Mattle: "Bevölkerung muss Einkommen durch Arbeit nicht durch Zuschüsse verdienen"
Nach einer schweren Wahlniederlage mit seiner ÖVP im Herbst 2022 hat Anton Mattle das Amt des Tiroler Landeshauptmanns übernommen und mit der SPÖ eine Koalition gebildet. Vergangene Woche hat er seinen roten Stellvertreter Georg Dornauer verloren, nachdem dieser nach einem publik gewordenen Jagdausflug mit René Benko als Landesrat zurückgetreten ist.
Dass der bisherige SPÖ-Frontmann politisch die Seiten wechseln könnte, glaubt Mattle nicht. Was eine Dreier-Koalition im Bund und die Wirtschaftslage betrifft, gibt sich Mattle optimistisch.
KURIER: Herr Landeshauptmann, wie hoch haben Sie das Risiko bewertet, dass Georg Dornauer über sich selbst stolpert, als Sie vor zwei Jahren eine Koalition mit ihm gebildet haben?
Anton Mattle: Da habe ich mir am Anfang überhaupt keine Sorgen gemacht. Wir haben festgestellt, dass wir gut miteinander können, sind gut hineingestartet und es ist mittlerweile eine Freundschaft entstanden. Dass er und ich sehr unterschiedliche Typen sind, hat sich wohl recht schnell abgezeichnet.
Irgendwann war es dann aber schon so, wenn ich die ein oder andere Sache über Social Media zugespielt bekommen habe, dass sich die Frage gestellt hat: Muss das sein?
Stabilität in der Krise, wie Ihr Arbeitsprogramm betitelt ist, war das zuletzt nicht gerade?
Diese zwei Jahre haben wir sehr stabil gearbeitet. Und selbst als dieses Foto aufgepoppt ist, haben wir trotzdem weitergearbeitet. Wir haben sogar am Tag danach das Budget in der Landesregierung beschlossen.
Dornauer bleibt Landtagsabgeordneter und hält sich alle Optionen für ein Comeback offen. Ist so eines aus Ihrer Sicht denkbar?
Ich stelle fest, dass er ein leidenschaftlicher Politiker ist. Aber Politik ist auch Legislative. Dorthin ist er jetzt zurückgekehrt. Und das ist jetzt sicher für die nächsten Jahre seine Aufgabe.
Die Landes-FPÖ macht ihm bereits Avancen. Haben Sie Sorge, dass Ihr bisheriger Stellvertreter womöglich als Abgeordneter politisch die Seiten wechseln könnte?
Das hat er ja festgehalten, dass er Sozialdemokrat ist.
Im Bund wird an einer Dreier-Koalition gebastelt. Ihr ÖVP-Amtskollege Markus Wallner hat schon im Oktober kritisiert, dass die Regierungsbildung im Angesicht der Wirtschaftskrise viel zu langsam geht. Ihnen auch?
Drei Wochen Verhandlungszeit hat man verloren, weil der Bundespräsident keinen klaren Auftrag zur Regierungsbildung gegeben hat. Ansonsten habe ich den Zugang: Mir ist lieber, es wird ordentlich und tiefgehend verhandelt. Dann kann man in einer Regierung Streitigkeiten ausschließen.
Es ist jetzt schon zugespitzt auf die obersten Verhandler und zu erwarten, dass im Jänner die Ergebnisse präsentiert werden.
In Ihrer Budget-Rede haben Sie höheren oder neuen Steuern indirekt eine Absage erteilt und gemeint, Österreich habe vor allem „ein Ausgabenproblem, wenn man die Zuschussmentalität betrachtet.“ Aber es war doch eine ÖVP-geführte Bundesregierung, die Steuergeld im großen Stil verteilt hat.
Es hat natürlich Krisen gegeben, wo es Unterstützungen gebraucht hat – in der Zeit der Pandemie oder der Zeit der Energiekrise. Aber es hat jetzt zwei ordentliche KV-Abschlüsse gegeben, die Inflation ist wieder auf 1,9 Prozent nach unten gegangen.
Jetzt muss man wieder in den Alltagsmodus zurückkommen. Das bedeutet, dass die Bevölkerung und die Betriebe ihr Einkommen durch Arbeit verdienen müssen und nicht durch Zuschüsse. Trotzdem brauchen wir natürlich auch Impulse, damit die Wirtschaft wieder anspringt.
Aber wenn Sie und die anderen Landeshauptleute einen neuen Verteilungsschlüssel im Finanzausgleich fordern, rufen Sie doch auch nur nach mehr Geld vom Bund.
