"Your body, my choice": Wie Trumps Wahlsieg Frauenhass beflügelt - auch in Österreich
Trumps Triumph pusht frauenfeindliche Rhetorik in sozialen Netzwerken, aber auch außerhalb. Frauen reagieren mit - zum Teil radikaler - Enthaltsamkeit.
Nick Fuentes schien selbst ein wenig überrascht. „Mehr Menschen haben diesen Post gesehen, als bei der Wahl für Kamala Harris gestimmt haben“, stellte der 26-jährige, rechtsextreme Influencer, Holocaustleugner und Trump-Unterstützer auf X fest. Er meinte eine simple und dennoch vielsagende Aussage, die er ein paar Tage zuvor auf der Plattform geteilt hatte: „Dein Körper, meine Entscheidung. Für immer.“ Eine Anspielung auf den feministischen Slogan „Mein Körper, meine Entscheidung“, mit dem Frauen sich schon seit den 1970er-Jahren für mehr physische Selbstbestimmung, etwa das Recht auf Abtreibung, einsetzen. Fuentes Meldung wurde mittlerweile über 95 Millionen Mal gesehen, 36.000-mal geteilt.
Seit der Wiederwahl des ebenfalls für frauenfeindliche Rhetorik bekannten Donald Trump – unvergessen seine Aussage „Grab ’em by the Pussy“ – zum nächsten US-Präsidenten erlebt sexistische und hasserfüllte Rhetorik in sozialen Netzwerken einen Aufschwung, ergab eine Analyse der Londoner Denkfabrik ISD. Schon davor seien in den sogenannten „Mannosphären“, also antifeministischen Gemeinschaften auf zum Beispiel Facebook, Tiktok und X abwertende und frauenfeindliche Äußerungen gang und gäbe gewesen. In den Tagen nach dem Urnengang sei es online aber zu einer regelrechten Flut an Belästigungen und Verunglimpfungen gegenüber Frauen gekommen.
Auch im „realen Leben“, besonders an den US-Schulen, ist diese Rhetorik offensichtlich angekommen. Mehrere Mädchen berichten von Vorfällen, in denen Burschen Fuentes Phrase „Dein Körper, meine Entscheidung“ auch offline ihnen gegenüber verwendet haben. Selbst in einer Wiener U-Bahn soll ein junger Bub das schon zu einem Mädchen gesagt und dann gelacht haben, berichtete Puls24-Journalistin Corinna Milborn diese Woche via Instagram.
"Manfluencer" erleben einen - verzerrten - Aufschwung
Dass sogenannte „Manfluencer“ im Netz mit sexistischen Inhalten enorme Reichweiten erzielen, ist kein neues Phänomen. Eines der bekanntesten Beispiele ist der unter anderem wegen Vergewaltigung angeklagte, ehemalige Kampfsportler Andrew Tate, demzufolge Frauen Männern „gehören“ – was sich in seinen häufigen Beleidigungen ihnen gegenüber widerspiegelt. Da er sowohl auf Instagram als auch auf Tiktok gesperrt wurde, meldete er sich bei seinen zehn Millionen Followern nach der US-Wahl mit gewohnt frauenfeindlichen „Witzen“ auf X. „Wir sind wieder da, Gentlemen. Gott sei Dank ist das Patriarchat zurück“, sagte er in einem Video.
Die Plattform ist seit der Übernahme von Multimilliardär Elon Musk bekannt für äußerst lasche Regulierung, was Hassrede angeht. Musk hat Trump im Wahlkampf mit viel Geld unterstützt und wird künftig Regierungsberater.
Große Namen wie Tate werden auf X vielfach geteilt – auch weil User damit wohl selbst bekannter werden wollen. Der Eindruck, es gebe sehr viele, einflussreiche „Männerrechtler“, ist aber verzerrt – etwa durch einen blauen Haken neben dem Namen, der einst Reichweite und Relevanz bedeutete, den man heute aber einfach kaufen kann. Musks Algorithmus ist zudem intransparent und pusht wohl Hassrede, auch Tiktok steht dafür in Kritik. Wahrscheinlich spült es frauenfeindliche Inhalte also viel mehr Nutzern auf die Bildschirme, als das wollen.
