Babler kämpft in Wieselburg: "Wir machen die SPÖ von einer Dampflok zu einem Railjet"

EU-WAHL: LANDESPARTEITAG DER SPÖ WIEN MIT AUFTAKT EU-WAHLKAMPF: BABLER
89,6 % der Delegierten wollen Babler auf Platz 1 der Bundesliste. SPÖ-Chef stellt 24-"Herz+Hirn"-Ideen vor, will mit 4-Tage Woche und Vermögenssteuer punkten.

Wenige Tage vor dem 1. Mai hält die SPÖ ihren "kleinen Bundesparteitag" in Wieselburg (NÖ) ab. Um über die Listen für den Nationalratswahlkampf abzustimmen. Um sich gemeinsam auf den EU- und Nationalratswahlkampf und Themen einzuschwören. Um 12h30 wird SPÖ-Chef Andreas Babler seine lang angekündigte "Herz & Hirn"-Rede halten, die 24 Ideen für Österreich präsentieren, mit denen er bei seiner ersten NR-Wahl an der Spitze der Partei reüssieren will. 

Einzelne Themen - wie das Recht auf analoges Leben, die gleiche Entlohnung von Mann und Frau und leistbares Leben - wurden in den vergangenen Tagen bereits publik. In der ersten Reihe haben neben Babler u.a. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer und EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder Platz genommen. 

NR-WAHL: SPÖ-BUNDESPARTEIRAT / BABLER

Babler mit seiner Frau

 Vor der avisierten Zeit, als könne er es nicht erwarten, tritt Babler vor die 294 Delegierten und eben so viele Gäste. Es gehe um den „Herzschlag“ und das „Herzblut“ und um eine „Richtungsentscheidung“. 

„Die FPÖ hofiert Orban“, beginnt der SPÖ-Chef mit dem politischen Gegner Nummer Eins – den Freiheitlichen. Die FPÖ stelle die Demokratie infrage, gefährde die Justiz, die Unabhängigkeit der Medien. Es gebe in jeder Generation ein historisches Momentum und es handle sich um nichts weniger als eine „historische Weichenstellung“, die bevorstehe. 

Der Wohlfahrtsstaat spiegle die Verdienste der SPÖ wider, so der SPÖ-Chef, doch die „sozialen Errungenschaften“ würden „zusammengeschossen“. Babler will es mit Hannah Arendt halten, die er zitiert. Es gehe darum, dass der „Mensch das Recht hat, Rechte zu haben.“ 

Er will, sagt Babler, „Politik als Aufbruchswerkzeug“ verstanden wissen. Gäste und Delegierten quittieren dies mit Applaus. 

Leistbares Wohnen (Mietpreisbremse), Recht auf Gesundheitsversorgung, Frauengesundheit, Lohntransparenz , gegen Gewalt gegen Frauen, Sicherheit (4.000 Polizisten), gesetzliche gesicherte Pensionen, Respekt für Ältere, Österreich-Sparbuch (Mindestzins von 3 Prozent), Recht auf Bargeld, Arbeitsmarkt (Beschäftigungsgarantie), Migration (Integrationsjahr für Jugendliche), Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung, Arbeitszeit ("4-Tage-Woche ist Arbeitszeit der Zukunft)", Kleinunternehmen (Lückenlose soziale Absicherung, Krankengeld ab dem 4. Tag), Künstliche Intelligenz (demokratische Kontrolle), Medien (Meine Zeitung Abo – kostenlos für 16 bis 30-Jährige), Kinderarmut (Recht auf warmes Mittagessen), Bildung, Tierwohl, Klima (grüne Technologie) Verkehr (Ausbau des Schienen-Netzes)

Es sei immer besser mit „Herz und Hirn“ zu denken als mit Ellenbogen zu agieren, befindet der Parteichef, der das Motto mantrahaft in der kommenden Stunde immer und immer wieder wiederholen wird. 

400 Expertinnen und Experten hätten sich eingebracht, um die 24 Ideen für die SPÖ zu erstellen, zusammengefasst sind diese in einem 68-seitigen Kompendium, das mit "Herz+Hirn" getitelt ist und explizit nicht als "Wahlprogramm oder Regierungsprogramm zu lesen" ist, wie auf den ersten Seiten festgehalten wird. 

„Dauerkrisenmodus“ und „Mangelwirtschaft“

Österreich sei im „Dauerkrisenmodus“ und im „Mangelwirtschaft“, attestiert Andreas Babler. Fest macht er dies an zahllosen Beispielen. 

Vom „leistbaren Wohnen“, dem Rechtsanspruch auf medizinische Versorgung bis hin zur Gender-Medizin und der Selbstbestimmtheit der Frauen. Von „Frauenhochachtung“ spricht Babler und überschreit sich dabei fast, weil der Applaus ihn übertönt. 

Nach einer Viertelstunde spricht Babler von der „Vision, dass wir Löhne brauchen, von denen wir leben können und die gerecht sind.“ Mit Betriebsräten und der Gewerkschaft werde es in einer sozialdemokratischen Regierung Projekte einer 4-Tage-Woche geben. „Wir brauchen keine Pensionsalter-Erhöhung“, ruft Babler in die Menge und selbige antwortet ihm gleichsam in Form von Rufen und Applaus als er sagt: „Wir brauchen keine private Pensionsvorsorge, wir brauchen gesetzlich gesicherte Pensionen.“

Nehammer, „das ist der, der jetzt Bundeskanzler ist“,  arbeite an der zweiten und dritten Säule, doch Babler, der von seinen Vorrednern als künftiger Bundeskanzler angesprochen wird, sieht das anders. Gegen private Vorsorge habe er nichts, doch es müsse eine gesetzlich gesicherte Pension für alle geben. Der SPÖ-Chef will Ältere in die Beschäftigung bringen  („Ich finanziere liebe Beschäftigung als Arbeitslosigkeit“) und den Älteren das Recht verschaffen, dass sie auch analog ihren Alltag bestreiten können. 

