Krise: Jungen vergeht Lust auf Kinder

ARCHIV - Babys liegen in einer Kita in Frankfurt (Oder) nebeneinander auf dem Rücken, aufgenommen am 16.11.2010. NRW-Familienministerin Schäfer gibt am Montag (26.03.2012) in Düsseldorf auf einer Pressekonferenz Zahlen zur Entwicklung der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren bekannt. Foto: Patrick Pleul dpa/lnw +++(c) dpa - Bildfunk+++
Die hohe Zahl an Arbeitslosen drückt in Europa auf die Geburtenrate. Besonders in Spanien.

Weniger Jobs, weniger Kinder. Auf diese vereinfachte Formel kommen die Wissenschaftler des deutschen Max-Planck-Instituts. Sie haben die Auswirkungen steigender Arbeitslosigkeit auf die Geburtenrate in 28 europäischen Ländern untersucht.

Selbst Mitautorin Michaela Kreyenfeld war überrascht, wie stark sich eine steigende Arbeitslosenrate auf die Kinderschar in einem Land auswirkt: „Noch vor einem Jahr sind wir davon ausgegangen, dass die Geburtenrate in Europa wieder steigt. Jetzt sehen wir aber, dass die Krise Spuren hinterlassen hat.“ Die Wirtschaftsflaute führt auch dazu, dass es weniger Nachwuchs gibt. Wenn die Arbeitslosenrate um ein Prozent steigt, bekommen die 20- bis 24-Jährigen des betroffenen Landes um etwa 0,1 Prozent weniger Kinder (in Südeuropa sogar um 0,3 Prozent weniger).

Vor allem in den krisengebeutelten Südländern wie Spanien, Griechenland oder Kroatien kommen seit der Wirtschaftskrise weniger Kinder auf die Welt. Aber auch in Ungarn, Irland und Lettland gibt es gravierende Auswirkungen. Kreyenfeld: „Speziell junge Frauen – die aus biologischer Sicht noch einen zeitlichen Spielraum haben – verschieben die Geburt des ersten Kindes auf einen späteren Zeitpunkt.“

Beim zweiten und dritten Kind sei der Zusammenhang weniger ausgeprägt. „Wurde erst einmal mit der Familiengründung begonnen, hat die Krise weniger Einfluss auf weiteren Nachwuchs“, beobachtet Kreyenfeld. Zumindest bei jungen Müttern. Die Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen zögert demnach länger bei der Entscheidung für ein zweites oder drittes Kind. Auch weil ältere Mütter oft karriereorientierter sind als Frauen, die schon in jungen Jahren eine Familie gegründet haben, vermuten die Studienautoren.

Spanische Schatten

Besonders stark spiegelt sich die prekäre Arbeitsmarktsituation in der spanischen Geburtenstatistik wider. Jeder vierte Spanier ist derzeit arbeitslos, bei den Jugendlichen sogar jeder zweite. Wer einen Job hat, turnt meist von einem befristeten Vertrag zum nächsten. Viele sind auf die Unterstützung von Eltern und Großeltern angewiesen. Ähnlich angespannt ist die Lage in Griechenland. Noch zu Beginn des Jahrtausends brachten Spanierinnen durchschnittlich 1,24 Kinder zur Welt. Bis 2008 stieg die Quote auf 1,47 und fiel mit der Wirtschaftskrise wieder auf 1,36.

Für jene, die in Österreich auf Jobsuche sind, ist es freilich kein Trost, dass der österreichische Arbeitsmarkt noch vergleichsweise gut aufgestellt ist. In Österreich hat das Max-Planck-Institut auch keine bedeutenden Einflüsse auf die Geburtenrate nachgewiesen. Ähnlich ist die Situation in Deutschland und der Schweiz.

In Österreich kamen 2012 übrigens knapp 80.000 Kinder auf die Welt. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau stagniert bei 1,43. Die Geburtenraten in urbanen und ländlichen Gegenden gleichen sich an. Vor allem seit Mitte der 1980er-Jahre nähern sich die Bundesländer dem vormals niedrigeren Niveau von Wien an.

Aus Sicht von Kreyenfeld können Politiker die Geburtenrate allein mit klassischen familienpolitischen Maßnahmen kaum beeinflussen. „Sie müsste stärker mit der Arbeitsmarktpolitik verzahnt werden“, sagt sie mit Verweis auf das Studienergebnis.

Krisenfolge

Wegen der unsicheren Jobsituation schieben vor allem junge Frauen die Familiengründung hinaus. Besonders stark ist diese Entwicklung in den Krisenländern. In Italien, Polen und Tschechien legen die Geburtenraten nicht mehr zu. In Österreich und Deutschland gibt es dank relativ stabiler Arbeitsmärkte kaum Auswirkungen.

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