SPÖ-Chef Babler: "Ich bin stark christlich-sozial verankert"
Andreas Babler ist bald einem Jahr Parteichef. Vor Kurzem hat er sein 24-Punkte-Programm präsentiert, mit dem er in die Nationalratswahl im Herbst ziehen will.
KURIER: Im Juni wird es ein Jahr, dass Sie Parteichef sind. Steht die SPÖ mittlerweile dort, wo Sie es sich wünschen? Andreas Babler:
Es schaut gut aus: Wir sind in einer Aufwärtsbewegung und entsprechend zuversichtlich.
Kann man das wirklich so sagen, wo doch die SPÖ in Umfragen bei 21 bis 23 Prozent stagniert?
Wir gewinnen entgegen aller Umfragen Wahlen. Regionale wie in Salzburg und Innsbruck und auch in der Arbeiterkammer.
Bei der AK-Wahl gab es aber ein Minus von drei Prozent.
Bei Teilergebnissen auch etliche Zugewinne. Wir haben eine starke Mobilisierungskraft.
Bei Ihrer Rede am 1. Mai haben Sie das Thema Kinder stark hervorgestrichen: Für jedes soll es einen kostenlosen Kindergartenplatz samt Gratis-Essen geben. Was wird das kosten?
Beim Essen geht es um rund 900 Millionen Euro, die flächendeckende kostenlose Kinderbetreuung kostet rund 2,5 Milliarden Euro. Wir haben zu all unseren Vorschlägen auch Finanzierungskonzepte. Für mich ist ganz wichtig, dass Kinder Rechte haben.
Was heißt das genau?
Zum Beispiel, dass Kinder unabhängig von der Postleitzahl die bestmögliche Bildung erhalten. Dass Kinder nicht in Armut leben dürfen. Mittlerweile ist jedes fünfte Kind armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Darum haben wir auch das Modell einer mehrstufigen Kindergrundsicherung ausgearbeitet.
Bei deren Umsetzung ist bereits Sozialminister Johannes Rauch am Widerstand der ÖVP gescheitert. Warum sollte es Ihnen gelingen?
Ich kann mir schwer vorstellen, dass mir jemand in der Regierung gegenübersitzt, der beim Thema Kinderarmut einfach zusehen will. Und wenn jemand schon nicht das Herz dafür hat, sollte er wenigstens den ökonomischen Verstand einschalten: Die gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen von Kinderarmut kosten der Republik 17 Milliarden Euro.
Experten kritisieren, dass Sie bei der Finanzierung ihrer Projekte viel zu optimistisch sind – von den Einnahmen durch die Vermögenssteuer bis hin zu den Konjunktur-Effekten.
Bei unserer Gegenfinanzierung kommt sogar ein Polster von eineinhalb Milliarden Euro heraus. Die von Kanzler Nehammer in seiner Österreich-Rede angeführten Vorhaben würden hingegen 16 Milliarden Euro kosten, ohne dass irgendeine Gegenfinanzierung feststeht. Das ist keine seriöse Politik. Wenn es um die Umsetzung geht, ergibt sich auch meine Koalitionsbedingung, die ganz einfach ist: Das Leben der Menschen leichter zu machen.
Sie fordern ein Recht auf ein analoges Leben – etwa bei Banküberweisungen. Österreich ist kein Vorreiter bei der Digitalisierung. Wäre es nicht wichtiger, die Menschen damit stärker vertraut zu machen?
Hier geht es nicht um ein Entweder-oder. Aber die ältere Bevölkerung darf nicht diskriminiert werden. Ich bin zwar erst 51, doch selbst für mich ist es nicht lustig, ständig die richtige App-Version herunterzuladen. Es ist eine Frechheit, wenn man in der Bankfiliale – sofern es überhaupt noch eine gibt – für eine Überweisung per Erlagschein Strafe zahlen muss.
Neuerdings fordert die SPÖ nicht mehr die 32-Stunden-Woche, sondern die Vier-Tage-Woche, die ja mehr Stunden haben kann. Wie kam es zu diesem Schwenk?
Diese Formulierung gab es schon in meiner Vorwahl-Kampagne. Es geht um eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Begonnen dort, wo die Arbeit am schwersten ist – wie etwa in der Pflege. Die Bevölkerung ist dafür, selbst die Headhunter werben damit, weil sie so die besten Fachkräfte bekommen.
