Wolf, Fuchs und Adler: Die Symbolwirkung der schlimmen Finger
Ein Arm zum Hitlergruß gestreckt, der andere macht den Hitlerbart, alle sind glücklich. Die Szene aus einem Video einer Party auf Sylt ging um die Welt. So wie jetzt der Wolfsgruß, den der türkische Nationalspieler Merih Demiral nach seinem zweiten Tor im EM-Achtelfinale gegen Österreich gezeigt hat.
Der Europäische Fußballverband UEFA prüft den Fall. Der Wolfsgruß gilt als Zeichen der „Grauen Wölfe“, einer rechtsextremen politischen Bewegung in der Türkei. Auch der deutsche Fußball-Nationalspieler Antonio Rüdiger sorgte im März für große Aufregung.
Ernsthafte Botschaft
Auf Instagram postete der praktizierende Muslim in weißem Gewand ein Foto mit dem Zeigefinger der rechten Hand nach oben. Grund für den Wirbel: Auch Islamisten verwenden die Zeigefingergeste gerne. Eigentlich ist der sogenannte Tauhīd-Finger einfach nur ein Glaubensbekenntnis.
Aber er offenbart ein Problem: Denn nicht immer haben Handzeichen eine eindeutige Bedeutung. Viele sind doppeldeutig oder sie sind auch ganz harmlos. Der Wolfsgruß zum Beispiel wird in heimischen Kindergärten auch gerne als Schweigefuchs verwendet. Damit die Kinder die Lautstärke senken. Die meisten Handzeichen freilich, egal in welcher Bedeutung, haben eine ernsthafte Botschaft.
Die Palette reicht vom berühmten Victory-Zeichen des britischen Kriegspremiers Winston Churchill, bis hin zur geballten Faust. Die war ursprünglich ein Symbol der sozialistischen und kommunistischen Bewegungen. Ein Zeichen von Solidarität, Stärke und Widerstand.
Heute erhebt gerne Donald Trump die geballte Faust. Schließlich gibt es aber auch Handzeichen, die glasklar eine unmissverständliche und verbotene Botschaft verkünden. Der Hitlergruß ist so ein Zeichen – er ist auf der ganzen Welt verpönt, in Österreich und Deutschland verboten. Der KURIER hat einige Symbole zusammengefasst.
Wolfsgruß
Er habe sie im Publikum gesehen und wollte „einfach nur demonstrieren, wie stolz ich bin, Türke zu sein“, rechtfertigte Merih Demiral seine Geste des „Wolfsgrußes“, das Symbol der rechtsextremistischen „Grauen Wölfe“.
Sie gelten als Anhänger der rassistischen, nationalistischen „Ülkücü-Bewegung“, werden in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Ideologie propagiert „den Türken“ als „Herrenrasse“ und richtet sich gegen Minderheiten wie Kurden, Armenier, Aleviten und Juden.
Auch vor Gewalttaten schreckt die Gruppierung nicht zurück. In der türkischen Parteienlandschaft werden die „Grauen Wölfe“ von der ultranationalistischen MHP repräsentiert – Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan.
Durch ihre Regierungsbeteiligung wurden Teile der Ideologie in die türkische Gesellschaft und die politische Symbolik integriert, so Sozialwissenschafter Kenan Güngor, „die Geste wurde zu einem Zeichen des Nationalismus“.
Deswegen wird der „Wolfgruß“ (in Österreich verboten) mittlerweile neben Erdoğan vereinzelt auch von Oppositionspolitikern und Minderheiten verwendet. Güngor hält das für ein Problem und befürwortet das Verfahren der UEFA gegen Demiral.
Faschistengruß
Als die französische Mannschaft am 1. August 1936 während der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Berlin einmarschierte, reckten die Sportler geschlossen den rechten Arm in die Höhe. Zum „deutschem Gruß“, wie das Publikum glaubte. Das sorgte damals für viel internationale Beachtung.
Später erklärten die Franzosen, sie hätten vielmehr den nahezu identischen „olympischen Gruß“ entboten, der damals zum olympischen Protokoll gehörte. Bei den ersten Spielen nach dem Zweiten Weltkrieg, 1948 in London, kam diese Geste dann freilich nicht mehr infrage.
Der „deutsche Gruß“ oder auch „Hitlergruß“ war ab etwa 1925 die übliche Grußform unter den Nazis. Nach der Machtübernahme 1933 wurde er zum offiziellen Gruß. Übernommen haben die Nazis die ausgestreckte rechte Hand von den italienischen Faschisten rund um Benito Mussolini. Der „Faschistengruß“ geht nach einer weitverbreiteten These auf den „Saluto romano“ im Römischen Reich zurück.
