Aktivistin: "Burka-Verbot ist rein populistisch"
In Österreich fordert Außenminister Sebastian Kurz ein Burka-Verbot. Auch freiheitliche Politiker, wie etwa der blaue Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer, schließen sich der Forderung an und wollen auch den Burkini, also den Ganzköperbadeanzug für muslimische Frauen, verbieten. Auch in Deutschland wird ein Burka-Verbot diskutiert. In Frankreich, wo die Burka seit rund fünf Jahren verboten ist, will man jetzt auch das Tragen eines Burkini untersagen. In einigen französischen Badeorten, wie zum Beispiel in Nizza, wo am 14. Juli 85 Menschen bei einem Terroranschlag ums Leben kamen, oder in Cannes wurde das Burkini-Verbot bereits umgesetzt. Die Bekleidung sei "ostentativ" und "nimmt Bezug auf eine Zugehörigkeit zu terroristischen Bewegungen, die uns den Krieg erklärt haben", argumentierten die Stadtväter.
Die österreichische Muslima Dudu Kücükgöl, die über Islam und Feminismus forscht und bis vor wenigen Monaten Mitglied im Bundesvorstand der Muslimischen Jugend Österreich war und selbst Kopftuch und Burkini trägt, hält von Verboten gar nichts. Die Debatte bezeichnet sie im Interview für populistisch und kontraproduktiv, ein Verbot würde viele muslimische Frauen aus der Öffentlichkeit drängen.
KURIER: Außenminister Sebastian Kurz hat ein Burka-Verbot gefordert. Abgesehen davon, dass er wahrscheinlich den Niqab, also den Gesichtsschleier meint, was sagen Sie dazu?
Dudu Kücükgöl: Wir haben gerade eine antimuslimische Atmosphäre und er reitet halt auch auf der Populismus-Welle mit. Burka, Burkini, alle wollen etwas verbieten. Es geht hier in Wahrheit um Islamfeindlichkeit und um Ausgrenzung und da wollen möglichst viele auch ihre populistischen Sprüche klopfen.
Augenscheinlich ist es in Europa aber ein großes Thema. In Deutschland wird ein Burka-Verbot diskutiert, in Frankreich verbieten viele Gemeinden den Burkini am Strand, Österreich geht in dieser Debatte jetzt auch mit, obwohl die Anzahl von Frauen, die hier einen Niqab tragen, doch eher überschaubar ist.
Diese Debatten über Kopftuch, Burkini und Burka haben wir in regelmäßigen Abständen. Das ist nicht neu. Ich kannte in Österreich persönlich nur eine Frau, die einen Gesichtsschleier getragen hat. Das war freiwillig und mittlerweile hat sie ihn abgenommen. Man muss sich eher fragen, um was es in dieser Debatte wirklich geht, die ich für grob fahrlässig halte.
Warum?
Wir sind derzeit massiv mit einer Islamfeindlichkeit konfrontiert, es gibt immer mehr Übergriffe auf muslimische Einrichtungen, muslimische Frauen werden auf der Straße bespuckt. Ich finde es deshalb sehr bedenklich, dass man in dieser aufgeheizten Stimmung diese Politik macht. Anstatt dieser feindlichen Atmosphäre und der Polarisierung unserer Gesellschaft entgegen zu wirken, gießt man lieber weiter Öl ins Feuer.
Also für Sie eine rein populistische Debatte?
Ja, weil sie auch frauenpolitisch keinen Sinn macht. Sollten Frauen zum Beispiel den Niqab aus Zwang oder aus einer Abhängigkeit heraus tragen, dann dränge ich sie mit einem Verbot noch mehr in diese Abhängigkeit. Besser wäre es, ihnen alle Möglichkeiten zu bieten und sie zu fördern und dann sehe ich mir an, ob sie den Niqab freiwillig tragen oder nicht.
Aber den Gesichtsschleier trägt doch niemand freiwillig. In befreiten IS-Städten in Irak haben Frauen, die den Niqab tragen mussten, den Schleier öffentlich aus Freude verbrannt.
Aber wenn man mit Frauen, die einen Niqab tragen, zum Beispiel im Jemen oder in Saudi-Arabien spricht, sagen alle, dass sie diesen Schleier als sehr mühsam und als Zwang empfinden. Es ist darunter heiß, man schwitzt, man hat ein eingeschränktes Sichtfeld.
Für mich ist ein Gesichtsschleier, wie schon gesagt, befremdlich, ich bin es nicht gewohnt, ich wurde in Europa sozialisiert.