Ausgehend von der Überbelastung von Wien gibt es eine Debatte um die Verteilung von Flüchtlingen. Wie sieht Ihr Modell aus?
Wir brauchen einen gesetzlichen Mechanismus mit Rechten und Pflichten, der für eine faire Verteilung sorgt. Stattdessen unterstellt Bundeskanzler Nehammer mit seiner Forderung nach DNA-Kontrollen beim Familiennachzug, dass die Behörden in ÖVP-Verantwortung bisher schlampig gearbeitet haben. DNA-Tests werden ja im Zweifelsfall schon jetzt durchgeführt.
Zuletzt häuften sich antisemitische Vorfälle. Die ÖVP sagt, dass man zu lange blind war für den linken Antisemitismus. Hat sie recht?
Antisemitismus ist ein riesiges Problem, egal von wo er kommt. Mein ganzes politisches Leben ist eingebettet in den Kampf gegen Antisemitismus, er gehört zur DNA der Sozialdemokratie. Die ÖVP sollte besser darüber nachdenken, mit wem sie in einer Koalition sitzt – Stichwort Nazi-Liederbücher und Udo Landbauer.
Die jüngst bekannt gewordenen Bestrebungen der Bundesregierung, enger als bisher mit der NATO zu kooperieren, verurteilen Sie scharf und warnen vor einen NATO-Beitritt durch die Hintertür. Doch lässt sich mit der Neutralität alleine Österreichs Sicherheit dauerhaft absichern?
Mit einer aktiven Neutralitätspolitik hätten wir ein Instrument dafür in der Hand. Als wichtiger UN-Standort haben wir eine Tradition, an die wir anknüpfen können. Das Problem ist, dass wir derzeit zu zögerlich sind, etwa wenn es um das Kappen von wirtschaftlichen Abhängigkeiten geht.
Aber wären Sie dann als sozialdemokratischer Regierungschef bereit dazu, das Bundesheer derart aufzurüsten, damit es diese Neutralität auch schützen kann – was ja jetzt nicht der Fall ist?
Natürlich. Wir haben ja auch die Investitionen in die Verteidigung mitbeschlossen, die bis 2032 vorgesehen sind. Wir sind der Garant für die Wehrfähigkeit des Bundesheeres. Ich weiß, dass dafür wirklich sehr viel Investitionsbedarf besteht.
Werdegang: Geboren 1973 in Traiskirchen, wuchs er in einer Semperit-Arbeiterfamilie auf, besuchte die HTL in Mödling (ohne Maturaabschluss) und arbeitete unter anderem als Lagerarbeiter.
Politik: Bablers Polit-Karriere begann in der SJ NÖ. 2014 wurde er Bürgermeister in Traiskirchen. Im Juni 2023 wurde er in einer dramatischen Kampfabstimmung gegen Hans Peter Doskozil zum SPÖ-Parteichef gewählt. Allerdings war man aufgrund einer Abstimmungspanne zunächst davon ausgegangen, dass der burgenländische Landeshauptmann das Rennen gemacht hatte. Zudem ist er SPÖ-Mitglied des Bundesrats.
Dominik Wlazny macht mit seiner Bierpartei der SPÖ Konkurrenz. Bei der Bundespräsidentenwahl 2022 haben Sie ihn noch gewählt. Bereuen Sie das mittlerweile?
Ich freue mich über den demokratischen Mitbewerb.
Sie haben die SPÖ nach links geführt. Jetzt gibt es mit Bierpartei und KPÖ gleich zwei Mitbewerber im linken Spektrum. Müssen da nicht Ihre Alarmglocken läuten?
Es wäre spannend, woran Sie festmachen, dass ich einen linken Kurs fahre. Wir haben ein breites Programm aus der Mitte der Gesellschaft mit 350 Experten erarbeitet. Ich bin in meinen Ideen auch stark christlich-sozial verankert, sie decken sich zudem mit jenen der großen nicht-staatlichen und Hilfsorganisationen.
Vor einem Jahr haben Sie noch mit dem Marxismus geliebäugelt. Jetzt wollen Sie nicht einmal mehr links sein?
Hier ging es um eine akademische Debatte darüber, wie man die Gesellschaft analysieren kann und nicht um ein Programm. Ich trete jedenfalls an, um die Lebensbedingungen der breiten Masse zu verbessern.
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