Bablers "Recht auf ein analoges Leben" im Praxistest
Die SPÖ plädiert, wie am Bundesparteirat vergangenes Wochenende präsentiert, für das Recht auf ein analoges Leben. So zumindest sieht es der „Herz+Hirn-Plan“ von SPÖ-Chef Andreas Babler vor. Konkret heißt es: „Niemand soll draufzahlen, nur weil man nicht alles digital machen will.“
Doch lässt sich der Alltag in Österreich ohne Handy-Signatur, E-Mail-Adresse und Internetzugang bewerkstelligen? Der KURIER hat nachgefragt.
Kann man den neuen Handwerkerbonus wirklich nur über das Internet beantragen?
So ist es. Den Zuschuss in Höhe von maximal 2.000 Euro muss man beim Wirtschafts- und Arbeitsministerium (BMAW), über die Website www.handwerkerbonus.gv.at beantragen. Wer das nicht schafft, ist derzeit auf die Unterstützung einer internetaffinen Person angewiesen. Für den Online-Antrag benötigt man Rechnung, Zahlungsbestätigung und einen Ausweis. „Die ID Austria ist keine Voraussetzung, sondern nur eine Alternative zum Hochladen des Lichtbildausweises“, heißt es aus dem BMAW. Dadurch sei der Antrag „niederschwellig“. Auch Gemeinde, Betriebe und eventuell Kammerorganisationen könnten bei der Antragsstellung unterstützen.
Werden ältere Menschen vom Kauf des neuen „Bundesschatzes“ ausgeschlossen?
Nach mehreren Jahren Pause können Österreicher im Rahmen des „Bundesschatzes“ wieder Wertpapiere der Republik kaufen. Um ein Konto zu eröffnen, ist die ID Austria nötig. Die SPÖ kritisiert das. Man nehme „die Bedenken von älteren Personen hinsichtlich der technologischen Hürden“ sehr ernst, heißt es wiederum aus dem Finanzministerium (BMF). Einen Termin mit dem Österreichischen Seniorenrat, um das Thema fachlich zu erörtern, habe man bereits angesucht. Die Nachfrage ist laut dem BMF trotz allem übrigens groß. Innerhalb einer Woche hätten 20.000 Menschen rund 250 Millionen Euro angelegt. Fast 15 Prozent der Anleger seien über 65 Jahre alt, der durchschnittliche Bundesschatz-Anleger sei 49.
Ist es wirklich teurer, Bahn- oder Flugtickets am Schalter zu kaufen?
Ja. Bei den ÖBB fährt man seit 2021 günstiger, wenn man sein Ticket per App oder auf der Homepage online bucht und bezahlt. Teurer ist es am Schalter und am Automaten. Wer mit dem Flieger verreisen will, zahlt im Reisebüro ebenfalls mehr als online – weil das Reisebüro natürlich eine Gebühr aufschlägt. Aber auch bei den Airlines selbst ist der analoge Kauf fast immer teurer. Bei der Austrian kommen (im Ausstellungsland Österreich) stolze 45 Euro dazu, wenn man sein Ticket über das Callcenter bezieht. Argumentiert wird diese Service-Pauschale (die übrigens auch beim Online-Kauf ausgewiesen wird, da aber maximal 5 Euro beträgt), weil „in diesem Fall zusätzliche manuelle Prozesse erbracht werden müssen“.
Wie denkt die Digitalisierungsstaatssekretärin über digitale Amtswege?
Claudia Plakolm (ÖVP) meint auf KURIER–Anfrage, digitale Services seien immer nur eine Ergänzung, aber kein Ersatz für analoge Wege. Digitale Alternativen sollen weiterhin konsequent ausgebaut werden, dürften niemanden ausschließen. „Daher sind alle digitalen Services in meiner Verantwortung selbstverständlich sowohl digital als auch über mindestens einen alternativen Weg möglich, beispielsweise durch einen persönlichen Behördenkontakt. Darauf poche ich auch im Austausch mit anderen Ressorts, was ihre Behördenwege betrifft“, sagt Plakolm.
Wie will die SPÖ den Zugang zu „analoger“ Verwaltung verbessern?
Unter anderem über sogenannte „Grätzel-Beamte“. Dabei soll es sich um eine Mischung aus zusätzlichen Beamten und Menschen aus geförderter Beschäftigung handeln, die in jeder Gemeinde zur Verfügung stehen. Ihre Aufgabe: Menschen helfen, die gewisse Services und Behördenwege nicht online abwickeln können oder wollen. Beispiel: den Handwerkerbonus beantragen. Es sei auch eine Frage des Respekts, wie man vor allem mit der älteren Generation umgehe, heißt es dazu aus der SPÖ.
Zum analogen Alltag gehört auch Bargeld. Wollen Österreichs Politiker oder die EU das Bargeld verbieten?
Im Gegenteil. Die FPÖ und die ÖVP würden es als Zahlungsmittel sogar gerne in der Verfassung verankern. Die SPÖ fordert wiederum ein eigenes „Bargeldversorgungsgesetz“ – einen Bankomat in jeder Gemeinde. Dass diese Debatte vergangenen Sommer besondere Ausmaße angenommen hat, bei der sich die Parteien in teils skurrilen Forderungen überboten, liegt unter anderem an der EU-weiten Bargeldobergrenze von 10.000 Euro, die ab Mitte 2026 in allen EU-Staaten gelten soll.
Doch auch diese hat mit einer Bargeld-Abschaffung nichts zu tun. Die Obergrenze soll Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung eindämmen. Sie wird lediglich für den Zahlungsverkehr von Unternehmen gelten, nicht für den privaten Bereich. Heißt: Wer des Nachbars Automobil um 20.000 Euro erwirbt, darf das weiterhin bar bezahlen. Beim Autohändler wäre aber ab 10.000 Euro eine bargeldlose Bezahlung nötig.
Ist ein analoges Leben noch möglich?
Wie die aufgezählten Beispiele zeigen, ist es jedenfalls schwieriger und teurer geworden. Fakt ist: EU-Staaten wie Finnland, wo noch viel stärker auf digitale Amtswege und ein digitalisiertes Gesundheitssystem gesetzt wird, gelten deshalb international als Vorzeigeländer.
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