Sie sind dagegen, aber ein Verbot lehnen Sie ab?
Ja. Zumal ich jede Diskussion über Frauenkleidung als sexistisch erachte. Wichtig ist: Ich traue Frauen zu, dass sie selbst wissen, was für sie das Beste ist.
Aber noch einmal, viele Frauen, die den Niqab tragen, machen das doch in der Regel aus einem religiösen Druck heraus.
Ja und diese Frauen muss man auch unterstützen. Aber Verbote und Zwänge halte ich für kontraproduktiv.
Ich hoffe, dass die Stadt Wien kein Verbot ausspricht. Die Stadt hat vor fünf Jahren klar gesagt, dass Burkinis in öffentlichen Bädern erlaubt und in Ordnung sind. Es kann ja nicht sein, dass man muslimischen Frauen, die Teilnahme an Sport und am öffentlichen Leben verbietet Wozu soll das gut sein?.
Aber schreibt der Koran den Burkini vor, oder ist dieses Kleidungsstück wiederum rein gesellschaftspolitisch zu erklären?
Eine Frau, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch trägt, wird sich im Schwimmbad nicht ausziehen. Somit ist ein Burkini die einzige Möglichkeit für sie, öffentlich schwimmen zu gehen. Wenn man das verbietet, grenzt man Frauen aus.
Also ohne Burkini würde man viele muslimische Frauen gar nicht in der Öffentlichkeit sehen und so wie das Kopftuch wird der Burkini von den Frauen freiwillig getragen?
Ein Burkini ermöglicht Frauen, die ein Kopftuch tragen das Schwimmen in der Öffentlichkeit. Und so wie fast alle Musliminnen ihre Kopftücher freiwillig tragen - wie das auch beispielsweise eine Studie der Konrad Adenauer Stiftung besagt - ziehen sie auch freiwillig einen Burkini an.
Der Burkini ist ja relativ neu, das heißt früher konnten diese Frauen nicht öffentlich schwimmen gehen?
Ja, in meiner Schulzeit gab es das noch nicht, und ich konnte deshalb am Schwimmunterricht nicht teilnehmen.
Mit einem normalen Badeanzug wollten Sie nicht schwimmen gehen?
Nein, warum sollten Frauen ein Kopftuch tragen, wenn sie sich dann im Schwimmbad ausziehen? Das macht ja keinen Sinn. Die körperlichen Grenzen einer jeden Frau sollten respektiert werden. Wenn ein „normaler Badeanzug“ keine Option ist, ist das auch kein Argument.
Aber kleine Mädchen, wo der Vater oder die Mutter entscheidet, dass sie aufgrund der Kleidervorschrift nicht schwimmen gehen dürfen, das lehnen sie ab?
Ich kenne keine Burkinis für kleine Mädchen, aber es gibt Schwimmkleidung, die mehr bedeckt als ein Badeanzug.
Viele Schwimmbäder argumentieren gegen den Burkini auch wegen der mangelnden Hygiene.
Die Kleidung muss natürlich sauber sein, und aus einem bestimmten Stoff. Die Stadt Wien hat das deshalb auch erlaubt, das ist kein Argument.
Aber es scheint, dass es mehr Frauen geworden sind, die jetzt einen Burkini tragen. Täuscht der Eindruck?
Ja das stimmt, weil es eben den Burkini erst seit Kurzem gibt. Und es erfordert auch einiges an Mut, mit einem Burkini schwimmen zu gehen, weil man belästigt und angestarrt wird. Dennoch verbreitet es sich, weil Frauen gerne den Sommer und das Wasser genießen wollen und immer mehr Frauen sich trauen.
Also erst der Burkini hat es muslimischen Frauen ermöglicht in ein öffentliches Schwimmbad zu gehen?
Genau, und das zeigt doch auch, dass diese Frauen am öffentlichen Leben teilnehmen möchten, wenn sie die Möglichkeit haben. Man sieht das jetzt doch auch bei Olympia, wo die olympische Volleyballerin aus Ägypten mit einem Burkini gespielt hat, das wäre vorher nicht möglich gewesen. Und das macht jungen muslimischen Frauen Mut.
Aber verstehen Sie das Befremden von vielen Menschen hier in Europa gegenüber dem Niqab und gegenüber dem Burkini?
Ja, aber das heißt nicht, dass ich diese Frauen anpöble. Und wenn ein Burkini den Vorschriften entspricht, was ist das Problem? Ich verstehe es nicht, dass man das Bedürfnis hat, andere Menschen zu beleidigen, nur weil sie anders angezogen sind.
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