Appell von Kanzler Kurz: "Die Lage ist extrem ernst"
Explodierende Infiziertenzahlen, in Österreich und in fast ganz Europa. Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der persönlichen Freiheiten. Wirtschaftskrise und drohende Arbeitsplatzverluste.
Das ist die Situation zum Nationalfeiertag 2020.
Von Freitag auf Samstag hat Österreich eine neue Schwelle durchbrochen: Erstmals haben sich binnen 24 Stunden mehr als 3.000 Personen neu mit dem Coronavirus infiziert. Es sind sogar 3.600.
Anlass für Kanzler Sebastian Kurz, eindringlich an die Bevölkerung zu appellieren: "Wir müssen unser Sozialverhalten ändern. Je konsequenter wir uns verhalten, umso größer ist die Chance, einen zweiten Lockdown zu verhindern."
Drei Regeln legt Kurz der Bevölkerung ans Herz: "Erstens, halten Sie Abstand zu anderen Menschen. Zweitens, tragen Sie die Maske. Drittens, reduzieren Sie Ihre sozialen Kontakte. Erlaubt sind maximal sechs Personen indoor, zwölf outdoor."
"Noch nicht am Maximum der Infizierten angekommen"
Sollten weitere Maßnahmen erforderlich werden, würde die Bevölkerung umgehend informiert. Kurz lässt keinen Zweifel daran, dass er dies für wahrscheinlich hält: "Andere europäische Länder sind uns beim explosionsartigen Wachstum der Infiziertenzahlen um einige Wochen voraus. Aber auch in Österreich beschleunigt sich das Tempo. Von einer Verdoppelung der Neuinfizierungen binnen vier Wochen machen wir gerade den Sprung zu einer Verdoppelung binnen zwei Wochen. Wenn dieser Trend nicht gestoppt wird, bedeutet das nicht im Dezember 6.000 neue Fälle pro Tag, sondern im November."
Es wisse, "dass das viele nicht glauben wollen, aber die Lage ist extrem ernst, die Situation spitzt sich zu." Kurz: "Wir sind bei Weitem noch nicht am Maximum der Infizierten angekommen."
In anderen europäischen Ländern gebe es schon wieder Lockdowns, Schulen, Geschäfte, Restaurants seien geschlossen und Ausgangssperren verhängt. Das steht auch Österreich bevor, wenn das Wachstum der Infiziertenzahlen nicht verlangsamt werde. "Im Moment sieht es nicht danach aus, dass das der Fall ist", sagt der Kanzler.
"Das Virus nervt"
Zum steigenden Unmut über die Beschränkungen sagt Kurz: "Wenn alle in der Bevölkerung einmal davon absehen, dass sie genervt von dem Virus sind und gern wieder das Leben so uneingeschränkt führen würden, wie sie es gewohnt sind, dann haben wir alle dasselbe Ziel, davon bin ich überzeugt: eine Überforderung der Intensivkapazitäten in Österreichs Spitälern zu verhindern, weil wir wollen, dass jeder Mensch, der in eine medizinische Notsituation gerät, ordentlich behandelt werden kann. Dieses Ziel eint uns alle, da bin ich mir sicher."
Darüber hinaus gehe es darum, die Wirtschaftskrise, die diese Pandemie ausgelöst hat, "so gut wie möglich zu überstehen". Diese Ziele gehen Hand in Hand: "Je konsequenter die Regeln eingehalten werden, umso weniger Infizierte, umso weniger Belastung für die Spitäler und umso weniger Schaden für Wirtschaft und Arbeitsplätze."
Das Epidemiegesetz schreibt vor, dass ein Lockdown verboten ist, solange die Intensivkapazitäten in den Spitälern vorhanden sind. Ein Lockdown ist aber sogar verpflichtend, sollte das Gesundheitssystem zu kollabieren drohen. Kurz: "Keine Bundesregierung der Welt kann zulassen, dass Menschen in medizinischen Notsituationen nicht mehr behandelt werden können." Noch sei es in Österreich nicht so weit, aber so Kurz: "Alle, die sagen, wir haben noch kein Problem in unseren Spitälern, die haben heute recht, aber mit der Betonung auf heute."
Mit Anschober "intern reden"
Die Verordnung mit den neuesten Anti-Corona-Regeln tritt mit zwei Tagen Verspätung in Kraft. Gesundheitsminister Rudolf Anschober machte dafür "das Kanzleramt" verantwortlich. Kurz meint dazu vielsagend: "Wenn ich einem Minister etwas zu sagen habe, tue ich das intern."
SPÖ-Kritik? "Gibt Wichtigeres"
Die Kritik der SPÖ-Landeshauptleute, dass die Bundesregierung sie in die Corona-Maßnahmen nicht gleichermaßen einbeziehe wie die türkisen Länder, wischt Kurz beiseite: "Bei uns wird viel über Kleinigkeiten diskutiert, hoffentlich geht dabei nicht der Blick fürs Wesentliche verloren. Wir haben jetzt wirklich andere Probleme."
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