Wo es bereits ein Burka-Verbot gibt - und was es bewirkt

Je nach Region und Schicht folgen Frauen den Bekleidungsvorschriften des Islam.
Die Ganzkörperverschleierung ist in einer Reihe europäischer Staaten ganz oder teilweise verboten. Ein Überblick - auch über welche Erfahrung mit dem Verbot dort gemacht wurden.

Frankreich, Belgien, teilweise auch in den Niederlanden - und jetzt also Österreich. Das geplante Integrationsgesetz sieht nunmehr auch hierzulande ein Vollverschleierungsverbot vor. Diskussionen darüber begleiten die heimische Innenpolitik ja schon seit Monaten, eigentlich Jahren.

Nachdem im September vergangenen Jahres konservative deutsche Politiker über ein Burka-Verbot debattiert hatten, war es Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), der die Diskussion über ein Verbot von Ganzkörperverschleierungen auch in Österreich wieder anfachte. Am Mittwoch endete die Begutachtungsfrist für das neue Integrationsgesetz - die Kritik daran ist groß, und kommt auch von durchaus unerwarterer Seite: So monierte etwa die Arbeiterkammer, dass ein Burkaverbot einen "völligen Ausschluss aus dem öffentlichen Raum" bedeute. Ähnlich argumentiert auch die IGGÖ. "Viele Frauen, die vom Gesichtsschleier überzeugt sind, werden zu Hause bleiben", fürchtet die Frauenbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft Carla Amina Baghajati.

Dazu würde ein Verbot Frauen mit Burka zu Heldinnen hochstilisieren. Burkaträgerinnen würden so zu "Werbeflächen für eine radikale Ideologie", sagte Baghajati zum KURIER. Viele Männer würden stolz die Strafen ihrer Frauen zahlen. In Österreich sind 150 Euro Verwaltungsstrafe vorgesehen.

Welche Erfahrungen haben also andere Länder mit dem Burka-Verbot gemacht? Wo wird das Verbot wie gehandhabt? Ein Überblick:

Frankreich, das sich auf eine starke laizistische Tradition beruft und in dem Staat und Religion seit jeher strikt getrennt sind, führte als erstes EU-Land bereits im April 2011 ein Vollverschleierungsverbot ein. Bis zu 150 Euro Strafe droht seitdem Frauen, die sich in der Öffentlichkeit vollständig verschleiert zeigen - entweder mit der Burka, die die Augen hinter einem Stoffgitter verbirgt, oder mit dem Niqab, der die Augen freilässt.

Nach Angaben des französischen Innenministeriums wurde seither rund 1.600 Mal ein Bußgeld verhängt, mehrfach gegen dieselben Frauen. Laut Schätzungen tragen in Frankreich rund 2.000 Frauen Niqab oder Burka, was angesichts der etwa fünf Millionen Muslimen im Land nicht viel ist.

Die vorgesehenen Strafen, 150 Euro Bußgeld und ein Kurs in Staatsbürgerkunde, schrecken kaum ab, zumal sich ein aus Algerien stammenden Geschäftsmann bereit erklärt hat, aus Protest gegen das Gesetz die Strafzahlungen für die Verurteilten zu übernehmen.

2013 kam es in der französischen Stadt Trappes zu tagelangen schweren Ausschreitungen, nachdem Polizisten die Identität einer vermummten muslimischen Frau feststellen wollten. In einem anderen Fall endete die Kontrolle einer Frau in einem Pariser Vorort mit Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Anwohnern. Das Innenministerium spielt solche Vorfälle laut einem Bericht des Deutschlandfunk herunter: Die meisten Kontrollen würden friedlich ablaufen.

Muslimverbände beklagen jedoch, dass Aggressionen gegenüber verschleierten Frauen generell zugenommen hätten. Das Gesetz biete inzwischen vielen einen "legalen Deckmantel, verschleierte Frauen anzupöbeln".

Die Stadt Cannes verbot im August 2016 über das Burkaverbot hinaus auch das Tragen eines Burkinis am Strand. Es gehe nicht darum, "das Tragen religiöser Symbole am Strand zu verbieten, sondern um ostentative Kleidung, die auf eine Zugehörigkeit zu terroristischen Bewegungen hinweist, die gegen uns Krieg führen" sagte der Generaldirektor der städtischen Dienste, Thierry Migoule damals. Laurence Rossignol, Ministerin für Familie, Kindheit und Frauenrechte, bezeichnete den Burkini als "archaisch" und empfahl dessen "Bekämpfung ohne Hintergedanken". Auch die Städte Sisco, Leucante, Oye-Plage und Le Touquet-Paris-Plage untersagten Frauen, beim Baden im Meer Ganzkörperbadeanzüge zu tragen. Das Burkini-Verbot wurde vom höchsten französischen Verwaltungsgericht jedoch für unwirksam erklärt. In der Begründung heißt es, das Verbot stelle eine ernsthafte und illegale Verletzung von Grundrechten dar.

Überblick: Die Unterschiede zwischen Niqab, Hijab, Tschador und Burka

Belgien

In Belgien trat ein Niqab- und Burka-Verbot nur wenige Wochen später, nämlich am 23. Juli 2011 in Kraft. Bis zu 137,50 Euro Strafe und in Extremfällen sogar bis zu sieben Tage Haft drohen seither all jenen, die sich vollständig verhüllt in der Öffentlichkeit zeigen - egal ob aufgrund muslimischer Kleidungsvorschriften oder aus anderen Beweggründe. Auch in Belgien ist die Zahl der Niqab- und Burka-Trägerinnen laut Schätzungen verschwindend gering: Gerade einmal 300 Frauen verhüllen ihren Körper, bei einer muslimischen Gesamtbevölkerung von einer Million.