Über einen vertikalen Verteilungsschlüssel kann man nicht kurzfristig im Rahmen von Finanzausgleichsverhandlungen reden. Das ist ein langes Prozedere, bei dem die Aufgaben entsprechend zugeordnet und bewertet werden müssen. Deshalb ist es notwendig, dass man diesen Prozess rechtzeitig anstößt.
Heißt aber trotzdem, dass Sie mehr Geld wollen.
Die Aufgaben haben sich verschoben und die Demografie gibt vor, wo mehr ausgegeben werden muss. Das ist etwa die Altenbetreuung oder die Gesundheit. Das sind Bereiche, die im Wesentlichen von Ländern und Gemeinden finanziert werden müssen. Deshalb muss das wieder ausgeglichen werden.
Das große Budgetloch, das Magnus Brunner hinterlassen hat, erschwert die Bildung einer Bundesregierung. Wird das noch was mit dieser Dreier-Koalition?
Ich bin in engem Kontakt mit Bundeskanzler Karl Nehammer. Und da gibt es die Rückmeldung, dass alle ganz stark daran arbeiten, eine Lösung zu finden. Ich gehe davon aus, dass das etwas mit der Dreier-Koalition wird.
Für die Neos waren die Landeshauptleute früher „Fürsten der Finsternis“. Was halten Sie davon, dass die Pinken Sie und ihre Kollegen jetzt in die Verhandlungen einbinden wollen?
Interessant. Und wir Landeshauptleute haben das auch eingefordert und bringen uns entsprechend ein.
Wie groß sind Ihre Sorgen ob der trüben Wirtschaftslage?
Ich sehe es nicht so schwarz, es braucht aber Impulse. Wir haben auch durchaus Betriebe in der Industrie, die gut reüssieren. Wenn wir wieder Richtung Wirtschaftswachstum kommen und die Inflation niedrig bleibt, glaube ich, dass wir wieder in die Gänge kommen.
Damit entstehen auch wieder neue Spielräume. Vom Tourismus zumindest weiß man, dass der Sommer gut gelaufen ist und die Buchungslage bis zum Februar eine sehr gute ist.
Ihr Vorgänger Günther Platter hat vor etwa fünf Jahren Steuerautonomie für die Länder gefordert. Hätten Sie die auch gerne?
Dann müsste es ein ordentliches Paket sein. Wenn nur eine Randsteuer ins Land wandert, ist die Verwaltung allein zu viel Arbeit. Wir Bundesländern haben ja keine Steuereinnahmen. Die Kommunalsteuer liegt bei den Gemeinden.
Und die anderen Steuern sind eigentlich beim Bund. Das sind die Einnahmen, die dann nach entsprechendem Schlüssel verteilt werden.
Genau die brechen in der aktuellen Wirtschafslage weg.
Die Wirtschaft schwächelt in manchen Bereichen. Mit der Abschaffung der kalten Progression bleibt den Menschen mehr in der Geldtasche, den öffentlichen Haushalten fehlt aber ordentlich Geld. Für Tirol sind das 150 Millionen Euro. Das macht es enger.
Der ÖVP wurde früher – anders als heute – Wirtschaftskompetenz zugeschrieben. Wie soll Ihre Partei diese wieder erlangen?
Wenn man über viele Jahre in verschiedenen Koalitionen mitarbeitet oder in Führung ist, passiert es auch, dass eigene Ecken und Kanten etwas abgeschliffen werden. Gerade jetzt braucht es ein ganz klares Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort.
Da wird es durchaus entsprechende staatliche Maßnahmen brauchen, damit wir in die Gänge kommen. Es wird die große Aufgabe der künftigen Bundesregierung sein, dass der Motor wieder ordentlich anläuft.
Noch ein Blick auf die politische Landkarte. Sie sind inzwischen der einzige unter den ÖVP-Landeshauptleuten, der nicht mit der FPÖ koaliert. Fühlen Sie sich einsam in Ihrer Partei?
Überhaupt nicht, vor allem weil ich eine gut funktionierende Koalition in Tirol habe.
Wer ist da falsch abgebogen, Sie oder Ihre Parteifreunde?
Koalitionen sind immer auch ein Ausfluss von Wahlen. Und auch wenn wir in Tirol – und das war bitter – als ÖVP viel verloren haben, hatten wir doch doppelt so viel Stimmen wie die Nächsten. Das waren die Sozialdemokraten und die Freiheitlichen. Wir haben eine Koalition mit der SPÖ gemacht. 34 und 17 Prozent sind eine gute Mehrheit.
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