Wahrscheinlicher ist, dass die Geste erst im 19. Jahrhundert ihren Ursprung fand. Sie könnte auf das bekannte Gemälde „Der Schwur der Horatier“ von Jacques-Louis David zurückgehen. Dort ist die ausgestreckte Hand aber eine, wie das Bild schon sagt, Schwurgeste.
Doppelköpfiger Adler
Das Schweizer Nationalteam war in Jubellaune. Gerade hatte man bei der WM in Russland die Serben besiegt. Doch nicht alle Spieler rissen die Hände vor Freude in die Höhe. Drei der Schweizer Spieler, darunter Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka, überkreuzten die Arme vor ihrem Oberkörper und spreizten die Finger: das Zeichen des doppelköpfigen Adlers, dem albanischen Wappentier – für die Serben eine Provokation.
Was die genannten Schweizer Spieler eint, ist ihre Herkunft: Sie haben kosovarische Wurzeln. Zwischen Serbien und dem Kosovo gibt es seit Langem andauernde Spannungen – Hintergrund ist der Kosovo-Krieg in den Jahren 1998 und 1999. Der Kosovo war einst serbische Provinz, erklärte 1999 seine Unabhängigkeit.
Serbien erkennt den Kosovo bis heute nicht als eigenständigen Staat an. Es sei keine Message an den Gegner gewesen, beteuerten die Spieler. Die Geste sei aus der Emotion heraus entstanden. Das sah die FIFA allerdings anders. Politische Gesten will man auf dem Fußballplatz nicht sehen.
Gegen die Spieler wurde ein Verfahren wegen unsportlichen Verhaltens eingeleitet. Shaquiri und Xhaka wurden zu einer Geldstrafe in Höhe von 8.670 Euro verurteilt, ein weiterer Spieler zu 5.000 Euro Geldstrafe.
Kühnen-Gruß
Ende Jänner 2007 tauchte in einer Gratis-Tageszeitung ein Jugendfoto des damaligen Chefs der FPÖ Wien, Heinz-Christian Strache, auf. Es zeigt Strache in Burschenschaftler-Coleur, die rechte Hand hielt er mit drei abgespreizten Fingern in die Kamera.
In der rechten Szene war und ist diese Geste als „schlampiger Hitlergruß“ bekannt, aber auch als „Kühnen-Gruß“ – benannt nach dem 1991 verstorbenen deutschen Neonazi-Führer Michael Kühnen, der diese Fingerstellung aufgebracht haben soll. Die abgespreizten Daumen, Zeige- und Mittelfinger sollen ein „W“ für das Wort „Widerstand“ darstellen.
In Deutschland ist der Kühnen-Gruß als „Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ dezidiert verboten und strafbar. In Österreich ist die rechte Geste zwar nicht ausdrücklich verboten, trotzdem gab es schon (zumindest) eine einschlägige Verurteilung: 2015 nach einer xenophoben Demo.
Seitens der FPÖ kamen damals freilich ganz andere Erklärungen für die Geste: Der junge H. C. Strache habe den „Gruß der Südtiroler Freiheitskämpfer“ gezeigt – im Dokumentationsarchiv DÖW ist der angebliche Südtiroler Gruß freilich unbekannt. Strache selbst meinte damals nonchalant, er habe lediglich „drei Bier“ bestellt.
Tauhid-Finger
Und immer wieder Fußball: Zuletzt geriet der erhobene Tauhid-Finger in die Schlagzeilen, weil der deutsche Nationalspieler Antonio Rüdiger, ganz in Weiß gekleidet, damit auf Instagram posierte. „Der Finger gilt im Islam als Symbol der Einheit und Einzigartigkeit Gottes“, rechtfertigte sich der Fußballer etwas später.
Doch auch Islamisten verwenden dieses Zeichen. So auch Terrorpate Osama Bin Laden, nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York, der meistgesuchte Mann der Welt. Und auch während der Hochblüte des IS kamen immer wieder derartige Bilder zum Vorschein. Der Wiener Mohamed Mahmoud, Österreichs bekanntester Islamist, der vor laufender Kamera Menschen köpfte, verwendete die Geste ganz bewusst. Sowohl Bin Laden als auch Mahmoud sind tot.
Doch noch immer ist der erhobene Finger ein Erkennungszeichen unter Extremisten. Bei einem aktuellen Prozess gegen den in Österreich inhaftierten Terroristen Lorenz K. beschrieb ein Zeuge: „Im Gefängnis gilt dieser Gruß als Erkennungszeichen der IS-Anhänger.“ Mittlerweile warnen westliche Behörden – etwa der Bayerische Verfassungsschutz – davor, diese Geste zu zeigen.
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