„Integrationsjahr“ und „Kinderrechte-Republik“

Beim Thema Integration und Migration nennt Babler erneut das Hannah Arendt-Zitat. Dann schickt er voraus: „Flucht ist kein Verbrechen“, Integration sei wechselseitig zu sehen und zu verstehen, Migranten schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren (Integrationsjahr). Überdies: „Eine gute Republik wird es nur geben, wenn Frauen und Männer gleichberechtigt sind.“ 

NR-WAHL: SPÖ-BUNDESPARTEIRAT / BABLER / LUDWIG

Andreas Babler und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig

Insbesondere dann, wenn Andreas Babler über Frauen spricht - ob über Frauenpolitik, Gender-Medizin, gleichen Lohn für gleiche Arbeit oder Gewalt gegen Frauen - wird er lauter, im Gestus bestimmter und im Redetempo schneller. „Gewalt gegenüber Frauen ist ein gesellschaftliches Männerproblem“, so des SPÖ-Chefs Attest. 

Noch größer das Echo der „Genossinnen und Genossen“, als sich Babler gleichsam beim Thema Kinder in einen Strudel redet, der ob des Applauses kaum mehr hörbar ist. „Die Republik muss eine Kinderrechte-Republik werden“. Gleich der Schulbuchaktion dereinst müsse jedes Kind das Recht auf ein warmes Mittagessen haben. 

„Mehr Privatstiftungen als Fußballvereine“

Dann beginnt Babler den Bogen hin zum Klima zu spannen, das er stets „Erderhitzung“ nennt. Alle Menschen müssten auch mit der Wirtschaft zusammenwirken, „um den Kipppunkten entgegenzuwirken“. Kinder hätten auch das Recht, noch Gletscher zu sehen. 
Es gehe um „Change by Chance“ und nicht „Change by Chaos“ und deshalb sei der bereits vorgestellte 20 Milliarden Euro Transformationsfonds von großer Bedeutung. 

All diese 24 Ideen seien finanzierbar, erklärt Babler. „Ich habe immer auf einen ausgeglichenen Haushalt geachtet“, sagt er, wohl in seiner Funktion als Bürgermeister von Traiskirchen. „Wir haben keine Toleranz für Steuerräuber“. 

70 Prozent aller Privatstiftungen seien kein einziges Mal geprüft worden. „Wir haben mehr Privatstiftungen als Fußballvereine“ – dahin gelte es künftig zu schauen. „Wir haben ganz konkrete Vorstellungen davon, was unmoralisch ist“. Bis zu 14 Milliarden Euro Gewinn im Bankensektor sei unmoralisch. „Übergewinne müssen fair besteuert werden. Wenn sich zwei Prozent es richten können und 98 Prozent nicht, dann spaltet das die Gesellschaft.“ 5 bis 6 Milliarden Euro sieht er durch eine neue Vermögensteuer an zusätzlichen Mitteln im Staatsbudget. 

Babler gibt nach über einer Stunde Redezeit ein Versprechen ab. „Ich setze mich für eine aktive Außenpolitik ein. Es geht um eine aktive Neutralitätspolitik: Ich sehe, dass das niemand taktisch angreift vom politischen Mitbewerb. Wir waren immer auf der Neutralitätsseite“, befindet der SPÖ-Chef. „Frieden ist immer die zweite Option neben dem Krieg“, findet er abschließende Worte, um zum Ausgangspunkt seiner Rede zurückzukommen. 

Jede Generation habe ihren richtungsweisenden Moment, sagt er und spricht vom "roten" Wien, dem Kampf gegen den Faschismus, dem Wiederaufbau der Republik, von Bruno Kreisky bis hin zur Finanzkrise.

„Dieser Herbst ist unser Moment. Wir machen die SPÖ von einer Dampflok zu einem Railjet“, ruft Babler und ehe er Standing Ovations bekommt „Glück auf“. 

Hernach stellen sich die Kandidatinnen und Kandidaten, die auf der Bundesliste stehen werden, den Delegierten vor, ehe die Liste am frühen Nachmittag zur Abstimmung gelangt/beschlossen wird. Kurz vor 16 Uhr wird das Abstimmungsergebnis der Delegierten betreffend der einzelnen Listenplätze verkündet. Für Andreas Babler auf Platz 1 stimmten 89,6 % der Delegierten, für Doris Bures 93,3.

  1. Andreas Babler (89,6%)
  2. Doris Bures (93,3 %)
  3. Josef Muchitsch (93,6 %)
  4. Eva-Maria Holzleitner (97,6%)
  5. Philip Kucher (99 %)
  6. Julia Herr (93,3%)
  7. Reinhold Binder (98,3%)
  8. Michaela Schmidt (97,6%)
  9. Paul Stich (90,9 %)
  10. Selma Yildirim (92,6 %)
  11. Mario Lindner (91,3 %)
  12. Muna Duzdar (93,6 %)
  13. Klaus Seltenheim
  14. Sandra Breiteneder
  15. Norbert Darabos

Babler gibt sich nach der Verkündung des Bundeslisten-Ergebnisses gelöst. Er werde noch weiter überzeugen, damit noch eine neun vor seinem Ergebnis stehe. "So eine Entschlossenheit und Geschlossenheit" sei wichtig und ermögliche es, "vorwärts zu blicken". 

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