Niederlande

Die Niederlande sind das bisher letzte EU-Land, das 2015 ein teilweises Verbot der Vollverschleierung eingeführt hat. Anders als in Frankreich und Belgien gilt es jedoch nur in Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen sowie in Behörden und öffentlichen Verkehrsmitteln. Premierminister Mark Rutte betonte nach Einführung des Verbots, das Gesetz ziele auf "bestimmte Situationen, in denen es von Bedeutung ist, dass die Menschen gesehen werden". Religiösen Hintergrund habe das Verbot keinen.

Schätzungen gehen davon aus, dass in den Niederlanden rund 500 Frauen Burkas und Niqabs tragen. Ihnen droht eine Strafe von bis zu 405 Euro.

Deutschland

In Deutschland forderten im September 2016 einzelne CDU-Innenminister aus den Bundesländern ein vollständiges Burka-Verbot. Sowohl Innenminister Thomas De Maiziere als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erteilten diesem jedoch eine Absage.

Auch in Estland, Lettland und Litauen wurde vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise und einer von der EU-Kommission geforderten Aufnahme von Flüchtlingen, zuletzt vermehrt über eventuelle Verbote von Burka und Niqab debattiert. Begründet wurde dies vor allem mit Sicherheitsbedenken. Laut einer Umfrage sind etwa rund zwei Drittel der Letten für ein solches Verbot. Konkrete Gesetzesinitiativen gab es seit Beginn der Diskussion vor rund einem Jahr jedoch keine.

In der Schweiz stimmte das Parlament bereits im Herbst 2012 gegen ein Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit - allerdings nur mit knapper Mehrheit. Argumentiert wurde die Entscheidung damals mit der Unverhältnismäßigkeit eines Verbots: Es gebe kaum Frauen in der Schweiz, die sich aus religiösen Gründen völlig verhüllten, zudem könnte der Schritt dem Tourismus schaden.

Interview: "Burka-Verbot ist rein populistisch"

Wo es bereits ein Burka-Verbot gibt - und was es bewirkt
Die Burka, von der in diesen Tagen häufig die Rede ist, sieht man in Österreich tatsächlich sehr selten. Sie ist vor allem in Afghanistan und Teilen Pakistans verbreitet - unter der Herrschaft der Taliban waren alle Frauen zum Tragen des Ganzkörperschleiers verpflichtet, heute ist das Verbot aufgehoben. Der Umhang bedeckt den gesamten Körper, im Bereich der Augen ist ein Gitter eingenäht. Afghanische Burkas sind meist blau, es gibt sie aber auch in anderen Farben.
Wo es bereits ein Burka-Verbot gibt - und was es bewirkt
Viele Menschen, die von der Burka sprechen, meinen eigentlich denNiqab bzw. Nikab.In Österreich kommt er häufiger vor als die Burka, bei der, im Gegensatz zum Niqab, das ganze Gesicht verdeckt ist. Der Gesichtsschleier lässt um die Augen einen schmalen Schlitz frei und wird meist mit einem weiten, schwarzen Gewand kombiniert. Er ist vor allem auf der Arabischen Halbinsel verbreitet - in Saudi-Arabien und im Jemen trägt die Mehrheit der Frauen einen Niqab. Aber auch in Syrien, dem Irak und nordafrikanischen Ländern wird der Gesichtsschleier getragen.
Wo es bereits ein Burka-Verbot gibt - und was es bewirkt
"Tschador"kommt aus dem Persischen und bedeutet "Zelt". Mit dem großen, schwarzen Tuch, das über die Kleidung gewunden wird, verhüllen (vor allem konservative) Frauen im Iran ihre Haare, Ohren, den Hals und Körper. Das Gesicht bleibt frei. Heute tragen immer mehr junge Frauen stattdessen ein lockeres Kopftuch und einen leichten Mantel, eine so genannte Abaya. Diese ist in Saudi-Arabien als Mindestmaß für die Verhüllung der Frau vorgeschrieben.
Wo es bereits ein Burka-Verbot gibt - und was es bewirkt
UnterHijaboder auch Hidschab versteht man in der Regel ein Kopftuch. Je nach Gesellschaft werden damit die Haare und der Hals komplett bedeckt oder das Tuch locker um den Hals geschlungen. Das Tuch wird unter dem Kinn geknotet und ist das häufigste Kleidungsstück muslimischer Frauen. In vielen islamischen Staaten, wie etwa dem Jemen oder Oman, sind Muslimas zum Tragen eines Hidschabs verpflichtet.
Wo es bereits ein Burka-Verbot gibt - und was es bewirkt
Der Burkini:Die Wortkombination aus "Burka" und "Bikini" bezeichnet einenSchwimmanzug für muslimische Frauen, der Haare, Arme und Beine bedeckt. Zuletzt war die muslimische Badekleidung häufig in den Schlagzeilen: Im südfranzösischen Cannes ist es Frauen seit August untersagt, im Burkini baden zu gehen. Etwa zeitgleich trat bei den Olympischen Spielen in Rioerstmals eine Athletin (Beachvolleyball) im muslimischen Schwimmanzugan.

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