Auch wenn die Formulierung bewusst schwammig gewählt ist: Mit „Westchina“ ist die Uiguren-Provinz Xinjiang gemeint, in der VW bis heute zwei Standorte hält. Seit Jahren ist die Beweislast erdrückend, dass die dortige muslimische Minderheit der Uiguren systematisch unterdrückt und ausgebeutet wird.
Im Herbst 2022 erkannte die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in einem spektakulären Bericht an, was NGOs und Menschenrechtler zuvor schon jahrelang berichtet hatten: Dass Chinas Regierung mit aller Härte versucht, die uigurische Kultur auszulöschen. Dass uigurische Frauen massenhaft gegen ihren Willen zwangssterilisiert werden. Dass Hunderttausende Uiguren in Arbeitslagern für chinesische Staatskonzerne schuften müssen.
Die US-Regierung hatte daraufhin vor einem Jahr ein historisch strenges Lieferkettengesetz, den sogenannten Uyghur Forced Labor Prevention Act, in Kraft gesetzt. Seither wird bei allen Unternehmen, die Produktteile aus Xinjiang beziehen, angenommen, dass diese in Zwangsarbeit hergestellt wurden. Firmen müssen also den Gegenbeweis antreten, wenn sie ihre Produkte in den USA verkaufen wollen. So kam es auch zur Festsetzung der tausenden VW-Autos.
Der deutsche Forscher, der die Verfolgung der Uiguren erstmals öffentlich machte, erhöht nun den Druck auf den Volkswagen-Konzern
Der Mann, der das Ausmaß der Unterdrückung erstmals ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit gerückt hatte, heißt Adrian Zenz. Der deutsche Anthropologe hatte 2018 anhand von Satellitenbildern die Existenz von mehr als 380 Umerziehungslagern bewiesen, in denen zwischenzeitlich mehr als eine Million Uiguren inhaftiert waren.
Zenz ist es auch, der in diesem Jahr erneut den Druck auf internationale Konzerne in Xinjiang erhöht hat. Erst vergangene Woche veröffentlichte er gemeinsam mit dem US-Medium Politico einen Bericht, wonach Zwangsarbeit trotz des internationalen Aufschreis in Xinjiang weiterhin in vollem Gange ist, allerdings unter dem Schleier staatlicher „Berufsfortbildungszentren“.
Am Dienstag dann der endgültige Knall: Zenz gab einen neuerlichen Bericht heraus, wonach beim Bau einer Teststrecke für den Volkswagen-Konzern in Xinjiang Zwangsarbeiter zum Einsatz gekommen sein sollen. Von VW hieß es, man habe davon nichts gewusst und werde den Vorwürfen nachgehen. Zenz jedoch gab an, erst über einen Tipp von VW-Mitarbeitern auf die Teststrecke aufmerksam gemacht worden zu sein.
Der Weltkongress der Uiguren, eine NGO der Diaspora mit Sitz in München, schrieb in einer ersten Reaktion: "Der VW-Konzern hat sich der Verantwortung für seine Mittäterschaft bei den Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang lange genug entzogen."
Chemie-Riese BASF zieht sich aus Xinjiang zurück - VW soll das nun auch vorhaben
Doch VW ist nicht der einzige deutsche Konzern, der wegen seiner anhaltenden Geschäfte in Xinjiang unter Druck steht. Erst letzte Woche hatte der Chemie-Riese BASF angekündigt, sich aus der Provinz zurückziehen zu wollen.
Auch dieser Schritt war von einer Enthüllung angestoßen worden: Demnach sollen Mitarbeiter der chinesischen Partnerfirma von BASF – internationale Konzerne dürfen sich in China nur als gemeinsame Tochterfirmen mit chinesischen Unternehmen niederlassen – persönlich an Hausdurchsuchungen bei uigurischen Werksarbeitern teilgenommen haben.
Am Donnerstag gab VW bekannt, dass nun „intensiv geprüft“ werde, alle Standorte in Xinjiang aufzugeben. Zu groß sei der Druck der Investoren, berichten deutsche Medien. Doch der Konzern hat sich vertraglich bis 2029 zu dem Standort verpflichtet – und offenbar große Sorge, es sich mit Chinas Behörden zu verscherzen. Schließlich erwirtschaftet VW fast die Hälfte seiner weltweiten Gewinne nur in der Volksrepublik.
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