Nichtsdestotrotz bleiben an Frauen gerichtete Beleidigungen und Aussagen wie „Geht zurück in die Küche“ hängen. Laut Roberta Maierhofer, Amerikanistin mit Fokus auf Gender-Themen von der Universität Graz, haben sich seit der ersten Wahl Trumps 2016 Normalitäten verschoben. „Damals hat er mit seinen Aussagen über Frauen das sozial Verträgliche überschritten“, sagt sie. Wie er sich als ehemaliger und nun künftiger Präsident äußere, mache seine Art der Sprache bis zu einem gewissen Grad salonfähig: „Es stellt für manche eine Art Erlaubnis dar, auch so reden zu ,dürfen’ wie er.“
Dass Männer das überhaupt wollen, habe damit zu tun, dass die ökonomische Lage in den USA – trotz positiver Wirtschaftsentwicklung – individuell als schwierig empfunden werde, sagt Maierhofer. Auch Kulturwissenschafterin Elisabeth Lechner am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Wien sagt: „Gender-Fragen werden meistens aus einer kulturpolitischen Perspektive diskutiert, aber es geht auch um ökonomische Fragen.“
Für Frauen hätten sich Optionen aufgetan. Manche Männer würden jetzt dem Feminismus die Schuld geben, wenn es ihnen finanziell schlecht gehe. „Retraditionalisierung ist eine Reaktion auf Unsicherheit und das Infragestellen der alleinigen männlichen Versorgerrolle“, so Lechner.
„Kein Sex mit Männern, bis wir unsere Rechte zurückhaben“
Vielen Frauen geht es nahe, dass jemand wie Donald Trump, der wegen sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochen wurde, Präsident geworden ist. Nach der Wahl posteten einige Aufnahmen von sich, in denen sie weinen, sich aufregen, schockiert sind.
Manche schneiden sich aber auch die Haare ab, um – laut Eigenangabe – für Männer weniger attraktiv zu sein. Oder rufen andere Frauen dazu auf, sie sich scheiden zu lassen. Oder kündigen an, allgemein gar nichts mehr mit Männern zu tun haben zu wollen. In vielen Fällen sind das – von Männern wie Frauen kritisierte – radikale Formen der sogenannten „4B“-Bewegung, die vor ungefähr zehn Jahren in Südkorea entstand und jetzt auf Google trendet.
Es ist eine Form des Protests – „Kein Sex mit Männern mehr, bis wir unsere Frauenrechte zurückhaben“, ruft eine Tiktok-Userin auf.
Den meisten geht es um das Recht auf Abtreibung, im Wahlkampf eines der großen Themen. Denn dieses wurde aufgrund einer konservativen Mehrheit der Richter im Höchstgericht auf Bundesebene gekippt. In manchen US-Bundesstaaten sind Abtreibungen nun gar nicht mehr möglich, selbst nach Vergewaltigungen nicht. Es war Trump, der während seiner ersten Amtszeit durch Richterernennungen zu dieser Mehrheit im Supreme Court führte.
Nun besteht die Angst vor einem landesweiten Abtreibungsverbot, das sich vor allem religiöse Konservative, darunter auch viele Frauen, wünschen. Das führte einerseits dazu, dass die Nachfrage an Abtreibungspillen in den USA nach der Wahl enorm anstieg.
"Möglichkeit, wie ich mir Kontrolle zurückholen kann"
Und andererseits eben dazu, dass manche Frauen keinen Sex mit Männern mehr haben wollen. „Es ist eine Möglichkeit, wie ich mir die Kontrolle zurückholen kann“, sagt die Schauspielerin Julia Fox, die seit mehr als zwei Jahren im selbst gewählten Zölibat lebt.
Trends wie diese hat es laut Forscherin Roberta Maierhofer bereits im 19. Jahrhundert gegeben: „Frauen sehen in der Zurückweisung der Sexualität eine Möglichkeit des Widerstands gegen ein Leben in traditionellen, patriarchalen Rollen. Es ist eine Verweigerung, der herkömmlichen Norm zu entsprechen.“ Im Zuge dessen komme es zu sozialer Abwertung – etwa als „alte Jungfrauen“, die eh niemand wolle.
Das ist auch jetzt zu beobachten. Reaktionen der „Männerrechtler“ sind oft hämisch, zum Teil außerdem gewaltandrohend. „Frauen drohen mit Sexstreiks, als hätten sie eine Wahl“, schreibt etwa einer auf X.
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