen gemacht.
Der einst mächtige Chef der Strafsektion im Justizministerium, Christian Pilnacek, ist nun selbst unter Verdacht geraten. Der Spitzenbeamte ist seit Donnerstag Früh sein Handy los.
Der ehemalige Justizminister und derzeitige Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter musste sein Notebook aushändigen.
Im Finanzministerium werden Unterlagen in Bezug auf Verbindungen der ÖVP mit dem Novomatic-Steuerakt in Italien ausgeforscht und sichergestellt.
Der Generalprokurator der Republik, Wolfgang Peschorn, ficht mit den Ermittlern wegen beabsichtigter „Sicherstellungen“ im Bundesrechenzentrum.
Heilige Hallen
Die Verfassungshüter, die sich gerade zu ihrer Frühjahrssession versammelt hatten, verbaten sich am Donnerstag übrigens die justizielle „Amtshandlung“ in ihren heiligen Hallen, die Übergabe des Notebooks musste in einer Anwaltskanzlei stattfinden.
Was ist da los? Erleben wir einen Krieg zwischen Politik und Justiz? Oder ist Österreich wirklich so korrupt und verfilzt, wie es angesichts der vielen Ermittlungen den Anschein hat?
Eines kann man sagen: Ein akkordierter Gegenschlag der Justiz gegen die Politik ist das nicht. Tatsache ist vielmehr: Es sind zwei voneinander unabhängige Ermittlungen im Gang.
Die eine betrifft die „Strafsache Strache“, wie es im Briefkopf der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft heißt. Infolge des Ibiza-Videos (Strache: „Novomatic zahlt alle“) ermittelt die WKStA, ob die ÖVP als Gegenleistung für ein Spenden-angebot bei italienischen Behörden interveniert hat, damit Novomatic dort weniger Steuern zahlen muss. Die ÖVP dementiert sowohl eine Intervention als auch den Erhalt einer Spende.
Geheimnisverrat
Die andere Ermittlung betrifft ein Verfahren gegen den Immobilieninvestor Michael Tojner. Brandstetter und offenbar auch Pilnacek werden verdächtigt, Amtsgeheimnisse an den Beschuldigten verraten zu haben. In diesem Strang der Causa Tojner ermittel nicht die WKStA, sondern die Staatsanwaltschaft Wien.
Die Sicherstellung von elektronischen Geräten und Mails durch die beiden Staatsanwaltschaften sind zufällig zeitlich zusammengetroffen. Und das hat zu dieser Dichte von unangenehmen Besuchen in diversen Amtsgebäuden geführt und zur Folge, dass nach Finanzminister Gernot Blümel erneut Würdenträger ihrer elektronischen Utensilien verlustig gingen.
Auch wenn die Verfahren nichts miteinander zu tun haben – das Verhältnis zwischen ÖVP und Justiz wird dadurch sicherlich nicht entspannter. Brandstetter war auf ihrem Ticket unabhängiger Justizminister – zumindest insofern laufen die Fäden zusammen.
Zweidrittelmehrheit
Die Regierung hat sich vorgenommen, eine Bundesstaatsanwaltschaft als neue Aufsichtsbehörde für die Staatsanwaltschaften einzuführen. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, was eine – wohl langwierige – Einigung von Türkis, Grün und SPÖ voraussetzt (die FPÖ ist gegen den Bundesstaatsanwalt).
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