Dem KURIER liegt die Liste mittlerweile vor. Für die ÖVP ist unter anderem BMF-Kabinettschef Manuel Zahrer im Einsatz, für die SPÖ Klubsekretär Christopher Berka, für die Neos Klubdirektor Armin Hübner. Die Parteien haben versierte Fachleute aus ihrer zweiten Reihe bestellt. Warum das niemand wissen darf? Unklar.
Und warum sitzen keine Wirtschaftsforscher in der Budgetgruppe?
Auch unklar, aber immerhin trifft sich die Gruppe mit Forschern, um Zahlen „außer Streit“ zu stellen. Fest steht: Im Oktober 2023 hatte die türkis-grüne Bundesregierung ein Budgetdefizit von 2,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) eingeplant. Die EU-Maastricht-Kriterien sehen ein Defizit von maximal drei Prozent vor. Der Fiskalrat geht nun von minus 3,9 % des BIP aus. Österreich fehlen, im Vergleich zum geplanten Budget, somit rund 14 Milliarden Euro. Ein Grund: Wirtschaftsforscher prognostizierten im Herbst 2023 noch eine deutlich bessere, konjunkturelle Entwicklung für 2024. Auf diese „Fehlannahme“ verwies auch ÖVP-Chef Karl Nehammer.
Sind Experten schuld, dass Österreich massiv Schulden anhäuft?
„Das sind faule und lächerliche Ausreden“, sagt Ökonom Hanno Lorenz, vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria, zum KURIER. „Diese Linie hat die ÖVP schon während Corona verfolgt. Auch da hat man in großen Runden Maßnahmen besprochen, medial vermarktet, nichts davon umgesetzt und im Nachhinein gemeint, die Experten hätten einen falsch beraten.“ Das sei eine sehr ungesunde Tugend: „Warum sollen Forscher in Zukunft Regierungen noch beraten, wenn die Verantwortlichen sie im Nachhinein immer nur beleidigen?“
Welche Fehler gab es bei der Budgetplanung?
Lorenz verweist darauf, dass die Maastricht-Kriterien kein Zielwert seien, sondern ein Maximalwert, den man bei der Budgetplanung nicht anvisieren sollte. „Bei einer Wachstumsprognose von einem Prozent mit neuen Schulden von 2,7 % zu planen, war schon nicht besonders ambitioniert.“ Das BMF habe bereits strukturell, also ohne Konjunktureffekte, mit einem Defizit von 2,5 % gerechnet. Damit fehlte ein Puffer, falls es wirtschaftlich doch schlechter laufen sollte als erwartet. „Das war fahrlässig“, meint Lorenz. „Auch wenn die Wachstumsprognosen im Budget noch relativ gut waren, ging die Tendenz bereits früh in die negative Richtung.“
Hätte das BMF früher bemerken müssen, wie schlecht es wirklich aussieht?
Der Fiskalrat erkannte das im April und korrigierte seine Prognose auf minus 3,4 % – was Brunner damals kritisierte. „Das Finanzministerium hat sogar kurz vor der Wahl das Defizit auf minus 2,9 Prozent des BIP korrigiert und so getan, als wäre alles stabil“, wundert sich Lorenz. „Vielleicht war es auch politisch gewollt, dass man im Wahljahr total daneben liegt.“ Das BMF verwies wiederum darauf, die Daten und Zahlen von Gemeinden und Ländern positiver eingeschätzt zu haben, als der Fiskalrat.
Wie sinnvoll sind die EU-Maastricht-Kriterien?
Österreich drohen Strafzahlungen, sollte es sein Budget nicht konsolidieren können. Aber nur theoretisch: Viele EU-Staaten werden gegen die Maastricht-Kriterien verstoßen, die EU-Kommission hat deshalb aber noch nie Strafen ausgesprochen. „Das gesamte Regelwerk ist zahnlos und sinnlos“, sagt Lorenz.
Wie schlimm ist eine hohe Staatsverschuldung?
Österreich hat eine Schuldenquote von rund 83 %, die USA liegen bei 119 %. Also alles halb so schlimm? Die USA hätten große Vorteile gegenüber EU-Staaten, widerspricht Lorenz: „Der Dollar ist die Weltwährung, die USA hat im Gegensatz zu Europa militärische Macht und ein viel stärkeres Bevölkerungswachstum. Das Potenzialwachstum nähert sich in Europa der Null, deshalb sind Fiskalregeln sinnvoll.“
Kommentare