Laut der OECD hat Österreich die EU-weit dritthöchste Steuer- und Abgabenbelastung. Die Industrie schrumpft seit dem Vorjahr, hohe Lohnabschlüsse und Energiekosten belasten die Betriebe. Dazu kommen im globalen Vergleich hohe Umweltvorgaben im Rahmen des Green Deals der EU. Kurzum: Es hat einen Grund, warum immer mehr Großbetriebe Standorte in die USA oder nach Asien verlegen wollen. Top-Ökonomen warnen eindringlich vor einer "Deindustrialisierung". Und vor einer Arbeitszeitverkürzung: Ein US-Amerikaner arbeitet im Durchschnitt jährlich 100 Stunden länger als ein Europäer.
Wie sollte sich also eine Partei in der Arbeitszeitdebatte positionieren, die sich als Vertreterin der Wirtschaft definiert? Zum Beispiel die ÖVP?
Die Industriellenvereinigung hat zu Wochenbeginn für Aufsehen gesorgt. Ihre Forderung: Die Arbeitszeit gehöre nicht verkürzt, sondern bei gleichem Lohn auf 41 Wochenstunden verlängert. Nun ist anzunehmen, dass die IV bewusst einen Kontrapunkt zu Babler setzen will. Vor allem, um eine weitere Arbeitszeitreduzierung zu verhindern. Denn in der Bevölkerung dürfte es für eine Arbeitszeitverlängerung so gut wie keine Unterstützung geben.
Nehammer musste ausrücken
Für dementsprechend großes Unverständnis haben am Dienstag die Äußerungen von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gesorgt – auch ÖVP intern. Sie ortete bei einem Auftritt mit der IV "linke Träume" in der Arbeitszeitdebatte. "Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir mehr als weniger arbeiten", sagte Edtstadler.
Dass sie damit nicht die 41-Stunden-Woche unterstütze, sondern die Teilzeitquote senken wolle, kommunizierte die Ministerin erst am späten Nachmittag via Aussendung. Da hatten SPÖ und Gewerkschaften bereits ihr "Entsetzen" ventiliert. Das Kanzleramt wechselte in den Krisenmodus, wissend, dass mit einer Änderung der Normalarbeitszeit insbesondere in Wahlkampfzeiten nichts zu gewinnen ist. Im Gegenteil.
Am Mittwoch meldete sich deshalb Bundeskanzler Karl Nehammer zu Wort und erklärte die Diskussion für beendet. "Eine Verlängerung der gesetzlichen Regelarbeitszeit kommt für mich fix nicht in Frage." Nachsatz: Genauso halte er die 32-Stunden-Woche für den völlig falschen Weg.
Ist das glaubwürdig? Zwar gibt es für den IV-Vorschlag in der ÖVP vereinzeltes Verständnis, etwa von den Wirtschaftsvertretern Karlheinz Kopf oder Kurt Egger. Eine ernsthafte Absicht, die Arbeitszeit zu verlängern, besteht bei der Volkspartei aber nicht.
Was gegen eine Arbeitszeiterhöhung spricht
Erstens: Weil es eher Wähler kosten würde. Zweitens: Selbst in der Wirtschaft gibt es viele Gegenstimmen. Österreich hatte 2022 und 2023 EU-weit die meisten offenen Arbeitsplätze, davon 81 Prozent Vollzeitstellen. Eine 41-Stunden-Woche würde es nicht erleichtern, diese zu ersetzen. Und sie wäre ein Nachteil im Kampf um ausländische Fachkräfte. Zuletzt verfolgt auch Nehammers Österreichplan lediglich Maßnahmen für mehr Vollzeitarbeit – wie einen Vollzeitbonus in Höhe von 1.000 Euro oder zur Gänze steuerfreie Überstunden.
Apropos "Arbeitszeitverlängerung": ÖVP und SPÖ sind sich wohl einig, dass zu viele Menschen nur wenige Stunden in Teilzeitjobs arbeiten. Aber womöglich ist diese Debatte zu unspektakulär für die "ungebremste Aufgeregtheit" des Vorwahlkampfes, wie es Edtstadler formulierte.
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