Arbeitslosigkeit: Was man von Dänen lernen kann
Täuscht es? Oder sind die Dänen tatsächlich immer einen Schritt voraus? Jedenfalls werden dänische Modelle verdächtig oft als vorbildhaft bezeichnet: Ob im Pflegebereich, bei der staatlichen Medienförderung, der digitalisierten Verwaltung oder – je nach Standpunkt – in der Migrationspolitik.
Für Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) ist vor allem ein dänisches Modell spannend: die Arbeitslosenversicherung. Kocher reist deshalb Ende Februar nach Kopenhagen, um diese näher unter die Lupe zu nehmen. Eine Woche später findet die große parlamentarische Enquete zur viel erwarteten Arbeitsmarktreform statt.
Welche Inspiration verspricht sich der Minister für sein Mega-Projekt? Ist die dänische Arbeitsmarktpolitik tatsächlich besser?
Schnell und flexibel
Bei der Arbeitslosenquote liegt Dänemark wie auch Österreich laut Eurostat deutlich unter dem EU-Schnitt – zuletzt sogar minimal schlechter (siehe Grafik). Große Unterschiede zeigen sich aber bei der Langzeitarbeitslosenquote. In Europa bringt nur ein Staat Arbeitslose zügiger wieder in Beschäftigung als Dänemark: Schweden. In Dänemark sind rund 20 Prozent, in Österreich nicht einmal zehn Prozent der Arbeitslosen nach einem Monat wieder beschäftigt.
Die Dänen legen den Fokus auf schnelle Vermittlung und Kurzausbildungen von Arbeitslosen, die sechs bis acht Wochen dauern. „Sie haben deutlich mehr Personal im Arbeitsmarktservice als Österreich. Zudem haben Arbeitslose im Vergleich zu Österreich einen Rechtsanspruch auf eine sechswöchige Berufsausbildung“, sagt Gernot Mitter. Der Arbeitsmarkt-Referent der Arbeiterkammer (AK) hat sich das dänische System näher angesehen.
Dänemark setzt auf ein Flexicurity-Modell: Ein flexibler Arbeitsmarkt, wo Arbeitgeber je nach Nachfrage Arbeitskräfte aufnehmen und ebenso schnell wieder kündigen können. Das Jobcenter forciert eine schnelle Reintegration in den Arbeitsmarkt. Nehmen Arbeitslose Angebote nicht an, wird die Unterstützung empfindlich gekürzt. Um anfangs Einkommensverluste abzusichern, liegt die Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld bei 82 Prozent des letzten Monatsgehalts. In Österreich sind es nur 55 Prozent.
Dafür beträgt die maximale Bezugsdauer in Dänemark zwei Jahre innerhalb von drei Jahren und die Bezugshöhe sinkt alle vier Monate um zirka drei Prozent.
In Österreich sinken die Bezüge kaum, nach der Arbeitslosigkeit landet man in der Notstandshilfe. Eine degressive Gestaltung des Arbeitslosengeldes wie in Dänemark ist auch für Kocher vorstellbar. Die Grünen sind gesprächsbereit, doch insistieren: Die niedrigstmögliche Nettoersatzrate muss bei 55 Prozent bleiben (siehe unten).
Möglicher Vorteil des degressiven Modells: Es erzeugt Druck auf Arbeitslose, schneller wieder einen Job anzunehmen. „Einen existenziellen Druck“, kritisiert Mitter. „Studien zeigen, dass Arbeitssuchende als Folge oft Berufe annehmen, wo sie ihre Qualifikation nicht mehr einbringen können. Das degressive Modell vernichtet also Qualifikation, wenn die Nettoersatzrate stark fällt. Damit wird der Mangel an Fachkräften zusätzlich verschärft.“
Idee für Fachkräfte
Wenn es um Fachkräfte geht, hat Dänemark ein ähnliches Problem wie Österreich: Bis 2030 fehlen rund 100.000. Aus Drittstaaten werden sie eher nicht kommen: Die sozialdemokratische Regierungschefin Mette Frederiksen fährt einen rigiden Migrationskurs.
Zwei Aspekte könnten für Kocher in puncto Fachkräftemangel dennoch spannend sein: Dänemark zahlt einen Lohnzuschuss für Unternehmen, die Mitarbeiter für eine Fortbildung freistellen und stattdessen Personen einstellen, die seit sechs Monaten arbeitslos sind. Maximaldauer dieser Jobrotation: sechs Monate. Das senkt die Arbeitslosenquote und fördert Weiterbildungen.
Zudem erhalten Unternehmen Zuschüsse, wenn sie einen Ausbildungsvertrag mit Über-25-Jährigen abschließen oder generell Langzeitarbeitslose ausbilden.
Fazit: Am meisten kann Österreich von Dänemark wohl bei der Vermittlung und Förderung von Arbeitslosen lernen, um Langzeitarbeitslosigkeit vorzubeugen. Eine Anhebung des Arbeitslosengeldes auf skandinavisches Niveau ist aber kein Thema: Denn Dänemark hat europaweit das höchste Durchschnittseinkommen und somit völlig andere Voraussetzungen.
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