Der Grund dafür dürfte in der Abstimmung zwischen den türkisen und grünen Kabinetten und dem Bundeskanzleramt liegen. Die Abstimmung sei manchmal zeitintensiver, als man das eingeplant hat, erklärte Anschober am Freitag. Man habe schlussendlich "ein hochprofessionelles Paket" vorgelegt, mit dem Hauptziel, eine Kontaktminimierung und somit weniger Ansteckungen herbeizuführen. Die Verordnung sei punktgenau und werde sich positiv niederschlagen, war sich der Minister sicher. "Wichtig ist, dass die Maßnahmen wirken, nicht wann sie publiziert werden."
Doch werden sie das tun? Der KURIER hat mit Experten gesprochen, die die neue Verordnung aus virologischer und juristischer Sicht analysieren.
"Vernünftig"
Zunächst zur vordergründigen Frage: Ist die Verordnung geeignet, um eine weitere Ausbreitung der Corona-Pandemie zu verhindern? Von virologischer Seite kommt grundsätzlich grünes Licht. Sie sei ein "sinnvolles Signal", sagt Virologe Christoph Steininger von der MedUni Wien. Vor allem das anvisierte Verbot von Gesichtsschilden und Kinnvisieren sei aufgrund erwiesenermaßen mangelnder Schutzwirkung „längst überfällig“ gewesen. Effektiv wären Visiere nur, "wenn sie rings um den ganzen Kopf herum dicht abschließen würden, und das ist nicht vorstellbar". Auch, dass sich die Bevölkerung nun wieder verpflichtend am Babyelefanten orientieren muss, sei vernünftig.
Da mit dem Alkoholpegel häufig das Infektionsrisiko steige, seien auch die Einschränkungen beim Konsum prinzipiell nachvollziehbar. "Hier hat man wohl Lehren aus dem bisherigen Verlauf der Pandemie gezogen, Stichwort Après-Ski."
Die Personen-Begrenzung in Innenräumen beruhe in ihrer exakten Ausführung zwar nicht auf wissenschaftlichen Studien, "allerdings wird damit ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass sich nicht zu viele Menschen in einem Raum versammeln sollen", sagt Steininger.
"Zulässig"
Abseits der virologischen Wirkmächtigkeit der neuen Verordnung steht die Frage nach ihrer rechtlichen Gültigkeit im Raum. Nicht zuletzt, weil es bei Verordnungen und Erlässen aus dem Gesundheitsministerium in der Vergangenheit bereits einige juristische Probleme gab und sogar der Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingreifen musste.
Die neue Verordnung sei "im Großen und Ganzen verfassungsrechtlich zulässig", sagt Dominik Prankl. Er ist jener Jurist, der Beschwerde gegen die Corona-Ausgangsbeschränkungen im März einlegte und vom VfGH recht bekam. So habe die Abstandsvorschrift, also der berühmte "Babyelefant", mit dem novellierten Covid-19-Maßnahmengesetz eine Rechtsgrundlage bekommen. Und auch das Verbot von Alkoholkonsum im Umfeld von Lokalen sowie jenes der Gesichtsschilde sei gesetzlich gedeckt.
Bedenken hat Prankl lediglich bei der Sechs-Personen-Regel für private Veranstaltungen. Denn die neue Verordnung nimmt keine Rücksicht auf die Größe der Räumlichkeiten. "Hier sehe ich Ansatzpunkte für den Verfassungsgerichtshof", sagt er. Auch die Relation – sechs Personen im Privatbereich, 1.000 bei professionellen Veranstaltungen – sei schwer nachvollziehbar. Er mutmaßt: Bei Ersterem gehe es um den Schutz der Gesundheit, bei Zweiterem um den Schutz der Wirtschaft. Und: Da es ab sechs bzw. zwölf Personen bereits ein Präventionskonzept brauche, liege der Schluss nahe, dass "man mit diesen bürokratischen Kautelen kleinen Veranstaltern die Lust am Veranstalten nehmen möchte".
Ein Punkt hat den Juristen besonders amüsiert: In der Verordnung wird festgehalten, dass der Mindestabstand nicht "unter Wasser" gilt. "Das ist tatsächlich eine kuriose Regelung, wenn auch rechtlich völlig unbedenklich", erklärt Dominik Prankl. Dieser Punkt sei eigentlich logisch, da es unter Wasser kein Übertragungsrisiko gebe. Und sage deshalb "einiges über die österreichische Bürokratie aus".
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