Asyl: "Schnelle Obsorge" für Minderjährige ist gescheitert

Asyl: "Schnelle Obsorge" für Minderjährige ist gescheitert
Vorfälle in einem Großquartier für Jugendliche in Steyregg machen Defizite deutlich: Es mangelt an Quartieren, Geld – und Verantwortung. Regierung will jetzt zumindest die Kosten neu regeln.

Jugendliche, die einen Müllcontainer anzünden, um das Feuer tanzen und dann die einschreitenden Feuerwehrleute „massivst bedrängen und attackieren“: Dieser Vorfall in einem Asylquartier in Steyregg (OÖ) hat kurz nach Weihnachten für Aufsehen gesorgt. 

Bei einem Sicherheitsgipfel vergangene Woche wurde beschlossen, dass nun die Belagszahl halbiert und die Zahl der Betreuer aufgestockt werden soll.

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Die Maßnahme zeigt ein gewisses Problembewusstsein. Dass es in einem Quartier, in dem 120 Jugendliche aus neun Nationen auf engstem Raum leben und kaum Beschäftigung haben, (wiederholt) kracht, dürfte niemanden überrascht haben.

Verantwortung

Für Asylexperte Lukas Gahleitner-Gertz zeigt die Causa Steyregg einmal mehr, dass Bundeseinrichtungen „nicht kinderadäquat“ seien, wie er sagt. Es fehlt an Platz, Betreuung und Beschäftigung. Die Großquartiere des Bundes sind eigentlich nur als Zwischenstopp gedacht. Gleich nach der Zulassung zum Asylverfahren sollten Asylwerber in kleinere Landesquartiere übersiedeln und dort für die Dauer ihres Verfahrens versorgt werden.

Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern geflüchtet sind, kommen damit automatisch in die Obsorge des jeweiligen Landes – und damit haftet das Land auch, wenn der Jugendliche etwas anstellt. „Alleine aus dieser rechtlichen Verantwortung heraus stellen die Länder eine bessere Unterbringung und Versorgung sicher“, erklärt Gahleitner-Gertz.

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Allerdings: Quartiere, die speziell auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendliche ausgerichtet sind, sind rar. Der Tagsatz für einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling (UMF) von 95 Euro sei nie an die Inflation angepasst worden, deshalb finde sich kaum ein Trägerverein für ein entsprechendes Heim, erklärt er. (Zum Vergleich: Für Waisen, die sich in der Obsorge der Kinder- und Jugendhilfe befinden, gibt es rund 200 Euro am Tag.) 

Und so bleiben viele minderjährige Flüchtlinge eben in Bundesquartieren hängen.

Realkosten

Die Problematik ist nicht neu. ÖVP und Grüne haben in ihrem Regierungsprogramm eine „schnelle Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge durch die Kinder- und Jugendhilfe und Berücksichtigung des Kindeswohls im Asylverfahren“ vereinbart. 

Ein Gesetzesvorschlag, den das Justizministerium im Mai 2022 vorgelegt hat, dürfte aber am Widerstand der Länder gescheitert sein.

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Der Vorschlag ist vom Tisch, wie man hört. Stattdessen liegen nun die Hoffnungen auf einem Projekt von Innenministerium und der Stadt Wien, das im November 2023 gestartet wurde: Bis zum Sommer sollen die realen Kosten für die Versorgung von Asylwerbern evaluiert werden. 

Bund und Länder würden sich die Realkosten dann 60 zu 40 aufteilen. Ob die Länder bereit sind, mehr zu zahlen als jetzt, und sich dann noch genügend Quartiere finden lassen, steht auf einem anderen Blatt.

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